Herzlichen Glückwunsch, Herr Gerdes! Sie dürfen die wahrscheinlich nervigste CD des Jahres besprechen! – Oh, vielen Dank, Herr Tarentatec und Frau Osis Krull!
Eigentlich habe ich ja gar nichts gegen vertrackte genreübergreifende Musik – eher im Gegenteil. Und tatsächlich erwischen TARENTATEC mit ihrem Opener auch gleich einen klasse Einstieg. Das anfängliche Vogelgezwitscher wird nach und nach von Gitarre, Bass, Schlagzeug und Gesang abgelöst, und es entwickelt sich ein Song, der sich langsam steigert und nach zwei Minuten noiserockartig explodiert. Nach einer weiteren Minute folgt eine überraschende melodische Wendung, und Erinnerungen an alte bluNoise-Zeiten werden wach, als BLACKMAIL und SCUMBUCKET just ihre Debütalben veröffentlicht haben. Einen Augenblick später wird die Mathrock-Richtung eingeschlagen, und ich denke nur: Genial!
Der nächste Song beginnt mit einer feinen Mischung aus schepperndem Noiserock und versteckten Melodien, kann jedoch nicht mehr ganz mit dem ersten mithalten. Beim dritten Stück ahnt man so langsam, dass TARENTATEC sich musikalisch nur ungern festlegen wollen, aber auch der Postrock-Exkurs mit Psychedelic- und Jazz-Versatzstücken und einem schönen Piano gelingt. Das folgende „Tractor beam“ klingt songwriterisch und soundtechnisch schon nicht mehr so toll, während das folgende postrockige „Aruba!“ nur noch uninspiriert vor sich herplätschert.
Mit dem sechsten Song folgt die zweite Band dieser Split-CD: OSIS KRULL. Au weiah, was ist das denn für ein nervtötender Quengelrock? Eher für MELVINS-Fans geeignet, wobei diese Hammond-Orgel richtig anstrengt! Mit der Zeit driftet derselbe Song in Richtung Math Rock ab, und man erkennt bereits die Qualitäten des Drummers, aber das ändert nichts an den nervigen Parts, die auch noch tausendfach wiederholt werden. Zehn Minuten lang! Ein weiteres Exempel für die Band ist der Song „Proximity“, wo von Beginn an losgefrickelt wird, nur leider völlig kraftlos und unspannend. Am Ende des Stücks stellt man jedoch überrascht fest, dass in dem ganzen Schrott vereinzelte gute Momente fast untergehen. Die Drums und die Steigerungen nach viereinhalb Minuten sind nämlich richtig gut. Im nächsten Song folgt aber als sofortiger Stimmungskiller wieder diese quäkige Orgel. Auch das abschließende „Coffeelord“ beginnt recht interessant, bis die Musiker plötzlich muckermäßig zum Funk rüberwechseln. Warum?
Wem das alles noch nicht anstrengend genug war, kann sich auf die letzten acht Songs freuen, die den Rest einer maximalen CD-Spielzeit füllen. Dort wird munter drauflos gejammt, geschwatzt, gelacht, auf einem Kamm getrötet, à capella gesungen, eine finstere DEPECHE MODE-Kopie intoniert, und und und. Das alles kommt mir vor wie eine Spielwiese für ADHS-Kinder, um sich mal richtig auszutoben. Möglich, dass die Band dabei viel Spaß hatte, aber mit Ausnahme des famosen klassischen Gitarrenspiels in „Der Wanderer“ ist das für Außenstehende einfach nur Mist. Schade, dass die Musiker eigentlich viel können, songwriterisch aber so unstrukturiert vorgehen. Hört Euch mal MAN MAN an, Jungs! Die haben krude Ideen und machen interessante Songs draus!