Wenn TOCOTRONIC in ihrer Heimatstadt spielen, kommen alle – egal ob Punk oder Indie, jung oder alt, Fan der ersten Stunde oder nur Ein, Zwei-Lieder-Kenner. Die Gästeliste platzte aus allen Nähten, und wer die Augen offen hielt, konnte neben diversen Lokalmusikern und Labelbetreibern unter anderem auch die Eltern Zank sehen, die gebannt das Konzert ihres ehemaligen Rebellen verfolgten. Doch ganz so abgeklärt und erwachsen ist der Freak hinter dem Schlagzeug dann doch noch nicht – aber dazu später mehr.
Zuvor durfte Heiko Badje alias LA GRANDE ILLUSION das Publikum eine gute halbe Stunde lang unterhalten. Live erhielt der gut gekleidete Herr Badje dabei Unterstützung von Christina Castillon, die ihn musikalisch und gesanglich begleitete. Die Musik war modern poppig; vieles kam vom Band und hinzu noch ein paar Live-Klänge aus Orgel und Gitarre. Insgesamt war das Ganze als Support für TOCOTRONIC jedoch eine Spur zu ruhig, und so kam größtenteils eher Langeweile auf, als dass sich interessierte Zuhörer fanden, wobei die Musik im anderen Rahmen sicherlich nicht schlecht gewesen wäre. Heute allerdings ziemlich deplatziert.
Während der Umbaupause gab es noch ein paar Songs der famosen BOHREN UND DER CLUB OF GORE, was in der ausverkauften Großen Freiheit jedoch ziemlich unterging, bevor die mittlerweile zum Quartett angewachsenen Mitbegründer der Hamburger Schule unter ordentlichem Jubel schließlich die Bühne betraten und das Publikum anständig begrüßten, bevor das Set mit „Aber hier leben, nein danke“ und „Ich habe Stimmen gehört“ eröffnet wurde. Es folgten zahlreiche neue Songs, aber auch mehrere Stücke des unbetitelten Vorgänger-Albums und von „K.O.O.K.“. Die Hits der Mittneunziger-Platten wurden, mit wenigen Ausnahmen, jedoch zurückgehalten, bis das offizielle Set mit dem Titelsong „Pure Vernunft darf niemals siegen“ bereits vorbei war. Im Anschluss daran betraten TOCOTRONIC die Bühne in der alten Formation und lieferten mit Songs wie „Freiburg“ und „Ich bin drei Schritte vom Abgrund entfernt“ die Highlights der ersten Releases. Und dass das melodischere Songwriting dabei der punkigen Attitüde von damals wich, konnte man nicht nur hören, sondern auch an der tobenden Menge vor der Bühne eindrucksvoll feststellen. Bei der zweiten Zugabe war Rick McPhail schließlich wieder dabei bis das Konzert gegen Mitternacht mit einer extralangen Version von „Neues vom Trickser“ abgeschlossen wurde. „Wir waren, sind und bleiben: TOCOTRONIC!“ sagte Dirk am Ende, und wenn es nach dem Publikum geht, wäre nichts anderes jemals denkbar.