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Immergut Festival 2005 – Wie ein Tag am Meer

Wenn es zum ersten Mal richtig richtig warm wird, tagelang die Sonne scheint und man sich wie ein Kleinkind freut, endlich in den Bus steigen zu können, dann ist wieder Immergut-Zeit! Das kleine Festival in Neustrelitz hat sich in den letzten Jahren so sehr etabliert, dass schon Ende April keine Karten mehr zu haben waren, obwohl noch nicht mal alle Slots vergeben waren.
Aber egal, wie sich auch in diesem Jahr zeigte, das Immergut ist einfach mehr als ein Festival: ein Kurzurlaub mit Freuden und Live-Musik. Petrus hatte den Niesel-Nerv abgeschaltet und so fuhren die ersten schon sofort nach der Ankunft gleich an einen der zahlreichen Seen, denn bei Temperaturen um die 30°C kann man jede Abkühlung gebrauchen.
Gott sei Dank ist beim Immergut aber das Gelände einigermaßen schattig und beim Zelt können alle Seitenwände geöffnet werden, so dass man nicht gleich nach zwei Songs einen Sonnenstich bekommt.
LAST DAYS OF APRIL waren mein persönlicher Opener. Allerdings mit kleinen Problemchen und Unreinheiten. Egal, wir wollen mal nicht zu kritisch sein. Ich frage mich nur, ob LDOA mittlerweile wieder eine richtige Band sind. Auf der Bühne sah das noch nicht so aus.
Bei THE ROBOKOP KRAUS und KOUFAX konnte man dann einen Trend des diesjährigen Immerguts erkennen: Go British und be cool! Das neue Album von TRK fällt um einiges tanzbarer und poppiger aus, als die Vorgänger, erinnert mich irgendwie alles ein wenig an einen Trend aus GB mit deutschem Namen… Und auch KOUFAX klangen nicht wirklich „amerikanisch“. Aber waren eben cool im Sinne eines Rockstars, mit Kippe im Mund und überdimensionierter Sonnenbrille. KOUFAX und später auch MAXIMO PARK wirkten dabei schon fast wie „Acts“ und nicht mehr wie eine Standard-Indie-Band. Dennoch gehörten KOUFAX zu den Gewinnern des Immergut 2005. Ansonsten gab es an Tag 1 noch GIRLS IN HAWAII mit ein paar neuen Songs und der üblichen Multimedia-Show, MONEYBROTHER, der alle Frauen im Sturm eroberte und die Rückkehr von NADA SURF, die teilweise ordentliche, unbeschwerte Rocksongs spielten, sich manchmal aber zu sehr gehen ließen, ähnlich wie es WEEZER gerade passiert. Haben mich sehr positiv überrascht, das neue Album kommt im Herbst, mal sehen wie es wird. „Popular“ gab es leider nicht…

Tag 2 beginnt mal wieder mit dem Fürstenseeer See. Dem Eldorado aller Wasserratten unter den Festivalbesuchern. Ein Strand nur voll mit angenehmen jungen Leuten, kein Stress, keine Rentner, die meckern, sondern nur planschen, sonnen und feiern. Und immer ein gutes Gewissen, denn die erste Band fängt nicht vor 17:30 Uhr an. Der neueste Trend in Sachen Strandsport heißt übrigens „Flingo“, nur mal so nebenbei.
Zurück beim Festival fangen ANGELIKA EXPRESS erst mit reichlich Verspätung an, angeblich, weil FLORIAN HOWARTH nicht aufhören wollte und immer nur „Aaaaaaaaaaah, uuuuuuuh“ gemacht hat, sagen unsere Zeltnachbarn. Ansonsten zum ersten Mal MADSEN live. Gute Band, nur leider mit einem Sänger, der ohne den Verzerrer in der Stimme ein wenig alleine klingt auf so einer großen Bühne. THE ALBUM LEAF und KANTE machen Musik, die man auch gerne aus der Ferne genießen kann, nicht wirklich das, was ich unter Festivalmusik verstehe, für eine Mahlzeit oder eine Ruhepause aber einfach schön, auch vom Zelt aus.
Jetzt die Trendband 2005: MAXIMO PARK. Alles läuft glatt, jeder Ton sitzt, der Sänger spricht teilweise deutsch, mit Wörterbuch dabei. Rocken im Anzug. Muss man live mal gesehen haben, alleine um über das Aussehen des Sängers zu diskutieren.
Trends 2005: du brauchst mindestens eine Orgel, solltest einen Anzug oder mindestens ein Hemd tragen, das in die Hose gesteckt wird und im weitesten Sinne nach „the next big thing“ aus England klingen, dann ist alles in Butter!
Einmal Immergut, immer Immergut. Egal mit welchem Lineup, denn die Booker des kleinen Festivals wissen genau, wen man sich anhören sollte und wen man besser nicht einladen sollte. Egal ob man die Bands kennt oder nicht, Totalausfälle oder absolute Hassbands wie bei anderen größeren Festivals wird man hier nicht finden. Und schlechtes Wetter wohl auch nicht. Hmm, ich bin voll des Lobes… Die Security war nett, die Preise fair, Zeltgelände, Toiletten, alles super organisiert. Ich kann gar nicht meckern… Hmm, achja, aber gegen die Mückenplage müsst ihr nächstes Jahr unbeding noch was machen! Wir sehen uns 2006, ich bestelle schon mal Karten vor!

Festivalbericht 2 (jg): Ich habe vorher vollmundig behauptet, die Garantie für gutes Wetter kaufe man mit dem Ticket gleich dazu, und wurde im Nachhinein darin bestärkt, häufiger gewagte Thesen aufzustellen. Denn es war traumhaft. Zwar galt mein zweites Ticket ursprünglich einer anderen Person, die ich gerne dabei gehabt hätte, aber wenn stattdessen zwei beste Freunde mitkommen, kann man definitiv nicht von einem schlechten Ersatz sprechen. Wir trafen uns bereits am Tag zuvor in Berlin, wo wir uns für eine Nacht bei einer guten Freundin einquartierten und den warmen Abend mit einem kühlen Bier am Oststrand beendeten. Na sieh mal einer an! Beach Atmosphäre gibt es also nicht nur an der Elbe, sondern auch an der Spree.
Der nächste Tag begann recht entspannt mit einem arbeitswütigen Bauarbeiter im Hinterhof, der uns bereits um 9 Uhr aus den Federn holte. Aber kein Problem, wir waren fit! Gegen Mittag noch einen kleinen Snack bei Nordsee und ein Anti-Sonnenstich-Käppi für Akki und dann ging’s per Bahn weiter nach Neustrelitz. Die Fahrt verlief recht kurzweilig, obwohl die Temperaturen schon den einen oder anderen Schweißtropfen auf die Stirn zauberten. Das Bier schmeckte, Ollis Bulli entdeckte ich während ich ihn von Arnes Handy aus anrief, um mich zu erkundigen, wo sie stehen, flugs das Zelt aufgestellt, noch ein wenig ausgeruht und ab aufs Gelände. Akki zeigte sich zwar ein wenig enttäuscht, dass der Baumarkt und das Logistikzentrum der Post neben dem Gelände doch nicht der traumhaften Natur entsprächen, die ich beschrieben hatte, aber ich denke, er meinte das Meckern nicht allzu ernst. An STYROFOAM kann ich mich nur noch vage erinnern, ich glaube, sie waren nicht so super wie erhofft, aber während TIMID TIGER und LAST DAYS OF APRIL entschlossen wir uns erst einmal dazu, das Festivalgelände und den 10m-Kicker im „Schwarzer Krauser“-Bereich anzutesten. Verloren habe ich übrigens nur, weil er etwas nach rechts hing!

Während THE ROBOCOP KRAUS fiel mir schließlich auf, dass ich bereits viele Bands, die ich eigentlich sehen wollte, verpasst hatte, und auch die Robos zeigten auf, dass sie im Club bzw. auf der Nebenbühne einfach besser sind als draußen. Nicht dass sie schlecht wären – ganz bestimmt nicht! – aber die bandeigene Energie kommt im kleinen Rahmen einfach besser zur Geltung.
Während MONTA waren wir am Zelt, um uns anschließend bei NADA SURF auf meine Band des Tages zu freuen. Denn sie zeigten mir auf, warum ihr letztes Album „Let go“ es schaffte, so lange in meinem CD-Player zu verweilen. Tolle Melodien, eine schön rockende und gleichzeitig sympathische Band und der Beweis, dass man beim richtigen Songwriting auch mit einer einzigen Gitarre fett klingen kann. Der Sound war 1A, einziger Wehrmutstropfen die verlorene Wette, dass „Popular“ auf jeden Fall noch in der Zugabe folgen würde. So viel zu der Überlegung mit den gewagten Thesen.
Dafür war Corinna mir, so denke ich, recht dankbar, dass ich sie fragte, warum sie denn so doll weine. Auch wenn die Antwort, dass der Alkohol sie melancholisch mache, wahrscheinlich nur die halbe Antwort war, sorgten die PUPPETMASTAZ-Fraggles bei ihr wieder für bessere Laune und nach ein bisschen Disco konnte man letztlich erschöpft ins Zelt fallen, um am nächsten Tag wieder erstaunlich fit aus der Wäsche zu gucken.

Tag 2 sollte nach einem kurzen Frühstück hauptsächlich am See verbracht werden, und die Vorfreude wurde letztlich durch die besten Bedingungen mehr als erfüllt. Das Wasser war erfrischend kühl, aber nicht kalt, man konnte stundenlang biertrinkend und herumalbernd im See verbringen, die Sonne schien uns auf die Haut und verursachte doch keinen richtigen Sonnenbrand. Es war einfach herrlich! Als das Bier schließlich aufgetrunken war, entschlossen wir uns dazu, lieber herumzualbern als Trübsal zu blasen, und wie man Akki und Arne so zusah, konnte man denken, sie seinen zwanzig Jahre zurück in die Vergangenheit versetzt worden. Weil irgendwann aber auch wieder Musik folgte, waren wir nach den unsäglichen ANGELIKA EXPRESS rechtzeitig zu SEIDENMATT wieder im Zelt. Schöner, sich steigernder Instrumentalrock, der, wie Akki richtig bemerkte, für „Postrock“ jedoch noch etwas zu kompakt ist, und Thom von KATE MOSH bereits als zweiter Gitarrist mit am Start.
MADSEN verfolgte ich nur im Hintergrund, und auch, wenn ihre Musik für mich nicht annähernd die „Perfektion“ darstellt, musste ich feststellen, dass sie musikalisch besser waren als erwartet. Aber auch nur musikalisch… KATE MOSH setzten dann das Sinnbus-Zeltprogramm gekonnt fort und schienen mir wesentlich catchier als noch vor ein paar Wochen als ENGINE DOWN-Support. Congratulation – ein schöner Auftritt!
Noch viel „schöner“ wären natürlich THE ALBUM LEAF gewesen, die heute jedoch unter einem viel zu basslastigen Sound litten. Ich weiß auch nicht, ob sich der Mischer während ihres Konzertes ein Schläfchen gönnte, oder was mit dem los war. Jedenfalls hatte man arge Probleme, die tollen Melodien alle herauszuhören. Während der folgenden Bands wurden die mitgebrachten Steaks vertilgt und gestärkt das nachmittägige Spielen in den Abendstunden mit einer kruden Mischung aus Rugby, Fußball und Basketball zwischen den Autos fortgesetzt. Nachdem unsere T-Shirts mit einer Mischung aus Sand, Schweiß und Rotwein schlimmer aussahen als die der Fleckenzwerge-Kinder, und die Mücken versuchten, uns zu töten, musste man wohl oder übel versuchen, so viel Haut wie möglich mit Stoff zu verdecken. Es war wirklich unglaublich, wo die Viecher plötzlich alle herkamen. Da fragt man sich als ehemaliger Biologie-Student doch, wen sie nach dem Festival als Opfer in ihrer Nahrungskette auswählen, wenn die fünftausend Musiktouristen wieder weg sind…
Unser Entschluss, auch aus diesem Grund zu versuchen, uns unter die Festival-Menge zu mischen, war zumindest nicht der verkehrteste. MS JOHN SODA klangen aus der Ferne jedenfalls richtig gut, MAXIMO PARK überraschten mich mit der Fülle an Hits, aber richtig vor Ort waren wir erst wieder zu DEICHKIND. Und die Band, die im Voraus von allen so verhöhnt wurde, stellte überraschenderweise unter Beweis, dass man mit einer Menge fetten Beats, Leuchtkugeln und Rambazamba auf der Bühne doch ’ne ordentliche Party feiern kann. Und seien wir mal ehrlich: die prolligsten Feten sind oftmals auch die besten.
Die abschließenden MELODY CLUB fand ich trotz Glam-Outfit unglaublich langweilig und viel zu poppig. Zurück am Campingplatz, wo Arne schon die zweite Nacht draußen schlief, ließ ich mich überreden, doch noch mal mit zum Disco-Zelt zu kommen, und als die Killermücken in der Morgendämmerung wieder ihre Blutorgie starteten, ergriff auch ich die Flucht ins sichere Zelt. Immergut, Du warst wie immer toll! Wir kommen wieder – keine Frage!