Zugegeben, wenngleich ich Leeraner bin, war dies mein erstes Rock am Deich-Festival und ausschlaggebend für die Entscheidung, dieses Mal hinzugehen, war die phantastische Bandauswahl. Und es war ein schönes Fest, bei dem wider Erwarten sogar das Wetter mitspielte. Es hatte die ganze Woche durchgeregnet, in einem dementsprechenden Zustand erwartete ich auch die Festival-Wiese. Doch nichts dergleichen. Es war und blieb bis auf vereinzelte nicht erwähnenswerte Schauer trocken.
Musikalisch ging es sogleich stimmungsvoll zur Sache. Zu coolen Elektroklängen enterten insgesamt fünf Gestalten die Bühne, von denen vier goldene Kugeln über die Köpfe, der fünfte an derselben Stelle eine Discokugel trug, lediglich die Augen und den Mund ausgeschnitten. Es waren LÜKI POTENZKI, Überbleibsel der jüngst verblichenen COALFIELD, die da, z.T. unter Zuhilfenahme eines Vokoders, eine sehr interessante Elektromucke boten und bestens unterhielten. Kaum waren die letzten Töne von der Hauptbühne verklungen, ging es mit MAX HEADROOM (ehemals SUBSONIC) auf der Nebenbühne weiter, die ebenfalls ein solides Set ablieferten. So ging es weiter, die zweite Bühne war wohl die größte Neuerung des diesjährigen, des fünften, RaD-Festivals und erwies sich als echter Gewinn. Der Zeitplan war geradezu perfekt durchorganisiert, für die etwa 4500 Zuschauer gab es keine Pause. KRIEGER erinnerten von der Herangehensweise etwas an die Herren von RAMMSTEIN, mischen harte Riffs mit deutschen Texten und unterhielten mich gut. Was für mich nicht für MARY BLEEDS WINE gilt, die zwar eine energetische Show lieferten, deren altbackener Sound mich jedoch ziemlich langweilte. SABOTEUR klangen wie eine Mischung aus BLOC PARTY und FRANZ FERDINAND und machten ihre Sache gut. SMOKEY JOE sah ich nur aus der Ferne, aber Ska ist noch nie mein Ding gewesen.
Mit PETER PAN SPEEDROCK hatte ich zum ersten Mal den Eindruck, dass nicht wenige Leute fast ausschließlich ihretwegen gekommen waren. Nicht nur die zahlreichen Turbojugend-Jacken-Träger stürmten die ersten Reihen. Die Niederländer machten ihrem Namen alle Ehre und stellten ihre Fans zufrieden, ich selbst konnte damit rein gar nichts anfangen. Fürchterlich, da waren die V8WANKERS, die musikalisch in eine ähnliche Kerbe schlugen, schon unterhaltsamer.
ALEX IS ON FIRE waren ein Höhepunkt auf dem Festival, eine interessante Mischung aus melodiösem Indie und Hardcore mit messerscharfen Breaks und dem Wechselspiel der Sänger, von denen der Frontmann, ein Schreihals vor dem Herrn, wirklich alles aus sich herausholte, der Background- Sänger dafür sehr harmonisch sang. Tolle Band aus Kanada, ihre Bühnenpräsenz war phantastisch. habe ich nicht gesehen, weil ich mir eine Pause gönnen musste, um wieder einigermaßen fit zu sein für ROBOCOP KRAUS, die ihren Ruf als großartige Live-Band untermauerten und wie schon letztes Jahr bei Omas Teich zum Tanzen einluden. In Hawaii-Hemden gekleidet, trotzten sie den teilweise drohenden Wolken und boten Songs aus allen Alben. Auch einen neuen Song gab es zu hören.
Bei MAROON kamen schließlich auch die Metal-Fans auf ihre Kosten, der Rest war amüsiert und/oder wartete auf die MEDIENGRUPPE. Die kam und machte einfach nur Spaß. Elektrobeats, dazu die beiden Herren mit Gitarre und Bass bewaffnet. In silbernen, glänzenden Overalls spielten sie sich durch die Songs ihrer beiden Alben und bildeten für mich das Highlight dieses Festivaltages.
BOOZED sah ich leider nicht, dafür überraschten mich MADSEN. Und zwar deshalb, weil ich nicht gedacht hätte, wie sympathisch ich sie finden könnte. Ich kannte lediglich einige Lieder von ihrem Album, die ich „so naja“ fand, doch waren sie live wirklich schön. Und dann ging ich nach Hause, müde und zufrieden. Aber bestimmt war ja der andere Michael noch da.
Und ja, der andere Michael hat bis zum Schluss durchgehalten… Also, nachdem MADSEN ihre Show auf der Hauptbühne beendet hatten, ging es in dem schon beschriebenen Locationwechsel weiter, und zwar mit EL*KE. Bei dem Bandnamen dachte ich, dass mich deutschsprachiger Pop mit Frauengesang erwatet, doch weit gefehlt, kein Pop und kein Frauengesang. Dafür ziemlich fix gespielter … hmm …deutscher Punk-Rock…? War soweit ganz nett.
Mein Problem auf dem Festival war, dass ich nur drei der 17 Bands kannte. Mit dabei war natürlich der Hauptact – ART BRUT – auf den ich mich auch schon den ganzen Abend gefreut hatte. Und das Warten hat sich wirklich gelohnt! Schon allein, um den freakigen Sänger mal aus der Nähe zu sehen. Oh Mann, was für eine Erscheinung! In rosa Hemd und mit Schnauzbart betrat er die Bühne. Ich also schnell in den „Graben“ um meine Fotos zu schießen. Dort hatte ich auch angenehm Platz zum Tanzen, wozu der Sound von ART BRUT natürlich sehr einlud. Das Publikum war dann auch völlig außer Rand und Band, ganz besonders ein Mädel, das bestimmt viermal von der Security herausgehoben wurde.
Bis auf die Hits des aktuellen Albums gab es erstaunlich viele neue Stücke zu hören, da kann man dann wohl auf eine neue CD hoffen. Also, ART BRUT waren wirklich spitzenklasse. Ich bin schon auf das Programm für das nächste Jahr gespannt. Nach der Erfahrung der letzten Jahre, könnte ich mir vorstellen, dass die Organisatoren es schaffen, noch einen drauf zu setzen.
Michael Busemann und Michael Masloh