Es ist schon absurd. Da murrten und ärgerten sich Thom Yorke und die Seinen bei der Veröffentlichung ihres letzten Albums „Hail to the Thief“ noch sehr darüber, dass das Album schon Wochen vor dem Veröffentlichungstermin ins Netz gerutscht war. Ein Album sei doch immer weitaus mehr als die reine Musik, sondern solle als Gesamtwerk verstanden werden, zu dem zum Beispiel auch ein Artwork gehöre. Von Respekt vor dem Werk war die Rede, von Wertschätzung.
Mit „In rainbows“ haben sie diese Situation nun zum Teil selbst ins Gegenteil verkehrt, und der Hörer sowie der Schreiber findet sich in einer völlig ungewohnten Situation. Dieses Album gibt es noch nicht, es wird denen, die es haben und kaufen möchten, Anfang Dezember als CD, Bonus-Disc mit weiteren acht Stücken und Doppel-Vinyl in einer schicken Box für 40 Pfund egal wohin geschickt. Im Laden steht es dann noch lange nicht. Und wird es auch in diesem Jahr nicht mehr.
Aber es gibt diese Songs, zehn Stücke, die man sich herunterladen darf, für kein Geld oder ein Vermögen, jeder wie er will. Dabei unternimmt die Band dieses Mal keinen Versuch, die Musik vor unerlaubter Vervielfältigung zu schützen, die Dateien kommen in einem Ordner, sind ohne DRM und somit beliebig oft kopierbar. Für den Schreiber gibt es entweder diese Songs zu besprechen, oder sich noch eine ganze Weile zu gedulden.
Sehen wir es für den Moment also als gegeben an, dass RADIOHEAD einen Dateiordner als äußere Form für dieses Album gewählt haben, dann passt dieser Rahmen „In rainbows“ zumindest besser als er es bei den letzten getan hätte. Denn sehr schnell merkt man, dass diesem Werk im Vergleich zu früheren sehr viel weniger ein Konzept zugrunde liegt. Es gibt nur die Musik, laute und leise Songs, helle und dunkle, leichte und schwere. Großartige sind darunter.
„Die neue Natürlichkeit“, so könnte die Überschrift zu diesem Album lauten. Sehr viel weniger als zuletzt vor allem auf dem Solo-Album von Thom Yorke finden sich elektronische Elemente in den neuen Songs. Ja, auffällig reduziert wirken sie, mehr auf den Punkt kommend, auch wenn es über die ganze Länge ein verhältnismäßig ruhiges Album ist.
„15 steps“ beginnt noch mit polternden Beats, doch übernimmt sehr bald schon ein richtiges Schlagzeug den Rhythmus und lässt bis zum Schluss nicht mehr an sie denken. Ungewöhnlich rockig kommt „Bodysnatchers“ daher, erinnert mit seinem stoischen Gitarrenriff schon fast an die QOTSA, erholt sich nach zwei Minuten aber wieder davon und wendet sich ein wenig „OK computer“ zu. „Nude“ ist eine wunderschöne und ebenso einfach gehaltene Ballade, die wie einige andere Stücke mehr, schon lange durch die Bandgeschichte geistert und es hier endlich auch auf ein Album geschafft hat. „Weird fishes/arpeggi“ schließlich ist der erste wahre Höhepunkt, ein Song von einem Kaliber wie zuletzt etwa „Where i end and you begin“. Es folgt das düstere, ergreifende „All i need“ mit seinem bedrohlichen Beginn und fulminantem Schuss.
„Faust arp“ist eine kleine Akustik-Ballade, und ruhig geht es weiter mit „Reckoner“, dem schließlich das geheimnisvolle „House of cards“ folgt. „Jigsaw falling into place“ ist göttlich, ein einfacher Pop-Beat und Thom Yorke singt, als stünde er direkt hier im Zimmer. Und mit „Videotape“ endet dieses Album nach nicht einmal 43 Minuten leider schon wieder.
Ja, das Warten hat sich gelohnt, auf ein Album, das diesmal ganz ohne Schnörkel einfach „nur“ ein sehr gutes ist. Und in gut sechs Wochen bekomme ich ja dann auch schon meinen Nachschlag und dann auch endlich etwas in die Hand, zwei CDs, zwei Vinyls, acht Stücke mehr zum RADIOHEAD-Hören. Und dann gibt’s auch den letzten Punkt.