Lange ist es her. Vielleicht auch nicht lange genug. Der Vorgänger „Tomorrow come today“ hatte ohne Umwege den Weg in die Mainstreamklasse gefunden und spätestens seit diesem Zeitpunkt war die Dauerrotation in Dissen und Kinderzimmern gewährleistet. Auch der Wechsel zur Industrie wurde unter den eingefleischten Fans nicht willkommen geheißen.
Nun ja, jetzt ist aber das Jahr 2006 und eventuelle Missstände wurden beseitigt. Zurück zum Indie, zurück zu den Wurzeln, als das Produkt BOY SETS FIRE für erstklassigen melodischen Hardcore gestanden hat. BOYS SETS FIRE waren und sind die Referenz für Bands dieses Genres, soviel ist sicher. Das neue Album hört auf den Namen „The misery index: notes from the plague years“ und hatte im Vorfeld schon mächtig Staub aufgewirbelt. Zurück zu den Wurzeln soll die Band sich entwickelt haben. Nicht ganz falsch, aber auch nicht richtig.
Okay, CD rein und Lauscher auf Empfang stellen. Los geht’s mit einem gefühlvollen, akustischgetragenen Opener, der uns auf das eigentlich erste Stück leiten soll. „Walk astray“ klingt aus den Boxen und erreicht nicht ganz den Effekt, den „After the eulogy“ auf dem gleichnamigen 2000er Album erzielt hat. Klingt aber ähnlich. Viel eindeutiger wird der Effekt bei „Requiem“. Wo 2000 „Rookie“ für endlose Begeisterung gesorgt hat, so wird heute „Requiem“ für ähnliche Euphorie sorgen. Erstklassige Melodienführung, ein mitreißender Takt, sowie ein hymnenähnlicher Refrain werden dafür sorgen, dass dieser Song uns das ganze Jahr und noch darüber hinaus verfolgen wird. Lag das in der Absicht der Songschreiber, vielleicht sogar ein zweites „After the eulogy“ zu schreiben? Die Tatsache, dass der Stil und die Position der Songs passt, lässt die Vermutung gar nicht so abwegig erscheinen. Aber nach zwei Songs kann und sollte man so was nicht behaupten.
Klar, die meisten Songs überzeugen durch das uns bekannte sehr gute Songwriting, den gewohnt melodischen Gesang mit einer ansprechenden Portion Härte und gehen dementsprechend schnell ins Ohr. Für meinen Geschmack zu schnell, so dass der ein oder andere Song bereits nach wenigen Hördurchgängen lästig erscheinen kann. Aber das bleibt Gott sei Dank die Ausnahme – vor knapp drei Jahren sah das noch anders aus! Glücklicherweise wird die Kurzweiligkeit hin und wieder mit noisigen Ausbrüchen übertönt, die in der Tat den ersten Scheiben von BOY SETS FIRE ähnlich sehen.
Und um noch mal kurz auf den Vergleich mit der 2000er Scheibe „After the Eulogy“ zurückzukommen: als neunten Track gab es damals die Ballade „My life in the knife trade“ zu hören und wie sollte es anders sein – 2006 spendieren uns BOY SETS FIRE erneut einen ruhigen Track an neunter Stelle. Der aber bei weitem nicht an das „Original“ rankommt. Zufall oder Absicht, dass sich mindestens drei Stücke in Position und Stil ähneln? Klar, man könnte noch weiter nach Parallelen suchen, oder man freundet sich einfach mit der Scheibe an – denn auch, wenn sich das vielleicht anders anhört, die Platte ist ohne Zweifel zu empfehlen! Sagen wir es mal so: Aus sämtlichen Epochen der Band wurden Stile verarbeitet, und vermutlich werden die meisten alten und neuen Fans Gefallen an „The misery index – notes from the plague years“ finden.