Der Tag, an dem ich diese Platte zum ersten Mal in den Player schiebe, ist ein verregneter Sonntag, den man getrost in die Tonne kloppen könnte. Dementsprechend meine Laune. Eher so… wäh. Kann eigentlich nur verkacken, die Scheibe, denke ich noch. Bis die ersten Töne des Openers erklingen. Och, nett. Another Brit-Pop-Gedönse. Aber ich mag das ja. Soso, auch noch mit Bläsern? Wie hübsch. Und wie irreführend. Denn THE GREAT BERTHOLINIS sind alles andere als auf gefährlich gescheitelte Indieboys aus dem UK. Oder aus Schweden oder wo die sonst alle herkommen. „Planting a tree next to a book“ ist Verheißung. Ein Groschenroman in gut, der von Vagabundenromantik erzählt, von fahrendem Volk mit messerscharfen Wangenknochen und Fin-de-siècle-Schnurrbärten, wilden Kavalieren, die raubend und mordend durch die Lande ziehen und nebenbei die schönen Fräuleins in ihre Räuberhöhlen entführen. So jedenfalls klingt der Mix aus ganz viel Dreivierteltakt, Polkagestampfe, Folk und Pop. Neben Gitarre, Bass und Trommeln dürfen hier auch eher unsexy Instrumente wie Posaune, Trompete, Saxophon und Banjo mitspielen und zeigen, dass sie ganz schön toll klingen können. Elf traumhafte Songs, die vielleicht zum Teil auf den ersten Blick etwas sperrig daherkommen, aber spätestens beim zweiten Hören mit so viel Charme um sich ballern, dass einem ganz schwummerig wird. Da macht es auch nichts, dass die Bertholini-Brüder gar keine melancholisch dreinschauenden Outlaws sind, sondern einfach nur acht sehr artige Jungs, die statt aus der Puszta aus Bayern kommen. Mein wild schlagendes Mädchenherz haben sie mir trotzdem geraubt. Hossa.