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Foto: Lutz Adorf

MÄNNI – Alleine in ’ner Band

Hin und wieder stolpert man im Zuge seiner Tätigkeit als Fanzine-Schreiber über Künstler, die man bislang gar nicht auf dem Zettel hatte. Einer davon ist MÄNNI, der mit „Mir tut alles weh“ eine der aus meiner Sicht erfrischendsten deutschsprachigen Punkrock-Platten dieses Jahres veröffentlicht hat. Ein regelrechtes Gute-Laune-Album, das trotz seines überaus humorvollen Grundcharakters zugleich auch über eine gute Dosis Tiefgang verfügt. Das Besondere dabei: Bei MÄNNI handelt es sich nicht um eine Band im klassischen Sinne, sondern vielmehr um ein Ein-Mann-Projekt, denn der gebürtige Aachener hat alle Instrumente selbst eingespielt! Da drängen sich einige Fragen regelrecht auf: Warum beherrscht der Kerl so viele Instrumente? Wie soll das Ganze live funktionieren? Und was hat er überhaupt mit der ANTILOPEN GANG zu tun, auf deren „Atombombe auf Deutschland“-Album er ebenfalls alle Musikparts im Alleingang eingedaddelt hat? Höchste Zeit also für ein kleines Interview, dessen Resultat ihr im Folgenden lesen könnt.

Normalerweise bin ich kein Freund davon, Interviews mit einer Vorstellungsfrage zu beginnen, aber da es sich bei dir ja zu einen quasi um eine „One-Man-Band“ handelt und der Name MÄNNI den meisten unserer Leserinnen und Leser bisher wahrscheinlich kein Begriff sein dürfte, ergibt ein solcher Einstieg in diesem Fall wohl doch Sinn. Also sei bitte so nett und erzähl uns kurz etwas über deine Person!
Kurz? Okay, versuche ich mal: Nach vielen Jahren in verschiedenen Bands war bei mir irgendwann der Punkt erreicht, meine eigene Vorstellung von „Musik machen“ ohne Kompromisse umzusetzen. Ich habe dann angefangen, alles selbst aufzunehmen, und da kam 2015 die erste EP bei raus. MÄNNI ist ein ganz alter Spitzname von mir, und so habe ich das „Projekt“ dann erst genannt. Das Feedback zu den ersten Songs war super, und dann habe ich einfach so weitergemacht. Jetzt ist „Mir tut alles weh“ schon das zweite Album. was ich auf die Art und Weise aufgenommen habe. Live trete ich dann mit Band auf. Stilistisch bewegt sich alles so im deutschen Punk/Rock-Bereich.

In welchen Bands hast Du in der Vergangenheit denn noch so mitgemischt, und hast Du aktuell möglicherweise sogar noch weitere Projekte am laufen?
Alle Bands hier aufzuzählen, wäre etwas viel, aber wie oben schon erwähnt, habe ich bisher viel getourt, geprobt und aufgenommen. Wenn ich jetzt etwas produziere, einspiele oder live spiele – das läuft alles unter dem Namen MÄNNI.

Du hast auf Deinem Album nicht nur den Gesang beigesteuert, sondern auch sämtliche Instrumente selbst eingespielt. Hattest Du in der Vergangenheit Musikunterricht bis zum Erbrechen, oder bist Du Autodidakt und hast Dir das Spielen der Instrumente selbst beigebracht? Und gibt es neben den typischen Punkrock-Instrumenten Gitarre, Bass und Schlagzeug möglicherweise noch weitere Instrumente, die Du beherrscht?
Angefangen hat es bei mir mit Schlagzeugunterricht, aber alle weiteren Instrumente, sowie Produzieren oder Texte schreiben habe ich mir autodidaktisch angeeignet. Ich suche mir aber gezielt Hilfe, wenn ich in irgendeinem Bereich welche brauche. Wie oben schon erwähnt gab es viele Proben, Konzerte und (Studio-)Aufnahmen, die dann dazu führten, dass ich das halbwegs beherrsche, was ich zum Aufnehmen meiner Songs brauche. Ein ganz kleines bisschen kann ich noch Klavier, aber da will ich schon seit Jahren mal Unterricht nehmen, weil ich es im Alltag viel zu wenig spiele.

Aktuell bist Du ja auch in puncto Livekonzerten relativ umtriebig. Wie setzt Du deine Lieder denn überhaupt auf der Bühne um?
Mit Live-Band (Schlagzeug und Bass), ich selbst spiele dann Gitarre. Die Elemente, die ich noch in manchen Songs eingebaut habe (Samples, Synthies, Beats etc.), laufen vom Laptop.

Bevor wir gleich näher auf dein Solo-Album eingehen, möchte ich einmal ganz kurz auf dein Mitwirken bei dem „Atombombe auf Deutschland“-Album der ANTILOPEN GANG zu sprechen kommen, bei dem Du Dich ja ebenfalls für das Einspielen der Instrumente verantwortlich zeigst. In welcher Beziehung stehst Du zur ANTILOPEN GANG, und wie kam die Kooperation überhaupt zustande?
Zwei Antilopen kommen ja auch aus Aachen, und ich kannte sie von ihren alten Bands, Konzerten und einem teilweise gemeinsamen Freundeskreis. Als es 2015 bei denen so richtig abging, habe ich den damaligen „Müllsetdrummer“ Moses als Aushilfe vertreten, den die Gang live mit dabei hatte. Ohne es zu technisch machen zu wollen: die ANTILOPEN GANG ist in dem Jahr mit Backing-Tracks (also instrumentale Tracks vom Laptop) aufgetreten, und um die Qualität etwas zu steigern, habe ich dann bei ein paar Songs Gitarre, Bass und Schlagzeug eingespielt, damit es live etwas besser abgemischt werden konnte. Im Zuge der Zusammenarbeit kam 2016 irgendwann die Anfrage, die Songskizze zu „Baggersee“ mit zu arrangieren und aufzunehmen. Der nächste Schritt war dann, dass die Antilopen diese Idee von dem jetzigen Bonusalbum hatten, aber zeitlich alles sehr knapp war und mich daher gefragt haben, ob ich ihre Songs im Punk-Gewand mit den Gaststimmen aufnehmen könne. Ich habe dann frecherweise mal behauptet, dass das auf jeden Fall geht. Und dann war ungefähr sechs Wochen Zeit, das umzusetzen. Hat am Ende ja irgendwie gepasst. Es gab auf jeden Fall einen sehr hohen Vertrauensvorschuss, und auch alle Gäste haben bei diesem Chaosprojekt sehr gut mitgemacht.

Womit wir dann auch schon bei deiner „Mir tut alles weh“-LP wären. Diese klingt für eine Deutschpunk-Platte ungewöhnlich abwechslungsreich und schaut zwischendurch auch immer mal wieder über den berühmten musikalischen Tellerrand. Wo würdest Du selbst Deine Einflüsse verorten, bzw. was für Bands liegen bei Dir regelmäßig auf dem Plattenteller?
Letzendlich fließt alles, was ich jemals gehört habe, da mit ein. Vor allem aus früheren Jahren, wo ich erst die Musik meiner Eltern und dann die meiner älteren Geschwister gehört habe. Punkrock im weitesten Sinne hat mich dann mit den ganzen deutschen/deutschsprachigen Bands richtig gepackt: WIZO, DIE ÄRZTE, DIE TOTEN HOSEN und SLIME war so das erste, was ich mit 14 „selbstbestimmt“ gehört habe. Vorher gab es noch eine harte PRINZEN-Phase (die eigentlich immer noch anhält). Später kam auch noch viel Hardcore und Metal dazu. Die Mischung daraus findet sich auf dem jetzigen Album.

Deine Texte sind zumeist sehr humorvoll und setzen sich beispielsweise selbstironisch mit Themen wie übermäßigem Alkoholkonsum oder den Wehwehchen des Älterwerdens auseinander. Allerdings ist mir aufgefallen, dass sowohl auf dem aktuellen Album, als auch auf dem Vorgänger „Alkohol & Melancholie“ jeweils ein Lied mit einem ernsten politischen Hintergrund enthalten ist: „Schnauze voll“ ist eine klare Kampfansage gegenüber Neonazis, und „Irgendwie seltsam“ prangert, vereinfacht gesagt, die fehlende Empathie innerhalb unserer Gesellschaft an, in der Profite und der eigene Wohlstand jegliches Verständnis gegenüber flüchtenden Menschen in den Hintergrund drängen. War es eine bewusste Entscheidung, auf beide Alben jeweils eine Art „Quoten-Polit-Song“ zu packen? Und wie wichtig sind, Deiner Meinung nach. generell politische Liedtexte?
Ich denke sehr viel über Politik und die aktuellen politischen Entwicklungen nach, und mir ist es dann auch sehr wichtig, dass alle wissen, wo ich stehe. Dass es jeweils nur ein Song auf den Alben geworden ist, liegt einfach daran, dass es mir leider sehr schwer fällt, die komplexen Themen auf den Punkt zu bringen. Dazu kommt, dass es schon viele sehr gute politische Songs gibt und ich auch nichts wiederholen möchte. In vielen meiner Songs gibt es immer mal Zeilen, die auch politisch gedeutet werden sollen.

Zum Abschluss dieses Interviews ist noch mal deine Phantasie gefragt: Angenommen, die Atombombe auf Deutschland lässt weiter auf sich warten – wie wird dann das Leben in Deutschland im Jahre 2050 aussehen?
2050 ist für mich gerade viel zu weit weg. Aktuell geht es darum, den weltweiten Faschismus zu verhindern. Lasst uns doch alle bei den noch kommenden Wahlen einfach menschen- und zukunftsorientiert wählen! In meiner idealen Zukunft sind dann z.B. alle Grenzen abgeschafft, und unser Wohlstand ist besser auf der Welt verteilt. Ich bin ja ein großer Science-Fiction-Fan und denke, dass künstliche Intelligenz, Digitalisierung und technischer Fortschritt genutzt werden muss, um das Leben aller Menschen zu verbessern.

Amen!

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.