Im Hamburger Stadtteil Volksdorf ist gemeinhin nicht besonders viel los. Umfangreiche Waldgebiete laden zum Spazierengehen ein, auf dem Marktplatz gibt es zweimal wöchentlich frisches Gemüse zu kaufen, und in einer Seniorenresidenz wartet der ehemalige SS-Untersturmführer und Kriegsverbrecher Gerhard S. geduldig auf den wohlverdienten Einlass in die Hölle. Zugegeben: Das klingt zunächst nicht gerade danach, als würde in Volksdorf der sprichwörtliche Punk abgehen. Doch da habt ihr die Rechnung ohne das Musik- und Kulturkollektiv R4Rules gemacht! In einer Kellerkneipe unter dem ortsansässigen Kino veranstalten motivierte Menschen in regelmäßigen Abständen Konzerte und kämpfen somit unermüdlich gegen die Tristesse an, die der idyllische Nobelstadtteil so mit sich bringt. Und so kommt es letztendlich, dass auch ich gelegentlich die beschwerliche Reise nach Volksdorf in Kauf nehme.
An diesem Abend hatten sich THIS IS AN STANDOFF angemeldet. Die Kanadier mit zwei ehemaligen BELVEDERE-Mitgliedern sind hierzulande zwar noch ein Geheimtipp, doch für einen Mittwochabend am Arsch der Welt konnte sich das Zuschaueraufkommen im Riff durchaus sehen lassen. Zunächst heizten GOODBYE JERSEY kräftig ein, deren Vorgängerband FUZZBEER einigen Hamburger Konzertgängern aufgrund zahlreicher Support-Slots vielleicht noch ein Begriff ist. Mittlerweile haben die Jungs noch eine Trompete in ihren Sound integriert und spielen rotzigen Trompeten-Punkrock mit gelegentlichen Ska-Einlagen. Erinnerte mich etwas an RANCID oder OPERATION IVY, und sie waren ein durchaus akzeptabler Opener, auch wenn der eingestreute deutschsprachige Reggaepunk-Song ein wenig gewöhnungsbedürftig war.
Anschließend übernahmen THIS IS A STANDOFF die Bühne und legten mit ihrem rasanten Melodic-Core direkt los wie die Feuerwehr. Bei der Songauswahl standen eindeutig die Stücke ihres „Be excited“-Albums im Vordergrund, wie etwa „Climb the leddar“, „Dream beater“ oder „My baby makes me watch the notebook“, während ihr brandneues Album „Be disapointed“ für meinen Geschmack etwas zu kurz kam. Doch letztendlich war dieser Umstand völlig egal, denn die Kanadier konnten voll überzeugen und entlockten dem Publikum die eine oder andere Stagediving-Einlage. Super Band – super Abend! Und auch über die beschwerliche Heimreise möchte ich mich nicht beklagen, wenn ich mir im Gegenzug den bevorstehenden Tourmarathon von THIS IS A STANDOFF anschaue: Die absolvieren nämlich alleine von heute bis Mitte Juni noch stolze 54 Shows in Deutschland, Dänemark, Schweden, Spanien, den Niederlanden, Belgien, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Kroatien, Slowenien, Italien, Griechenland, der Schweiz, Frankreich, Großbritannien, Finnland, Kanada und den USA. Dagegen sind die 50 Minuten Bahnfahrt nach Hause ja geradezu ein Klacks.