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SAENDER – Ahoi Rock’n’Roll

Ich kenne noch Helmut Kohl als Bundeskanzler, da war ich sechs Jahre alt, als er Chef wurde. Und ich war eben erst 23, als Gerhard Schröder die Nachfolge antrat. Seitdem ist eine gehörige Menge Wasser den Rhein heruntergeflossen. SAENDER, aka Markus Sangermann (unter anderem kingkalkbooking, indie.cologne.fest), kölsche Jung, weiß, wie der Hase im so called, gähn, Independent-Geschäft läuft. Er weiß, wie der „Wind über’n Rhein weht“: „So ist das eben – zieht dich runter, zieht dich raus. (…) So ist das Leben“ („Der Wind“).
Keine Ahnung, ob der Text in diesem Kontext seine Bedeutung entfalten sollte – ist auch schnuppe, weil unter anderem und sowieso bin ich Kanzler-Kohl-erfahren und entsprechend fucking unabhängig.
Wie alt ist er eigentlich, der SAENDER? Vielleicht ist er ein gefrusteter 40jähriger? Und wenn schon: SAENDER zeigt uns, wie man sich in Krisensituationen richtig verhält. Was das nun wieder heißen soll? Ganz einfach: SAENDER ist ein Ehrenmann, mit Stil und Charme. British. Ein Gentleman im Establishment.
Kleine Anekdote aus dem Englandurlaub: St. Ives, Touri-Hochburg in Cornwall. In der Stable-Bar gibt es Live-Musik. Der Pool-Wärter von mittags unterhält abends die Gäste mit akustischen Coversongs: NEIL YOUNG, FOO FIGHTERS, MANIC STREET PREACHERS und immer wieder OASIS. Bei Letzteren singt auch der Gast in der hintersten Bank Wort für Wort mit: der 10jährige mit der Limonade und die 64jährige mit dem Pale-Ale: „Someday you will find me – Caught beneath the landslide – In a champagne supernova in the sky“ (OASIS – „Champagne Supernova“). Ins Deutsche übersetzt? Belanglos.
Oder dies hier:
„Ich male Sehnsucht an die Decke – Reich mir die Hand oder die Fessel – Das macht mir nix mehr aus – danke, ich bin schon selber… – Hass mich oder lieb mich – ist mir doch egal“. OASIS aus Manchester? Nöh, SAENDER aus Köln. Könnten auch die STONE ROSES sein, etwas blasser als die GALLAGHER-Rampensäue, dafür bedeutender. Moment mal: Wie geil ist das denn?
Deutschsprachige STONE ROSES? Rave-olution Zweipunktnull? Ja, irgendwie schon.
Manchester und früher Britpop mit deutschen Texten, fuzzy Shoegaze-Gitarren à la JESUS AND THE MARY CHAIN, dazu Pathos, Hymnen und eine very sympathische Portion D.I.Y.-LoFi-Habitus. „Da zu Haus“ hat sogar etwas von SUPERCHUNK, also der amerikanischen Chapel Hill-Schule. Globalisierung ahoi. Wie auch immer: richtig gute Sache! Mit Kohl, Schröder und den Camping-Nachbarn vor dem Bingo-Abend SAENDER gröhlen – das wäre was!

Jo Rößmann

Weiß nichts, kann aber alles erklären.