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ZYPH – Einz

Ohne Hintergrundinfos hätte ich ZYPH wahrscheinlich in der wilden Nachwendezeit irgendwo in Leipzig, Erfurt oder Ost-Berlin verortet. Also dort, wo damals die besetzten Häuser wie Pilze aus dem Boden schossen und in den heruntergekommenen Wohngegenden die kalte Winterluft vom beißenden Geruch der Kohleöfen durchzogen wurde. Und wo leiernde Kassettenrekorder mit Aufnahmen von Bands mit klangvollen Namen wie SCHLEIM-KEIM, KELLERASSELN oder STROHSÄCKE den rustikalen Soundtrack zu dieser tristen Kulisse boten. Tatsächlich aber stammen ZYPH aus Mannheim und die Aufnahmen auf „Einz“ aus dem Jahr 2024! Umso erstaunlicher, wie authentisch hier der Spirit der damaligen Zeit eingefangen wird. Mit hektischer Schrammelgitarre und Songtiteln wie „Kein Bock“, „Lemminge“ oder „Ohne Bier“ wird der Hörerschaft die volle Ladung Gesellschaftsverachtung vor die Füße gekotzt, eingebettet in eine in der heutigen Zeit fast schon frivol anmutende 4-Spur Produktion. „Montag Scheiße kaufen / Dienstag vollsaufen / Mittwoch nicht zur Arbeit gehen / Donnerstag es bereuen / Freitag hab ich ja frei / Kein Scheiß, 4 Tage Woche ist geil!“ – viel schöner lässt sich Totalverweigerung wohl kaum in Worte fassen. Um das Ganze rund zu machen wird in Form von „In der Kneipe zur trockenen Kehle“ noch das obligatorische SK-Cover dargeboten. Nicht zuletzt deswegen ist „Einz“ das perfekte Substitutionsmittel für Ost-Punk Nostalgiker*innen.

Meine Bewertung

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.