„Ich muss noch in den Wald und Kräuter sammeln, der Zaubertrank neigt sich dem Ende.“ „Nein, du bekommst nichts, vergiss nicht, dass du als Kind in den Topf gefallen bist.“ Das sind die Dinge für die man Miraculix, den schrulligen Druiden der Gallier kennt. Ich weiß nicht, ob MIRA CALIX ihren Namen an die Comic-Figur angelehnt hat, aber nahe liegend wäre es, denn auch sie ist gern im Wald, doch sammelt sie dort keine Kräuter, sie sammelt Töne, Geräuschkulissen, um diese in ihre Musik einfließen zu lassen, sie mit ihr zu verbinden. Und dafür nimmt sie ihr Equipment auch schon mal mit ‚raus, um ihre Songs direkt vor Ort aufzunehmen.
„Eyes set against the sun“ ist das dritte Album der verspielten Engländerin, und es ist voll mit tollen Atmosphären, interessanten Klängen, die sie wie Pinselstriche verwendet. Ihre Musik ist minimal, oft kaum mehr als Ambient, Klangkollage, nur selten setzt sich wie in den Stücken „The Stockholm syndrome“ oder in „Umbra/Penumbra“ ein Beat durch. „A cereus night“ wird von vereinzelten Piano-Noten zusammengehalten, in „Tilsammans“ ist es ein Xylophon, dazwischen zirpt es, dröhnt oder scheppert, plätschert oder klopft. An manchen Stellen können wir auch ihre Stimme singen hören oder einen Kinderchor wie aus einigen hundert Metern Entfernung.
Strukturen hat das Ganze wenig, dafür aber einen Fluss, dem man stets folgen kann, nie wird es zu anstrengend, auch wenn MIRA CALIX zu jeder Sekunde Aufmerksamkeit verlangt. Diese Musik ist nicht unterhaltsam, auch nicht gesellig. „Eyes set against the sun“ ist Kunst und sollte auch als solche verstanden werden. Ein Album voller Gegensätze: Kalt und warm, weich und hart, leise und laut, organisch und synthetisch, nah und fern, drinnen und draußen, in der Dusche oder im Unterholz.