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LETO – 08.10.2020, Molotow Backyard (Hamburg)

Ein Donnerstag im Oktober, es dämmert bereits, und es regnet seit Stunden. Nicht gerade die beste Motivationsgrundlage, um die warme Wohnung zu verlassen und sich ein Konzert im Freien anzuschauen. Doch wie heißt es so schön: Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Musik. Oder so ähnlich. LETO hingegen machen tolle Musik, und sie zelebrieren an diesem Abend die Veröffentlichung ihres Albums „Wider“. Also raus aus der Komfortzone und rein in den Innenhof vom Molotow, in dem die Besucher dank zahlreicher Gastronomie-Schirme erfreulicherweise sogar vor den meteorologischen Begebenheiten geschützt wurden. Dementsprechend entspannt war die Stimmung, als ZOI!S gegen 19 Uhr die Bühne betraten. Ihr etwas sphärisch klingender Post-Punk mit leichtem NDW-Touch erinnerte mich sehr an LOVE A, deren im Publikum anwesenden Sänger Jörkk Mechenbier auch eine Ansage gewidmet wurde. Ansonsten überzeugten die Schleswiger mit einer starken Bühnenpräsenz und einem sehr druckvollen Sound, der vor allem durch den extrem fetten Bass und effektgeladene Gitarrenparts charakterisiert wurde. Ein sehr guter Auftakt!
Wenn es irgendwo ein Gesetz gibt, dass der Auftaktsong eines Release-Konzertes zwingend mit dem Opener des neuen Tonträgers übereinstimmen muss, dann kann man LETO guten Gewissens als gesetzestreue Bürger bezeichnen. Denn mit „Klaue“ leisteten sie dieser Regel brav folge, ergänzt von den ebenfalls neuen Stücken „Schatten“ und „Auen & Orchideen“. Doch nicht nur frische Songs wurden an diesem Abend dargeboten, sondern auch Material vom Debüt-Album wie etwa „Licht im Fenster“ und “Nicht meine Farben“ wurden in die Setlist eingestreut. Was ich persönlich an LETO sehr angenehm finde, ist die bescheidene, fast schon demütige Art, in der sie mit dem Publikum kommunizieren. Während viele andere Bands eher dazu neigen, sich selber größer zu machen als sie sind und reißerisch Tour-Anekdoten zum Besten geben, waren die Hamburger sichtlich gerührt, dass das Backyard bis auf den letzten Platz gefüllt war und gestanden offen ein, dass sie ansonsten in der Regel vor deutlich weniger Leuten spielen. Des Weiteren haben sie sich ausgiebig bei all jenen bedankt, die das Erscheinen der Platte durch ihre Unterstützung und Mitarbeit überhaupt erst ermöglicht haben. Die Aussage, dass in dem Album einer weitestgehend unbekannten Band von vielen Menschen deutlich mehr Zeit, Geld & Energie investiert wird, als am Ende an vermeintlichen Nutzen für die Beteiligten herauskommt, kann wohl jeder unterschreiben, der selber einmal in den Veröffentlichungsprozess eines Tonträgers involviert war… Umso schöner und wichtiger ist es, dass es immer noch Bands und Labelbetreibende gibt, die dennoch mit Enthusiasmus bei der Sache sind und eine alternative Musikszene am Leben halten. Ein weiterer Mitwirkender am neuen Album war übrigens der bereits erwähnte LOVE A-Frontmann Jörkk Mechenbier, der bei dem Stück „Kammerflimmern“ die Rolle des Gastsängers übernommen hat und es sich auch an diesem Abend nicht nehmen ließ, bei dem Lied die Bühne zu erklimmen. Mit den beiden Hits „Rotenburg“ und „Karma“ endete schließlich ein Konzertabend, der allen Anwesenden sicherlich nicht nur aufgrund seiner besonderen Corona-Umstände lange in Erinnerung bleiben wird.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.