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Kurz & schmerzlos (Juli – September 2024) – CD-Besprechungen in aller Kürze

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Aus die Maus! Die wichtigste News des Tages wäre beinahe untergegangen. Natürlich geht es in den Nachrichten um den bevorstehenden US-Wahlkampf, und wenn den Three Lions ein deutscher Trainer anvertraut wird, ist das selbstverständlich auch eine Eilmeldung wert! Von den zahlreichen viel zu lange andauernden Kriegen mal ganz abgesehen. Aber habt Ihr mitbekommen, dass die Maus verschwunden ist? Ihr fragt nun vielleicht: welche Maus? Na, DIE Maus! Die orangene Maus aus den Lach- und Sachgeschichten! Wurde sie entführt, wird der WDR erpresst, oder hat dies am Ende sogar einen politischen Hintergrund? Aktuell wird spekuliert, dass es um Kürzungen (oder euphemistischer ausgedrückt: Reformen) bei den Öffentlich-Rechtlichen gehen könnte. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass viele Kinder sie sicherlich vermissen werden. Und was selbst noch nicht mal bei spiegel.de thematisiert wurde: Wie geht es nun dem Elefanten?
Bevor Ihr Euch allzu sehr sorgt, haben wir zum Zeitvertreib wieder unsere aktuellen Kurzreviews zusammengestellt. Und auch diesmal ist wieder alles mit dabei: Grunge aus Kanada, Indie-Pop aus Österreich, schwäbischer 70s Discofunk, arabischer Klassikjazz, Noisepop aus Berlin und ein Nachruf für ein Gründungsmitglied von KOOL & THE GANG!

DENVER CUSS – Leaving me (Label: Broken Silence Records, VÖ: 30.08.2024)
(so) Ach, ich falle doch einfach immer wieder darauf herein … Klingt doch gar nicht so uninteressant, was da in der Kurzzusammenfassung steht. Und dann ist „Leaving me“ eben doch wieder genau das, was ich immer befürchte: Soul und R&B. Zwar mit Gütesiegel, das möchte ich gar nicht infrage stellen, aber eben Soul und R&B. Und das geht mir ja, wie wir mittlerweile alle wissen, ziemlich schnell auf den Geist. Leider ist das auch bei DENVER CUSS so, wenn hier auch versucht wird, stimmlich dagegenzuhalten und ein bisschen das ARETHA FRANKLIN-Gefühl hervorzuholen. Es bleibt beim Versuch und der Betonung auf „ein bisschen“. Magst du das, dann viel Spaß damit.
https://denvercuss.bandcamp.com/album/leaving-me

THE DOCTORELLA – Mondscheinpsychose, Bordsteinrose (Label: Bohemian Strawberry, VÖ: 20.09.2024)
(so) Uff. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich über dieses Machwerk sagen soll. Außer, dass es mich definitiv extrem stresst. Oder, wie eine gute Freundin zu sagen pflegt: extremst.
THE DOCTORELLA machen Noise-Pop mit deutschen Texten, die irgendwie auch ganz cool sind, aber die Mischung aus Musik und Text ist einfach nur Noise und sehr wenig Pop. Für mich ist das auch alles mal wieder viel zu gewollt intellektuell und – Überraschung! – sie kommen aus Berlin. Sie klingen auch ganz furchtbar nach Berlin, in ihren allerbesten Momenten, derer es wenig gibt, erinnern sie kurz an CHRISTIANE RÖSINGER. Ach, ich weiß doch auch nicht, aber das ist einfach Musik, die bei mir komplett und ruckzuck unten durch ist. Hört dennoch mal rein, vielleicht ist’s ja euer Ding.
https://flennen.bandcamp.com

DRISS EL MALOUMI TRIO & WATAR QUINTET – Details (Label: Contre Jour, VÖ: 20.09.2024)
(jg) In weit entfernte Welten entführt und DRISS EL MALOUMI mit seinem Trio, zusätzlich begleitet von einem Streichquintett. Wobei die Welten im Grunde ja gar nicht so weit weg sind. Einen Direktflug von München nach Agadir gibt es ab 82€, und bereits vier Stunden später ist man auch schon in Marokko angekommen. Zudem stellt man doch fest, dass arabische Musik immer mehr Einfluss auf westliche Hörgewohnheiten gewinnt und inzwischen nicht selten auf diversen Festivals vertreten ist. Insofern scheinen auch die orientalischen Klänge von Oud und Percussions nicht mehr ganz so fremd, wobei das WATAR QUINTET sicherlich auch dazu beiträgt, dass man einen leichteren Zugang findet. Denn diese Platte stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass klassische westliche Musik überraschend gut mit arabischer Musik zusammenpasst!
https://drisselmaloumi.bandcamp.com/album/details

ERNTE 77 – Gruß aus der Küche (Label: Astroholz / Rookie; VÖ: 14.06.2024)
(so) Politischer Punk, wie man ihn kennt. Schnell, laut, Powerchords zum Mitsingen: So präsentieren sich ERNTE 77 auf ihrem neuesten Werk „Gruß aus der Küche“ mal wieder den Hörenden. Die Kölner Band (das sollte spätestens mit „Turmbau zu Sülz“ klar sein) behandelt das aktuelle Weltgeschehen mit dem ein oder anderen satirisch aufbereiteten Text und überzeugt dabei durchaus, wenn es auch nicht gelingt, wirklich deutlich aus der langen Reihe dieser Bands herauszustechen. Aber sie passen gut dazwischen und haben damit auch eine absolute Daseinsberechtigung. Braucht man, gerade heutzutage, unbedingt!
https://www.rentemit77.de

HASA – 1st Allbum (Label: 36Music, VÖ: 20.09.2024)
(jg) Auch in dieser Ausgabe von „Kurz und schmerzlos“ begeben wir uns musikalisch wieder auf Weltreise. Bei HASA geht’s ins Ländle zu 70s Discomusik, kombiniert mit Funk, Reggae, Blues und schwäbischer Mundart. Sachen gibt’s. Und ins All führt die Reise anscheinend auch noch – kein Rechtschreibfehler im Albumtitel! Irgendwo zwischen FRANK ZAPPA, RAINHARD FENDRICH, STEFAN RAAB und HELGE SCHNEIDER. Wen überrascht es da, dass der Gitarrist und Sänger nebenbei noch in einem Comedy-Duo aktiv ist? Für ein kühles Nordlicht wie mich viel zu klamaukig!
https://www.hasa.band/

GEORGE BROWN – Where I’m coming from (Label: Astana Records, VÖ: 13.09.2024)
(bc) George „Funky“ Brown war Gründungsmitglied und Schlagzeuger von KOOL & THE GANG und ist im vergangenen Jahr im Alter von 74 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung verstorben. Auf dem posthum veröffentlichten Album wird noch einmal deutlich, welchen Stellenwert er als Musiker und Songschreiber im Soul und R&B hatte. Nicht zuletzt aufgrund der autobiographisch inspirierten Texte kann „Where I’m coming from“ als abschließendes Lebenswerk dieses außergewöhnlichen Musikers betrachtet werden.

INK – African roots (Label: Jazzin‘ Translation, VÖ: 02.08.2024)
(jg) Eine selbst für Jazzlaien wirklich zugängliche und zugleich abwechslungsreiche Platte ist dem französischen Quartett INK mit seinem neuen Album „African roots“ gelungen. Der Titel drückt dabei aus, was hier durch zwei Gastmusiker aus Burkina Faso mit einfließt: afrikanische und afro-karibische Elemente. So klingen INK mal rhythmisch locker-leicht, tendieren mit dem warmen Saxophon und den melodiösen Piano-Linien auch gerne in Richtung Bar-Jazz, zeigen aber oftmals auch auf eine angenehm unanstrengende Art und Weise ihr technisches Können auf, wobei hier vor allem das tolle Schlagzeugspiel von Komponist und Drummer Victor Gachet erwähnt werden soll. Zudem klingt ihr zweites Album wenig angestaubt, was es auch für junge Hörer/innen spannend machen dürfte.
https://ink-jazz.com/

LA CONZA – Ni nuit ni jour (Label: Raffut Collectif, VÖ: 23.08.2024)
(bc) Wieder mal eines dieser Alben aus Belgien, die – nun ja – interessant klingen. LA CONZA spielen experimentellen Folk, der irgendwie traurig und etwas dissonant klingt, auf der anderen Seite durch die gefühlvolle Stimme der Sängerin eine gewisse Ruhe ausstrahlt. Auch die Einflüsse traditioneller französischer Musik finden sich auf „Ni nuit ni jour“ streckenweise wieder. Ich persönlich finde es einfach nur anstrengend.
https://www.instagram.com/la.cozna/

LIKE A MOTORCYCLE – Pretty pleased (Label: Rookie Records, VÖ: 26.04.2024)
(bc) So kann’s gehen: Während LIKE A MOTORCYCLE auf ihrem letzen Album „High hopes“ noch grimmig dreinschauend mit dem Baseballschläger auf dem Cover posierten, ziert das Artwork des Nachfolgers ein pittoreskes Blumenensemble. Aber keine Sorge: Die Kandier*innen verstehen es noch immer zu rocken! „Pretty pleased“ bewegt sich irgendwo zwischen den Eckpfeilern Grunge, Alternative und (Post-)Punk und hat seine stärksten Augenblicke genau dann, wenn melancholische Momente und sperrige Ausbrüche unmittelbar aufeinandertreffen.
https://www.likeamotorcycle.com

MAGNUS DAUNER – Portrait in rhythm (Label: 36Music, VÖ: 20.09.2024)
(jg) Ich finde faszinierend, dass Alben von Schlagzeugern oft die musikalisch vielfältigsten sind. Nix von wegen Rhythmus-Gefrickel und Stolper-Takte. Stattdessen fasst der Allgäuer Schlagzeuger auf seinem Debüt seine Reisen durch die Welt musikalisch zusammen. Und tatsächlich fühlt man sich in dem einen Moment in Lateinamerika angekommen, während man im nächsten Stück zu Vibraphon-Klängen gefühlt durch die Galaxis schwebt und sich kurz danach in einer einsamen Hotelbar wiederfindet. Die kosmopolitische Herangehensweise lässt dieses Album angenehm wenig akademisch klingen, sondern weckt sogar das Interesse, sich in fernen Ländern zukünftig auch mit anderen Dingen als Architektur und Kunst zu befassen.
https://magnusdauner.com/

NIKOLOV-IVANOVIC UNDECTET – Dystopia (Label: Rue Des Balkans, VÖ: 16.08.2024)
(jg) Eigentlich zählt Free Jazz nicht zu meinen favorisierten Musiksparten und ist selbst mir oft zu anstrengend zu hören. Dass mir dieses elfköpfigen Ensemble aber durchaus gut gefällt, liegt wahrscheinlich an dem gelungenen Crossover aus Balkanbeats, afrikanischer Tradition und Big Band Sound. Na gut, wenn man mit elf Musikern zusammen agiert, kann es natürlich auch nicht allzu freejazzig zugehen und man braucht bei allen Improvisationen einen roten Faden, der hier durchaus erkennbar ist. Eine dynamische Mischung aus Groove, einnehmenden Klaviermelodien und wilden Ausbrüchen. Gefällt!
https://vladimirnikolov.com/undectet/

PLEASE MADAME – Easy tiger (Label: 12PM Records, VÖ: 13.09.2024)
(jg) Indie-Poprock aus Salzburg – catchy, modern, aber eben auch ziemlich poppig. Bisher durften die Österreicher im Vorprogramm von FOALS, HURTS und CHRISTINA STÜRMER und auf den wichtigsten Festivals im Alpenland (FM4 Frequency, Nova Rock) auftreten. An den Reglern saßen u.a. die Produzenten von Bands wie GENTLEMAN, CLUESO, MILKY CHANCE und MADSEN. Ergo: ziemlich glattgebügelt – Ecken und Kanten muss man hier keine erwarten. Hingegen erscheint es mir, als ob hier jemand ganz groß rauskommen möchte und dafür die Mainstream-Sender im Visier hat. Weckt mich jemand, wenn das Album vorbei ist?
https://pleasemadame.com/

SCHLAF – Termine (Label: Eigenregie, VÖ: 30.08.2024)
(jg) Auf dem Weg zum Alinae Lumr-Festival hatten meine Freundin und ich noch das Ende von DELBO bedauert, unwissend, dass etwa zeitgleich eine Nachfolge-Band davon auf demselbigem Festival als Ersatz für eine andere eingesprungen ist: SCHLAF. Mit dabei sind Daniel (DELBO), Sebastian (SOMETREE) und Fil (KLEZ.E) sowie als Gastsänger Andreas (SIVA). Quasi eine Sinnbus-Supergroup, die stilistisch tatsächlich am meisten DELBO ähnelt, wobei sich von der Dynamik her alles mehr im ruhigen Bereich abspielt – man ist eben ein paar Jährchen gealtert. Als erstes Lebenszeichen gibt es nun eine 3-Track-EP als Tape oder digital. Hier darf gerne noch ein ganzes Album folgen, meinetwegen auch ruhig mit ein paar lauten Ausbrüchen (wie es die Band auch selbst mit einem rosa Post-It schon anmerkte).
https://schlaf.bandcamp.com/album/termine

THOMAS STIEGER – Choices (Label: Leopard, VÖ: 13.09.2024)
(jg) Bisher war der Berliner als Bassist, Komponist und Studiomusiker umtriebig (u.a. für GREGORY PORTER, SARAH CONNOR und die BERLINER PHILHARMONIKER), hat außerdem in der Prog-Fusion-Cinematic-Jazz-Band MARRIAGE MATERIAL mitgespeilt. Hier nun sein Solodebüt mit zahlreichen namhaften Gästen (u.a. Randy Becker, Wolfgang Haffner und Alma Naidu). Entsprechend vielfältig auch die Bandbreite an Stilen, die er hier einschlägt und bei der so ziemlich alles von afrikanischen Einflüssen, über Elektro-Grooves bis hin zu Arrangements für Streicherquartetts vertreten ist. Kann sich sehen lassen!
https://www.thomasstieger.com