Ich weiß gar nicht so genau, warum WOODKID bei mir irgendwie immer unter dem Radar lief. Beim Dockville-Festival 2013 sah ich den Franzosen eher zufällig, danach geriet er in Vergessenheit, und als ich kürzlich seine neue Single „Pale yellow“ im Radio hörte, musste mich erst Shazam daran erinnern, dass da damals dieser Künstler namens WOODKID war, der mir doch eigentlich ganz gut gefiel.
Dabei lässt sich keineswegs behaupten, dass Yoann Lemoine, der Kopf hinter WOODKID, den Massen verborgen blieb. Sein Debütalbum, das ebenfalls 2013 erschien, schaffte es in den deutschen Albumcharts bis auf Platz 8, die Songs wurden wegen ihrer Melodramatik gerne auch zur musikalischen Untermalung im Reality-TV eingesetzt. Außerdem steuerte man seine Musik im Hintergrund von Adventure-Games, Modenschauen, Theaterstücken und Werbespots bei – Geheimtipp klingt anders.
Nun also wirklich mal mit WOODKID befassen! Doch nach dem Durchhören seines zweiten Albums fällt sofort auf, dass Lemoine keineswegs immer so zurückhaltend vorgeht, wie man es nach dem an DOUGLAS DARE erinnernden „Pale yellow“ noch denken könnte. Stattdessen werden hier die Eindringlichkeit und der Überschwang richtig groß aufgetragen. Als Gäste wirken unter anderem ein etwa 30köpfiges Orchester und ein japanischer Mädchenchor mit, aufgenommen wurde in Studios in London (selbstredend den Abbey Road Studios), Berlin, Paris, Los Angeles und Island – von den unzähligen Sound Engineers und sonstigen Studioleuten ganz zu schweigen. Jedenfalls ist die Credit Liste im Booklet ähnlich umfassend wie das Telefonbuch von New York. Warum ich das alles erwähne? Natürlich klingt „S16“ nahezu perfekt. Hier sitzt jeder Ton. Egal, ob es nun klein und intim oder groß und bombastisch klingt. Doch mir ist das alles zu viel Dramatik und Pathos. Muss Musik wirklich so aufwendig produziert werden wie die Action-Szenen in James Bond-Filmen? Und müssen Musikvideos in einem Bergbauwerk tatsächlich so opulent inszeniert werden, als ob es um eine Oscar- und eine Golden Globe-Nominierung ginge? Erzielt man mit NOTWISTscher Verspultheit und B-Movie-Explosionen nicht manchmal viel beeindruckendere Stimmungen, wenn man sie nur richtig inszeniert? Am Ende entscheiden sich die Cineasten oder Plattensammler, ob sie sich lieber Anders Thomas Jensen oder Quentin Tarentino anschauen oder ob sie THE NOTWIST oder WOODKID auflegen. Ich bleibe lieber bei den Dänen/Weilheimern.