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BROILERS – Einmal stadiontauglicher Ska-Punk zum Mitgrölen, bitte!

Als die BROILERS vor vier Jahren ihr „Vanitas“-Album veröffentlichten, hat sich wohl kaum jemand auch nur annähernd vorstellen können, dass die Düsseldorfer einmal zu den begehrtesten deutschen (Punk-)Rock-Bands zählen würden. Doch wie sich in der Zwischenzeit gezeigt hat, hat die stilistische Abkehr vom Oi-Punk-Sound früherer Tage die Band für eine breite Masse zugänglich gemacht, während ihr im Gegenzug nur relativ wenige alte Fans den Rücken gekehrt haben. Dementsprechend bunt gemischt war dann auch das Publikum, das sich am Abend des Hamburg-Konzertes vor dem Docks tummelte: Die übliche Punk- und Skinhead-Fraktion war ebenso vertreten wie diverse Metal-Heads, typische Festival-Besucher, unpolitische Kleingeister in KRAWALLBRÜDER- und FREI.WILD-Pullovern und allerlei sonstige Sonderlinge. Geradezu herzzerreißend eine Szene, die sich vor dem Laden abspielte: Ein junger Punk wollte einem Konzertbesucher eine übriggebliebene Karte abwerben, allerdings lagen die Preisvorstellungen der beiden Verhandlungspartner doch ein wenig auseinander: Während der Kartenanbieter zumindest einigermaßen den Vorverkaufspreis von 25,- Euro für das Ticket haben wollte, offenbarte der Interessent, dass er momentan überhaupt kein Geld dabei hat, allerdings würde er sich unverzüglich auf den Weg machen um etwas Kohle zusammenzuschnorren und würde dann in einer halben Stunde mit erfahrungsgemäß geschätzten 5-7 Euro wieder da sein. In dem Augenblick klingelte es in der Hosentasche des besagten Punks und er beförderte ein topmodernes Handy zu Tage, dessen Wert ich spontan mit mindestens 20 Schnorrer-Tagessätzen beziffern würde. Willkommen bei der Handypunk 2.0-Generation. Der Kartendeal kam übrigens nicht zustande…
Zurück zum Konzert: Eröffnet haben THE HEADLINES aus Schweden, die mit ihrem klassischen 77er-Punkrock zwar keine Bäume ausrissen, aber zumindest die Wartezeit auf den Hauptact relativ kurzweilig gestalteten. Die BROILERS selber enterten anschließend zu den Klängen des SHAM 69-Gassenhauers „If the kids are united“ die Bühne und gingen dann mit ihrer brandaktuellen Singleauskopplung „Harter Weg (Go!)“ direkt in die Vollen. Die reguläre Besetzung wurde dabei von einer drei Mann starken Bläserfraktion unterstützt, die auch im weiteren Verlauf des Sets immer wieder bei den eher Ska-lastigen Songs des neuen Albums „Santa Muerte“ hinzugezogen wurde. Es folgte Hit auf Hit: Neben neuem Material in Form von „Tanzt du noch einmal mit mir?“, „Schwarz, Grau, Weiß“ oder „33 rpm“ gab es natürlich viel von der „Vanitas“ („Hast du heute schon gelebt“, „Alles was ich tat“, „Held in unserer Mitte“, „Ruby Light & Dark“…) zu hören, und mit „Paul der Hooligan“, „Hey Suburbia“ und „Fackeln im Sturm“ wurden auch einige alte Schätze aus der Mottenkiste gekramt. Punk-Nostalgiker bekamen zudem noch Coversongs von SLIME („Zusammen“) und THE CLASH („Should I stay or should I go“) serviert. Doch völlig egal, was die BROILERS gespielt haben – das Publikum drehte total durch und verwandelte den Innenraum des Docks in einen mehrere hundert Personen starken Pogo-Kessel. Erst das ruhige, halbakustische Stück „Singe, seufze und saufe“ im Zugabenteil ließ die Stimmung kurzzeitig wieder runterkochen, bevor das Konzert nach über zwei Stunden mit dem klassischen Rausschmeißer „Schenk mir eine Blume“, bei dem auch noch mal die HEADLINES sowie die bereits erwähnten Bläser auf die Bühne kamen, seinen krönenden Abschluss fand.
Die BROILERS haben an diesem Abend wieder einmal bewiesen, dass sie mit ihrer souligen Mischung aus Punk, Ska und Stadionrock inklusive dezenter Schlager-Affinität das Zeug dazu haben, szeneübergreifend zu begeistern. Und selbst wenn ihre Lieder stellenweise die Grenzen zu Kitsch und Pathos überschreiten, muss man anerkennen, dass die Düsseldorfer konsequent ihr Ding durchziehen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was jetzt auf den Zuhörer eventuell peinlich wirken könnte. Nicht zuletzt aufgrund dieser bewahrten Authentizität bin ich mir sicher, dass die Band noch lange nicht am Zenit ihrer Popularität angekommen ist. Und wenn ich ehrlich bin, gönne ich ihnen den Erfolg von ganzem Herzen.

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.