Man kann nicht gerade behaupten, dass SOCIAL DISTORTION besonders häufig in den hiesigen Breitengraden vorstellig werden. Ich selber bin seit 2005 nicht mehr in den Genuss gekommen, Mike Ness und seine Mitstreiter live zu erleben, und dementsprechend groß war die Vorfreude als es hieß, die Kalifornier würden in diesem Jahr auch wieder in Hamburg Station machen. Und nicht nur das: Da die erste Show im Docks binnen kurzer Zeit ausverkauft war, ploppten die Zusatzshow-Termine auf wie die Pickel im Gesicht eines pubertierenden Teenagers. Letztendlich absolvierte die Band ein Marathonprogramm mit vier Konzerten innerhalb von fünf Tagen, wobei dieser Bericht den dritten Hamburg-Gig am Sonntag, den 26.06., widerspiegeln soll. Dass Sonntag nicht gerade der ideale Wochentag für Konzerte ist, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben, doch dazu später mehr…
Als wir das Docks am besagten Abend betraten, stand FRANK TURNER mit seiner Band bereits auf der Bühne und heizte dem Publikum anständig ein. Der Engländer war offensichtlich mit viel Spaß bei der Sache, und auch seine Mitmusiker, allen voran der Bassist, lieferten eine ziemlich agile Show ab, wobei es mich etwas überrascht hat, wie textsicher das Publikum Stücke wie „I still believe“ mitsingen konnte. Beim letzten Stück gab es noch schnell einen fliegenden Wechsel am Schlagzeug und SOCIAL DISTORTION-Drummer David Hidalgo klemmte sich für ein paar Takte hinter die Schießbude.
Nach einer etwas zu lang geratenen Umbaupause betraten dann SOCIAL DISTORTION die Bühne, die im Übrigen mit allerlei Gedöns wie Blechschildern, Boxhandschuhen, einem leuchtenden Plastik-Kruzifix oder einer amerikanischen Verkehrsampel vollgestopft war. Da hatte wohl jemand noch etwas zu viel Platz im Reisegepäck… Außerdem wird die Band mittlerweile durch einen Keyboarder verstärkt. Aber der Reihe nach: Los ging es mit dem instrumentalen „Road zombie“, gefolgt von zahlreichen Hits wie „Story of my life“, „Mommy´s little monster“, „Machine gun blues“, „So far away“ oder „Prison bound“. Abgesehen davon, dass die Stücke des phänomenalen „White light, white heat, white trash“-Albums sträflich vernachlässigt wurden, gab es an der Setlist eigentlich nicht viel auszusetzen. Und dennoch wollte der Funke zwischen Band und Publikum partout nicht überspringen. Niemand erwartet, dass Mike Ness mit seinen 49 Jahren wie ein Flummi über die Bühne hüpft, aber die Show von SOCIAL DISTORTION wirkte an diesem Abend schwerfällig und lustlos. War das eingangs erwähnte Sonntags-Syndrom schuld? Oder lag es daran, dass sich nach den beiden vorherigen Konzerten in derselben Location erste Abnutzungserscheinungen bei der Band breit machten? Womöglich ist es gar das letzte unmissverständliche Anzeichen dafür, dass es die Kalifornier mittlerweile generell etwas ruhiger angehen lassen, wie man auch auf ihrem aktuellen Album „Hard times and nursery rhymes“ deutlich zu hören bekommt. Ein gutes (bzw. schlechtes) Beispiel hierfür waren die Stücke „Down here (for the rest of us)“ und „Reach for the sky“, die als zahnlose Halbakustik-Versionen inklusive Akkordeoneinlage dargeboten wurden.
Trotz einer gewissen allgegenwärtigen Enttäuschung, die sich nicht zuletzt auch in dem zögerlichen Tanzverhalten des Publikums widerspiegelte, gab es noch einen Zugabenblock, bei dem zwei afro-amerikanische Schönheiten in einem nennen wir es mal vorsichtig „aufreizenden“ Outfit auf der Bühne rumzappelten und den Stücken „California (hustle and flow)“ und „Can´t take it with you“ ihre souligen Gospelstimmen liehen. Bei dem abschließenden Punkrock-Überhit „Don´t drag me down“ kam dann dagegen immerhin doch noch so etwas wie Stimmung auf und man konnte sich zumindest ansatzweise vorstellen, wie das Konzert gelaufen wäre, wenn die Band an diesem Abend von Anfang an mehr Elan gezeigt und auch einige schnellere Songs ins Programm eingestreut hätte. Doch so war es unterm Strich ein eher enttäuschender Abend, der zumindest bei denjenigen, die den Werdegang der Band seit Jahren aufmerksam verfolgen, einen ziemlich faden Nachgeschmack hinterließ.
Nachtrag: Einen Tag später besuchte ich noch die letzte der insgesamt vier Hamburg-Shows, in der sich Mike Ness und seine Kollegen in einer deutlich besseren Verfassung als am Vortag zeigten. Trotz identischen Programms war bei der Band wieder so etwas wie Euphorie zu spüren, die sich diesmal auch auf weite Teile der Zuschauer übertrug. Das nährt die Hoffnung, dass der schwache Auftritt vom 26.06.2011 nur ein einmaliger Durchhänger war.