Tim Neuhaus ist so ein Typ, der auf den ersten Blick noch recht unscheinbar wirkt, auf den zweiten Blick aber wahnsinnig viel Sympathie ausstrahlt. Das mag an seiner etwas zurückgenommenen, aber gleichzeitig sehr menschenoffenen und interessierten Art liegen. Die ersten Sympathie-Punkte heimste er direkt ein, als er an unserem Kochstand auf dem Omas Teich-Festival ungeniert zugab, gar nicht kochen zu können und auf unsere Hilfe angewiesen zu sein. Spätestens nach seinem Auftritt am folgenden Tag fielen wir in teeniehafte Schwärmereien zurück. Aber wen wundert das, wenn er nicht nur musikalisch, sondern auch von seiner Art ähnlich einnehmend wirkt wie die WEAKERTHANS.
Nach dem Konzert im Uebel und Gefährlich, das wegen schlechten Wetters leider vom Dachgarten ins Turmzimmer verlegt wurde, stand er uns Rede und Antwort. Viel Spaß beim Lesen wünschen Jenni, Verena und Papa Jens.
[F] Bist du in einer künstlerischen Familie aufgewachsen?
[A] Nein, das bin ich nicht. Aber ich vermute, dass meine Mutter, die eigentlich sehr musikalisch ist, das aber nie so richtig leben konnte, mich dahingehend unterstützt hat.
[F] Wie hat sie dich unterstützt?
[A] Sie hat mich bereits mit sechs Jahren zum Klavierunterricht angemeldet und mich immer motiviert, dabei zu bleiben. Ich bin sehr froh, dass sie das gemacht hat, auch wenn das Klavier nicht mein Lieblingsinstrument geworden ist. Aber es ist eine gute Basis.
[F] Welche Bands und Künstler haben dich musikalisch beeinflusst?
[A] GUNS’N’ ROSES, NIRVANA, PEARL JAM, STONE TEMPLE PILOTS, SMASHING PUMPKINS. Die Tendenzen zum Indie kamen eigentlich erst mit SONIC YOUTH und der Begeisterung für ungestimmte Gitarren.
[F] Dafür klingen deine Songs aber immer sehr gut gestimmt.
[A] Ich habe mir vor ein paar Tagen die neue Platte noch einmal mit etwas Abstand angehört und war überrascht, wie verzahnt und zusammenpassend die Musik ist. Sie ist wenig provozierend aber schön.
[F] Hat sich deine Musik verändert, seitdem du bei Grand Hotel van Cleef bist?
[A] Nein, die Musik hat sich nicht verändert. Es ist einfach nur der Ehrgeiz gewachsen, weiter an neuen Songs zu schreiben und kontinuierlich besser zu werden. In der Hinsicht ist viel passiert im letzten Jahr.
[F] Wie bist du zu GHvC gekommen?
[A] Thees Uhlmann und Nikolai Potthoff von TOMTE waren auf einem Konzert von uns und haben mich im Anschluss angesprochen, ob wir Interesse an einer Zusammenarbeit hätten. Wir wussten, dass bei dem Gig eine andere Plattenfirma anwesend ist und wir wollten unbedingt gut sein. Das Kuriose an der Geschichte ist, dass uns die eigentliche Plattenfirma abgesagt hat.
[F] GHvC scheint sich nach einer klaren musikalischen Ausrichtung relativ stark zu öffnen. Vielleicht auch, weil sich der Trend geändert hat. Hast du das Gefühl, von diesem Trendwechsel zu profitieren?
[A] Es ist für mich zum aktuellen Zeitpunkt schwer zu beurteilen, ob ich davon profitiere oder nicht. Ich denke, man kann die Dinge, die man selber macht, nur so gut machen wie es geht. Darauf liegt auch mein Augenmerk im Moment.
[F] Wie kam es zu der Entscheidung, auf Englisch zu singen?
[A] Ich habe versucht, auf Deutsch zu singen, aber ich muss sagen, dass Englisch für mich weitaus authentischer ist. Die Sprache ist ein Gefühl, was einfach da ist. Sicherlich auch geprägt durch die Musik, die man selber gehört hat. Man möchte ja auch nur das weitergeben, was einem selber viel Spaß gemacht hat. Das bedeutet aber nicht, dass ich mir nicht vorstellen kann, auch mal wieder auf Deutsch zu singen.
[F] Wenn sich eine Band nach dem Sänger benennt, bekommt man schnell den Eindruck, dass es „seine“ Band ist. Ist das bei euch der Fall?
[A] Die Band in der Form, wie wir im Moment auf die Bühne gehen, ist noch relativ jung, aber wir haben schon das Gefühl, uns als Gruppe gefunden zu haben und gute Musik zu machen. Es gibt Überlegungen zu anderen Bandnamen, aber im Moment ist es einfach noch zu sehr mein Projekt.
[F] Glaubst du, dass du auch nach einer Namensänderung noch der Kopf der Band wärst?
[A] Ich vermute, dass ich schon der Kopf der Band bleibe. Es steckt aber von allen Mitgliedern sehr viel Herzblut in dem Projekt und jeder gibt eine ganze Menge von sich. Mittlerweile spielen wir auch Songs von Andy, unserem Pianisten. Es wird gerade zu einem Bandprojekt. Das zeigt auch das kommende Album, welches einen ganz klar etablierten Bandsound zeigt.
[F] Im Uebel & Gefährlich bist du heute alleine gebucht worden. Wie ist das für dich?
[A] Manchmal lassen die Zeit und das Budget es nicht zu, dass wir alle gleichzeitig auf der Bühne stehen können. Viele von uns sind auch noch in anderen Bands oder machen andere Projekte. Wir haben aber eine gute und entspannte Lösung gefunden, das zu regeln.
[F] Was ist für dich wichtiger? Der Gesang oder das Arrangieren der Instrumente?
[A] Man spürt, wenn eine Melodie und die Atmosphäre stimmt. Das ist so ähnlich, wie wenn man sich mit jemandem unterhält und merkt, dass man sich versteht. Es sind viele Ideen da, aber nur bei den besten Ideen hat man dieses gute Gefühl.
[F] Welche Botschaft möchtet ihr mit euren Songs weitergeben?
[A] In unseren Songs steckt eine ganze Menge Leidenschaft und manchmal auch Lust zum Drama. Man könnte es als musikalisches Tagebuch beschreiben, was dort auf der Bühne passiert. In drei Worten: Pur, drauf, los.
Es kommt oft vor, dass mir in einem Song die Botschaft der Textzeilen sehr bewusst wird und ich diese gerne weitergebe, an anderen Tagen möchte man manchmal nicht so viel sagen. Bei diesen Auftritten konzentrieren wir uns dann mehr auf die Musik und das Miteinanderspielen.
[F] Genießt du den wachsenden Bekanntheitsgrad deiner Person?
[A] Ich freue mich über jeden Zuhörer, der heute Abend gekommen ist und bin ein kleines bisschen erstaunt, dass es doch so viele sind. Es ist schön, dass alles Schritt für Schritt kommt.
[F] Hast du mal als Straßenmusiker gespielt?
[A] Ja, ich habe als Schlagzeuger in Frankreich mit einer kleinen Band Coversongs gespielt. Es waren exakt zwei Songs, die ich spielen konnte. „Wonderwall“ von OASIS und „Fanpost“ von CLUESO. Eigentlich würde ich das gerne viel häufiger machen.
[F] Ist es die Persönlichkeit Tim Neuhaus, die man dort auf der Bühne sieht oder ein Teil Mensch aus einem Bandkonzept?
[A] Florian Holoubek: Ich kann zu 100 % sagen, das ist Tim. Egal, ob wir im Wohnzimmer zusammen sitzen oder auf der Bühne stehen und musizieren. Tim ist für mich ein unglaublich authentischer Musiker, der mich inspiriert. Die Band ist mein Herzensding, mein persönliches Projekt, das ich mit Tim gefunden haben, und ich bin unglaublich froh, dass ich dies jetzt mit ihm weiterentwickeln darf.
http://www.myspace.com/timneuhausmusic