Es ist doch immer wieder angenehm, wenn man so ein Festival direkt vor der Haustür hat. Keine weite Anreise, kein Schleppen von Zeug und vor allem: Schlafen im eigenen Bett. Da macht das Ganze dann gleich noch mal mehr Spaß. Wenn dann auch noch Dockville-Zeit ist und das Line-Up Großes verspricht…
Doof aber, wenn man dann schon das erste Highlight. HERRENMAGZIN spielen, während ich in der Schlange stehe, TURBOSTAAT höre ich noch für 1,5 Lieder und erhasche einen finalen Blick. Schade, aber wer rechnet auch mit über 30 Minuten Zeit beim Einlass und wechselnden Schildern, in welche Schlange eigentlich wer gehört. Doch das Schlangestehen soll später noch ein viel größeres Thema werden…
Aber man kann ja auf dem Dockville auch andere Dinge machen, als Bands gucken. Das Gelände erkunden zum Beispiel. Wieder mit viel Liebe aufgebaut und immer wieder interessant. Es gibt in diesem Jahr mehr Bühnen, eine davon sehr weit weg und nur über einen beschwerlichen Fußmarsch zu erreichen. Dafür Stimmung wie in den Neunzigern auf dem Mayday, nur ohne MARUSHA. Dieser Weg ist auch eher untypisch, weil nicht schön, nicht voller Installationen und auch nicht lustig.
Gar nicht lustig war auch PATRICK WOLF. Oh man, selbst von weitem hat er mit seiner Stimme und seinem Stil genervt. Ich kann den Hype um ihn nicht verstehen, ging gar nicht.
Viel Hype gab es auch um HEALTH aus Los Angeles. Viele Drums und sehr viel Noise. Nicht meine Welt und viel zu viel Gewitter für so einen schönen Tag.
Dann lieber BLUMENTOPF! Musikalisch eher langweilig, dafür im Semi-Freestylen sehr unterhaltsam und natürlich zum Abschluss auf Pardy-Safari. Das war wirklich mal Abwechslung und gut anzusehen!
(bc) Dass die Jungs & Mädels von der Turbojugend mächtig einen an der Waffel haben, dürfte allgemein bekannt sein. Am Freitag bevölkerten auffällig viele dieser Gestalten das Festivalgelände, tauschten eifrig Buttons ihrer jeweiligen Chapter, präsentierten skurrile bis beängstigende Kopfbedeckungen und erzählten sich Geschichten, in denen es überwiegend um Alkohol, Rock´n´Roll und Erbrochenes ging. Eine noch größere Klatsche haben dagegen TURBONEGRO selbst, allen voran Sänger Hank von Helvete. Das furchteinflößende Schwabbelmonster hatte vor der Show offensichtlich mal wieder ganz mächtig getankt, sprang wie ein zu Fleisch gewordener Flummi über die Bühne und suchte immer wieder in charmant-gebrochenem Deutsch die Konversation mit dem Publikum. Doch auch seine Bandkollegen hatten entweder das eine oder andere Kaltgetränk zuviel eingeworfen oder einfach einen gebrauchten Tag erwischt:
Die vereinnahmende Sound-Wand, die man sonst von TURBONEGRO-Konzerten gewohnt ist, war beim Dockville-Festival nicht wirklich vorhanden. Haben sie den letzten Besetzungswechsel nicht verkraftet? Oder war vielleicht die Technik schuld? Man weiß es nicht. Doch natürlich knallen Deathpunk-Hits wie „All my friends are dead“, „Age of pamparius“, „Denim demons“, „Get it on“, „Wasted again“ oder „Erection” auch bei einer ansonsten eher mittelmäßigen Performance. Oder wie es ein Mitglied der „Turbojugend Schenefeld“ ausdrückte: „Oh Mann, so schlecht habe ich die ja noch nie erlebt. Aber geil!!!“
(ob) MEDIENGRUPPE TELEKOMMANDER aus München kamen live als Trio und klangen wie die BEASTIE BOYS aus Bayern. Mit ihrem Überhit und viel Hingabe schafften sie es aber doch, recht ordentlich zu begeistern. Im Anschluss kam mit BILL CALLAHAN noch ein spezieller Gast auf die Bühne des Dockville. Mit einer Stimme, die an NICK DRAKE erinnert und einem sehr entspannten Sound, spielte er bis zum Stromausfall, und dann war Schluss. Nicht das einzige Mal, dass der Strom beim Dockville versagte, aber das einzige Mal, dass die Band zufällig gerade ihren letzten Song spielte und dann von der Bühne ging.
Am Abend wurden wir noch Zeugen der schlechtesten DJs des Festivals. So deplaziert wie TURBONEGRO auf einer Goldenen Hochzeit. Zwei Typen, die nur Funk- und Soul-Zeug auflegen, das keiner hören will und die dazu noch aussehen, als würden sie sonst Ü40-Parties in Ostfriesland veranstalten. Ziemlich daneben. Gott sei Dank kennt keiner ihren Namen, denn eigentlich wollten wir FRITTENBUDE sehen, die aber durch kurzfristige Zeitplanänderungen jetzt erst am nächsten Abend antreten.
Am Samstag ist erstmal Fußball, sorry Dockville, aber das muss sein. Dann aber pünktlich zu Sven Regener und der Altherren-Combo ELEMENT OF CRIME vor Ort gewesen. Eigentlich würde ich lieber nur den „Romantik“er Regener sehen, als diese Mucker um ihn herum. Trotzdem ein extrem unterhaltsamer Auftritt mit vielen Songs vom kommenden Album.
Glücklicherweise entschieden wir uns dann für eine Band aus Cannes. DANCING PIGEONS. Schlechter Bandname, aber gute Band. Diese angesagte Mischung aus Indie und Rave zusammen mit einer guten Stimme verleitete uns fast dazu, THE WHITEST BOY ALIVE zu verpassen. Das schaffte dann nur die Bierbude, mit einer Wartezeit jenseits von Gut und Böse. Ebenso wie alle Essensbuden. 58 Leute vor mir in der Pizzaschlange? 5 Fressbuden für 15.000 Leute? Getränkeausschenker, die nicht mal Muttis Gartenparty schaffen würden? Das schlug ziemlich aufs Gemüt und führte fast zu Riots beim Bierholen. Und zu absurden Großbestellungen…
WHITEST BOY ALIVE hingegen machten alles richtig. Das absolute Festival-Highlight. Mit viel Charme, allen Hits und einer unglaublich humorvollen Art wurde selbst der letzte Zweifler ein Fan. Ich hätte nicht gedacht, dass sie vor so vielen Leuten so gut funktionieren würden. Weltklasse!
Vielleicht schraubte das auch die Erwartungen an MGMT in die Höhe… Jedenfalls sollte der einzige Festivalauftritt in Deutschland ja wohl auch etwas Besonderes sein, oder? Weit gefehlt. Keine große Technik, keine Show, nur einen Gitarristen im Nachthemd und eine Band, die wie eine Mischung aus WEEZER und den BEATLES im Halbplayback klang. Lediglich bei „Kids“, was wohl nur vom Band kam, war der Charme von MGMT zu spüren, ansonsten eine langweilige Rockshow, uninspiriert und fad. Das war so gar nichts…
Dann FRITTENBUDE, aber die Hallenbühne war voll. Bis unter das Dach stieg der Schweiß und die Hitze und dann raus vor die Tür, dass man da auch noch was davon hatte. War nicht zum Aushalten in der Halle, aber die kurze Zeit war super. Schade!
Trotzdem ging es noch bis in den frühen Morgen weiter und um 5:30 Uhr – mal wieder Schlange stehen, am Shuttlebus… Die Folge vom Dockville: 60€ Taxiquittungen auf der Kreditkarte – egal. Der Abend war es wert.
(jg) Leider war spätestens am letzten Festivaltag so manches Kunstprojekt zerstört. Unter anderem auch unser Highlight, die QuadrOrgel, auf der man mit Holzklöppeln darunter liegende Elektro-Pads bedienen und so zu vorgegebenen Beats die lustigsten Samples ergänzen konnte. Aber als Ersatz gab es unter anderem ja immerhin noch die Bum-Tschak-Wippe und den Pappirrgarten. Das Westerndorf war auch wieder vorhanden, aber von innen größtenteils neu eingerichtet. Und am letzten Tag funktionierte im „Horn“ auch das kollektive Musizieren und ersetzte das autonome Rumgelärme auf den meist selbstgebauten Instrumenten.
Doch es warteten natürlich auch noch einige Bands auf die Besucher, die auch am dritten Tag noch nicht genug von der Musik hatten. MIKROBOY hatten wir kurz zuvor erst auf dem Omas Teich gesehen, kurz danach als Support der GET UP KIDS. Auch hier kamen ihre mit Elektro unterlegten Popsongs gut an, wenngleich noch nicht so viel los war wie bei den späteren Bands. Aber erst mal Mittag! Olli hatte Recht, die Schlangen waren, wie auch an den Bierbuden, unglaublich lang, man musste sozusagen schon prophylaktisch überlegen, wann man Hunger haben könnte, aber dafür war das Essen auch umso besser. Steffen sprach sogar vom „besten Burger ever (wenn nicht sogar das Beste, was ich je gegessen habe)“ – und das als nur sporadischer Bio-Fleisch-Esser. Aber auch die vegane Makkaroni-Bolognese war nicht zu verschmähen.
Danach dann bei den Münsteranern GHOST OF TOM JOAD vorbeigeschaut, aber für meinen Geschmack war das viel zu viel Gepose auf der Bühne für doch eher unauffällige Musik. Dann doch lieber mal einen Blick bei PANTEÓN ROCOCÓ erhaschen, die, nachdem mehrere Dutzend Tequila-Sambreros verteilt waren, die mexikanische Sonne bis nach Hamburg mitbrachten. Aber wenn es danach ging, waren die Lateinamerikaner bereits das ganze Wochenende zugegegen und sorgten auch bei uns für hochsommerliche Temperaturen.
Im Anschluss daran die komplette musikalische Kehrtwende, um Herrn Fitzsimmons samt Begleitgitarristen zu seinen melancholischen, perfekt arrangierten Gitarrenklängen zu lauschen. Wahnsinn, war das schön, und zu „You still hurt me“ gelang dem kauzigen Bartträger aus Illinois gar das, was in Hamburg ansonsten unmöglich erscheint: das Publikum zum Mitsingen zu bewegen.
Im Anschluss daran zog es aber auch mich nach Hause, um endlich mal wieder die Beine hochzulegen. Dockville – es war mal wieder schön bei Dir. Und wenn ihr im nächsten Jahr auch logistisch auf die größeren Dimensionen eingestellt seid, wird der Abenteuerspielplatz für Erwachsene bestimmt ein mindestens genauso großer Erfolg werden.