Tag 1: Kalt ist es geworden und ganz schön ungemütlich draußen. Kein Wetter, um sich die Flatstock Poster-Convention anzusehen, auf jeden Fall. Hoffentlich wird das Wetter noch besser!
Ansonsten ist das Festival ja ziemlich wetterunabhängig. Es sei denn, das Molotow läuft voll mit Wasser, das wäre schlecht…
Die Party-Safari startet heute im D-Club, diesem ungeliebten Ding, aber es liegt genau neben dem Kartenschalter. Die letzten Klänge von VIRGINIA JETZT erhascht und leise „Zugabe“-Rufe vernommen. War ja auch zu erwarten. Der Bequemlichkeit wegen noch kurz einen Song von KARPATENHUND gesehen, die aber meiner Meinung nach ziemlich überschätzt und belanglos sind.
Dann lieber ein zweites Mal innerhalb kurzer Zeit die LICHTER aus Köln und die YOUNG SOUL REBELS im Molotow. Hier ist es schon wieder kuschelig überfüllt. Dafür gibt es nur glückliche Gesichter und entkräftete Bands. Rock’n’Roll eben.
Mein Hightlight für Tag 1 war dann meine erste ASH-Show seit bestimmt fünf Jahren. Und die erste wieder als Trio. Unglaublich, dass Tim Wheeler immer noch wie 18 aussieht, und dass die Band so viele Hits im Gepäck hat. Der Sound war zwar D-Club-Scheiße, aber die Band machte das Beste daraus und hatte sichtlich Spaß. Schön war’s.
Jetzt wieder zurück ins Molotow, mehr war heute nicht drin. THE AUDIENCE vertraten THE CRIBS. Und – verdammt – was waren die gut! Wieder nur glückliche Gesichter und Nürnberger Indie-Wave, wie man ihn mag.
Dann war erstmal Schicht im Molotow – keiner kam mehr rein. THE PIGEON DETECTIVES müssen wohl eine neue Hype-Band sein. Wurden jedenfalls mächtig gefeiert und klangen wie eine Mischung aus THE STROKES, THE CRIBS und HOT HOT HEAT. Optimal zum Feiern, manchmal aber zu viel Klischee-Insel-Band. Gute Nacht, morgen gibt es hier mehr.
Tag 2: Der Tag begann heute deutlich früher, nämlich schon um 19 Uhr mit MARFA auf der großen Open Air-Bühne. Und die wirkten da ganz schön verloren, auch wenn die blinkende Discobühne ordentlich Alarm machte. Danach kam übrigens eine Solo-Künstlerin, die erstmal schön ihren Banner (KATRIN WULFF oder so) über das „Laut gegen Nazis“-Plakat gepackt hat. Schöne Geste, das zeigt ja wohl eindeutig, was sie von dieser Aktion hält. Wie kommt man nur auf so eine Idee, vor allem wenn man bedenkt, dass die Bühne ungefähr 100m² Fläche hat, die man plakatieren kann…
Dann schnell rüber ins Knust, um LEO CAN DIVE zu sehen, die live noch mal eine Ladung Energie zusätzlich in ihre Songs legten und deren Sänger Matze live unglaublich gut war. Sollte man sich durchaus mal ansehen, und wenn man dafür auch einen schlechten Headliner ertragen muss…
Rüber ins Uebel und Gefährlich, und noch die letzten Worte von ANNA TERNHEIM erhascht. Die letzten zwei Songs gefielen sogar dem Publikum, das vermutlich eher wegen T(I)NC im Ü&G war. Hätte man eigentlich noch mehr von hören müssen, aber die Zeit ist mal wieder knapp. T(I)NC kann man mittlerweile getrost in das Regal Rock / Pop einordnen. Glatt gebügelt und auf die Show fokussiert, zwischendurch mal wieder eine peinlich-politisch-korrekte Ansage, der eh keiner mehr glaubt.
Im Regen in den Grünen Jäger zu LOGH. Ganz schön voll und nicht viel gesehen. Klang aber wie immer gut, wenn die Herren unterwegs sind. Schnell weg und rüber zu FERTIG, LOS! in die Prinzenbar. Deren Auftritt war aber eher enttäuschend. Rumpeliger Sound, rumpeliges Zusammenspiel und wenig vom Charme des Konzertes in der Astra-Stube oder ihrer CD. Also den ganzen Weg zurück zum Knust.
Und dann warten auf ROONEY. Die neue CD kommt gerade in die Läden und ist nicht mehr so gut wie noch der Vorgänger, der vor Melodien und WEEZER-Anleihen nur so strotzte. Und so war auch das Konzert: jeder kannte die alten Songs, und das Knust sang aus vollem Halse. Leider war der Rest ein wenig belanglos, einfallslos und altbacken. Hätte ein großartiges Konzert werden können, kam aber über ein befriedigend, weil viele Hits, nicht hinaus. Hätte man sich teilweise auch THE ARK anschauen können, deren Songs klingen ähnlich.
Angie’s Nightclub, der Ort, an dem Praktikanten die Theke lackieren müssen, war das letzte Ziel dieser Reise. BJÖRN KLEINHENZ, dieses Mal mit Band. Und noch mal um Längen besser als letztes Mal in der Ponybar. Wunderbarer hätte der Tag nicht beendet werden können. Gleich noch mal „Trans pony“ in den Player und die Songs auffrischen. Ganz große Platte, sollte man noch mal erwähnen. (ob)
Da mein erster Festival-Tag vom Programm her mit Ollis Timetable identisch war, hier nur meine Anmerkungen zum Tag zwei. BIFFY CLYRO standen bei mir zuerst auf dem Plan, da wir zu spät waren und zu viele Leute vor der Tür standen, gingen wir lieber gleich weiter zu LOGH. Die waren mal wieder famos, und so langsam hat die Band es raus, ihr Programm mit lauteren und leiseren Songs ausgewogen zu mischen, wobei „laut“ bei LOGH ja eigentlich gar nicht zutrifft. Zu meiner Freude wurden von dem schwachen neuen Album verhältnismäßig wenig Songs gespielt, und scheinbar wurde ein Gitarrist ausgetauscht. Ein schönes Konzert war’s und schön voll und warm auch.
Danach fix rüber in’s Knust zu den STARS, die uns anfangs ausgesprochen gut gefielen, im Laufe des Konzertes aber immer langweiliger wurden. Auf Empfehlung schauten wir deshalb noch kurz bei RHESUS ins Knust rein, ein Trio mit Frau an Bord, das zwar sehr eingängige Songs schrieb, die uns aber auf Dauer doch zu locker-flockig und belanglos erschienen. Also rüber zu EIGHT LEGS in die Prinzenbar, die aber just in dem Moment vorbei waren, als wir ankamen. Hmm, in diesem Jahr schien der Zeitplan selbst zu später Stunde wesentlich besser eingehalten zu werden als im letzten Jahr. So blieben wir aber noch bei den FIVE! FAST!! HITS!!!, die zwar unser Interesse nach musikalischer Abwechslung nicht gerade befriedigen konnten, aber ich muss doch gestehen, dass es schon beeindruckend war, wie sie ein größtenteils unbekanntes Publikum im Laufe des Gigs immer mehr auf ihre Seite zogen. Auch, wenn die Jungs verdammt nach den großen, angesagten Bands aus UK klingen, so kopieren sie zumindest ausgesprochen gut. Die Zugabe-Rufe hörten letztlich kaum auf, und da sie ja die letzte Band des Abends waren, durften sie auch noch mal. Gute Nacht für’s erste… (jg)
Tag 3:
Heute noch mal früher als gestern, denn das Reeperbahn Festival wird irgendwie auch zu einem Blueprint Festival. Erst LASSARD auf der Spielbudenplatz Bühne (sogar ohne Regen) und dann noch SPANDAU im Molotow (auch ohne Regen). Schöner Auftakt, wenn die Familie zusammen ist. Dafür war der Rest des Abends umso kürzer für mich.
Irgendwann treten dann doch Verschleißerscheinungen auf, wenn man so viele Konzerte und Astras mitnimmt. Für die FIGURINES mit mächtig Verspätung hat es noch gereicht. Allerdings ist der Drops irgendwie gelutscht. Neue Songs am Anfang, und ich bin raus. Bei den SHOUT OUT LOUDS war dann an regulären Einlass gar nicht mehr zu denken, so voll war es dort.
Dann lieber wieder zurück ins Molotow, SCHROTTGRENZE, Kickern, Freunde und Bekannte. Muss ja auch mal sein. (ob)
Mein Konzertprogramm am Samstag begann ähnlich wie Ollis – zunächst LASSARD auf der Draußen-Bühne beguckt. Ja, Mensch, die machen sich da oben ja schon richtig gut, der Sound war klasse und die neuen Hits waren auch nicht von schlechten Eltern. Sie erinnern mich immer ein wenig an READYMADE und Co und konnten heute, da man für’s Open Air ja nichts bezahlen musste, eine ganz neue Zielgruppe auftun. Klar war das Indie-Publikum auch vertreten, aber mindestens genauso viele Zuschauer waren jenseits der Vierzig oder unter zehn, während vor der Bühne ein Alt-Hippie abrockte und ein Noch-Junggeselle in alberner Verkleidung seinen Abschied vom ersten Teil des Lebens vertanzte.
Pünktlich bei INFOCUS setzte dann der Regen ein, hörte jedoch nach ein paar Songs auch wieder auf. Die Jungs waren zwar sicherlich um einiges jünger als LASSARD, übten sich aber dafür auch gleich im stylishen Bandoutfit. Nun ja, die Musik war zwar modern britisch, ich fand sie dann aber doch eher langweilig, und die Gitarren hätte man vor dem Gig vielleicht auch noch mal stimmen können.
Warum KATRIN WULFF im Anschluss daran auch heute wieder ran durfte, weiß keiner so genau. Über ein Verhältnis zum Veranstalter munkeln wir aber nicht. Naja, poppiger Barjazz halt mit einer schätzungsweise studierten Sängerin mit deutschen Texten und hohem Selbstwertgefühl. Ihr Banner war auch heute wieder sehr ungeschickt platziert, und die Menge vor der Bühne lichtete sich zusehends.
Schnell rüber in die Prinzenbar, da es draußen so langsam ein wenig kalt wurde. JUSTIN NOZUKA aus Toronto war einer wie JAMES BLUNT: Popsongs in Singer/Songwriter-Manier, wobei der Bassist wirklich gute Läufe spielte. Ich kannte den Kanadier zuvor noch nicht, wunderte mich aber über die hohe Schnitten-Quote vor dem Laden, bevor das Konzert losging. Der Junge bringt sicherlich einen gewissen Sweetheart/Schwiegersöhnchen-Charme mit, mich langweilte er zwar recht schnell, aber die Stimmung war zu so früher Stunde bereits ausgesprochen gut. Ich wartete allerdings eher auf TER HAAR, dem neuesten Sinnbus-Signing aus Berlin, die bereits eine Dreiviertelstunde nach Justin randurften. Wahnsinn, war das laut. Ich hätte sie vor dem Gig eher dem instrumentellen Post-Rock als Post-HC zugeordnet, muss meine Einschätzung nach dem Gig aber wieder umkrempeln. CD: ruhig, live: laut!! Und richtig gut noch dazu. Vertrackte Rhythmen, schiefe Sounds, perfekt geloopte Gitarrenparts, ein fetter Basssound, ein paar Keyboard-Sachen und dann wieder sehr melodiös. Anspruchsvoll und richtig gut. Und während der Sänger am Ende des Gigs noch schnell auf die Platte hinweisen wollte, ein weiblicher Zwischenruf aus dem Publikum: „Ihr seid so süß!“ Ein gewisses Schmunzeln allerseits, ein wenig Verlegenheit auf der Bühne, und dann war’s auch schon vorbei. Aber ein paar Tage später durfte man sie ja bereits nochmals im Vorprogramm von KATE MOSH im Grünen Jäger sehen.
SPANDAU sah ich danach bereits zum zweiten Mal in meinem Leben, wobei ich mich an das erste Mal gar nicht mehr erinnern konnte. Aber Bernd wies mich drauf hin, dass ich sie als Support von MAGIC BULLET THEORY damals verrissen hätte. Na, ganz so schlimm war’s nicht, ich hatte mich nur geäußert, dass sie mir zu poprockig waren. Heute ließ ich aber ungefragt meine Meinung „besser als erwartet“ vom Stapel, als ich Olli vor der Bühne wiedertraf. Wobei ich gestehen muss, dass auch KETTCAR und TOMTE nicht allzu oft auf meinem heimischen Plattenteller auftauchen, und grob kategorisiert passen SPANDAU ja auch ganz gut in diese Schublade.
Ebenso wie SCHROTTGRENZE, allerdings zogen wir ob der Fülle des Clubs so langsam lieber den Platz am Kicker vor. (jg)
Fazit:
Das zweite Reeperbahn Festival machte Spaß. Mehr noch als im letzten Jahr, auch wenn mit 12.000 Leuten deutliche Kapazitätsgrenzen bei den Headlinern zu spüren waren. Das Line-Up war ok, für viele fehlten die ganz großen Namen, aber dafür gab es feinste Bands, die alle ihre Berechtigung hatten und auch ihre Headliner-Qualitäten unter Beweis stellen konnten. Das neue Konzept ist voll aufgegangen, und es war ein sehr abwechslungsreiches aber auch anstrengendes Festival. (ob)
Für meinen Geschmack hätte es ein bisschen mehr Abwechslung im musikalischen Bereich geben können. Im letzten Jahr waren ARRESTED DEVELOPMENT und DENDEMANN als Alternative super, HipHop gab’s diesmal kaum (oder gar nicht?), ebenso wenig Postcore und Punk. Aber immerhin hat man diesmal die Weltmusik ausgelassen und ein paar eher uninteressante Clubs gegen bessere ersetzt. Die Zuschauer dankten es den Veranstaltern durch gute Ticketverkäufe. Und die Zeiten wurden in diesem Jahr auch strikt eingehalten, was für ein Festival natürlich unabdingbar ist. Wir sehen uns nächstes Jahr wieder! Und verpasst auch nicht unser Interview mit Andi vom Molotow! (jg)
http://www.reeperbahnfestival.de