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ONEIROGEN – Kiasma

Von Numina bis Mortisomnia in fünf Schritten.
Introduktion (1): Langsam und lange ziehen sich die Klänge des Albums „Kiasma“ von ONEIROGEN durch die träge und immergleich vorbeirauschende Welt aus Baracken, Steppen und blaudünstigen, moorigen Wäldern und finden sich gen Ende in einer Erhellung wieder.
Das Album besteht aus gut 50 Minuten instrumentaler Fläche, die in sieben Stücke eingeteilt ist. Die Titel verorte ich in einen mystisch-medizinischen Bereich, der sich als Soundtrack mit einer nicht vorhandenen Neuverfilmung von „Das Cabinet des Dr. Caligari“ auseinandersetzt: Etwas zwischen Traum, Wirrem und Realität.

2) Zunächst der erste Eindruck (von den ersten beiden Stücke des Albums): „Numina“: Die ersten Sounds zappen sich hervor an die Oberfläche, Synth-Schlaufen verlieren sich hinter einem jungen Anschein aus Gitarre und Bass in doomiger Lage und ordnen sich zu einem 16-tel Teppich unter. Dieses Stück beginnt mit Fülle und Leere ohne jegliche perkussive Elemente. Die Stimmung erinnert in seinem fettwandigen Auftreten an etwas Bedrohliches aus Mystery-Filmen, obwohl der Zusammenhang von instrumentaler Musik und Filmmusik nicht zwangsläufig herzuleiten und nur in diesem Fall als Hilfe für eine Beschreibung zu verstehen ist. Über die bratzenden Basssaiten legt sich eine Art Solo aus verzerrter Gitarre, die ebenso flächig erscheint und viel Raum erfordert.
„Pathogen“: Der Übergang zum zweiten Stück fällt kaum auf, seine Stimmung fügt sich nahezu nahtlos an. Wieder beginnen Synthys, die von Bässen, Gitarren und Rauschen eingeholt und in Intervallen zu rhythmischen und harmonischen Akzenten finden.
Portamentoeffekte an der Gitarre und Rauschen zeichnen „Pathogen“ aus. Seine Länge liegt im Durchschnitt (etwa 7 Min.), wobei das Album über das kürzeste Stück mit 4,5 Min. und das längste mit 14,5 Min. verfügt.

3) Dann der Hintergrund: Einmann-NewYorker, Kapuze, ohne Haupthaar, dunkel gekleidet, neben einer leicht geneigten Säule, umringt von Gebüschen und grauem Grün. Ein Schwarzweiß-Bild, das sich wie auch das Cover passend der Aufmachung der Denovali-Homepage fügt: Viele stille Bilder und wenig textliche Information.
Dieses Jahr tourte er mit seinem Album und (auch mit einer dänischen Hardcore-Band) auf dieser Seite des Atlantiks in Städten wie Leipzig und mehrmals Berlin.
Mario Diaz de Leon schreibt auch klassische Stücke für Streicher und Bläser, tritt in verschiedenen Konstellationen auch allein mit Computer auf, nachdem er sich in den 90ern dem Hardcore-Punk hingegeben hat.

4) Daraufhin der Sound: Dieser besteht aus verschiedenen Lagen verzerrten, digitalen Feedbacks durch das Sägende und Mehrschichtige aber nicht Vielschichtige. Dadurch – z.B. Gurgeln durch Delayeffekte/-spielereien – lassen sich Raumtiefe und Nähe erzeugen, welche mit drückendem und sägendem Bass, dessen Anschläge und somit eine organische Soundentwicklung zu erkennen sind, gefüllt sind. Alle Sounds sind verändert, alle in ähnliche Richtung, d.h. es ist nicht eindeutig ein grundlegendes Instrument zu erlesen.
Wie der Sound, so sind auch die Songstrukturen ähnlich. Es bedarf mehrmaligen Hörens, um bedeutungstragende Unterschiede auszumachen. Für mich ist es in diesem Fall wichtig, das Album komplett durchzuhören, um diesen seinigen Inhalt aufzunehmen. Ich finde keine konkrete Melodie, sondern eher ein Ausbreiten einer tiefer liegenden Stimmung; konkret in dem Sinn, dass sie beim erstmaligen Hören hängen bleibt. Als rhythmusbasierter Hörender laufe ich durch diese Songs nahezu ohne Halt. Im letzten Stück „Mortisomnia“ stoße ich auf verzerrte, verdeckte Vocals in Sprechen, eine preisende, eher mächtig wirkende Rede mit Echo und viel Hall, positioniert im Unter- oder Hintergrund.

5) Und schließlich mein Fazit:
Variante a: Für allein mit Kopfhörern in Bewegung wie im Bus durch Städte und im Überland.
Varinate b: Für Live-Auftritte in einer weitläufigen, naturgeprägten Umgebung.
Doch beim Hören des vierten Stücks muss ich – auch als aktiver Hörer von Instrumentalem aus Klassik, Minimal und Post-Zeiten – in der Lautstärke einen Gang zurückschalten:
Ich würde nicht einfach so „Zu langweilig” sagen, denn es passiert etwas, doch nur was?
Friedhof, Düsterheit und stehendes Wasser. Das in anderer Presse angesprochene klassische, vielleicht auch neoklassische Moment zeigt sich wenn überhaupt auf diesem Album nur sehr unterschwellig.
Alles in Allem: Nicht mein Fall, aber dennoch zum Live-sehen in einer musikalischen Auseinandersetzung mit anderen Künstlern. Ohne etwaige Vielleichts werte ich das Album mit „Nur eine Stimmung” ab.