Zauberhaft, liebreizend, zuckersüß: vermeintlich passende Attribute zur Musik der dänischen Sängerin OBÉL, die mit ihrer Ballade „Just so“ nicht nur die perfekte Klangkulisse für den langsam eintrudelnden Frühling liefert, sondern auch den Sound zum aktuellen Werbespot einer mittelständischen Telekommunikationsfirma, in dem es nebst Rosenblüten Heiterkeit und Glücksseligkeit regnet. Enna Bonny sprach mit der 28-jährigen Wahl-Berlinerin über Romantik, Alfred Hitchcock und Stärke und stellte fest: Wer diese Newcomerin nicht im Auge behält, gehört verprügelt.
[F] Dein Song “Just so” ist nicht zuletzt dank einer enormen, nennen wir es mal Medienpräsenz derzeit in aller Munde. Worum geht es, und was hat dich inspiriert, als du das Lied geschrieben hast?
[A] Es war eine ganz konkrete Situation, die mich inspiriert hat: Jeden Morgen muss man aufstehen, obwohl man doch so viel lieber im Bett bleiben möchte… Genau darum geht’s. Ich wollte diese Situation beschreiben und dieses Gefühl, warum man eben doch aufstehen sollte. Oder warum vielleicht auch nicht.
[F] Was mir an dem Song sehr gefällt, ist dieser positive Vibe, den er ausstrahlt…
[A] Cool, das ist genau der Effekt, den ich erzielen wollte. Ich habe versucht, den Song ein wenig aus der Perspektive eines Kindes zu schreiben, ganz simpel, nicht so kompliziert. Einfach aufstehen und den Tag an sich reißen und erobern.
[F] Abgesehen davon, dass „Just so“ ein wirklich wunderschöner Song ist, bist du eine relativ unbekannte Newcomerin. Wie kam die Zusammenarbeit mit der Telekom zustande?
[A] Ich glaube, es war alles ein großer Zufall. Von meiner Perspektive aus fing alles mit dieser niederländischen Firma an, die meinen Song bei MySpace gehört hatte und ihn an die Telekom schickte, die ihn dann für ihre Kampagne auswählte. Ich muss dazu sagen, dass ich zu der Zeit bereits von einem dänischen Indie-Label, Speed Of Sound, gesigned war und gerade an meinem Album arbeitete, als die Firma mich kontaktierte. Erfahren habe ich von all dem erst, als schon alles gelaufen war. Dann ging ich nach Holland und unterschrieb den Vertrag. Ich habe also im Grunde genommen gar nichts dazu getan. An allem ist nur MySpace schuld.
[F] In dem Werbespot sieht man diese Millionen von Rosenblätter, die vom Himmel herab regnen, die vielen glücklichen Menschen auf den Straßen, die deinem Song lauschen – eine moderne Art von Großstadt-Romantik. Passt das zu deiner Vorstellung von Romantik? Oder anders gefragt: Bist du mit der Art, wie deine Musik präsentiert wird, zufrieden?
[A] Ich bin sogar sehr glücklich darüber, wie der Song in dem Spot präsentiert wird. Und obwohl ich denke, dass es schon sehr romantisch ist, ist es dennoch cool. Als ich zum ersten Mal von der Idee mit den Rosenblättern hörte, dachte ich mir, dass es schon ziemlich grenzwertig klingt. Aber sie haben es wunderschön hinbekommen. Was mir gefällt, ist, dass sie das Romantische mit dieser Großstadt-Atmosphäre gemixt haben. Es wirkt so echt. Einige der Bilder sehen aus, als hätte sie jemand mit dem Handy oder der Digi-Cam aufgenommen. Es wirkt wie eine Form von Realität, es wirkt gar nicht künstlich. Ja, ich glaube, mir gefällt diese Vorstellung von Romantik!
[F] Gebürtig kommst du aus Dänemark. Wann und warum bist du nach Berlin gezogen? Was macht für dich die Faszination der deutschen Hauptstadt aus?
[A] Zum ersten Mal war ich mit einem Uni-Kurs in Berlin. Das muss so 2004, 2005 gewesen sein. Ich fand die Stadt großartig und war unglaublich beeindruckt. Also beschloss ich, als Austauschstudentin nach Berlin zurückzukehren. Und als ich nach dieser Zeit zurück musste, entschied ich mich gemeinsam mit meinem Freund, hier zu bleiben, weil die Stadt so wundervoll ist. Und zudem der perfekte Ort, um hier zu arbeiten. Obwohl Berlin so groß ist, ist die Atmosphäre hier so viel entspannter als in anderen Städten, nicht so stressig, wie zum Beispiel in Kopenhagen. Es ist der ideale Ort, um Ruhe zu finden, sich hinzusetzen und Songs zu schreiben. Das erfordert Konzentration, vielleicht auch ein wenig Einsamkeit.
[F] Hattest du niemals Heimweh?
[A] Ja, sehr sogar, aber ich habe immer Heimweh, wenn ich in Berlin bin, weil ich hier kein Netzwerk wie zu Hause habe. Ich komme aus einer Stadt, in der meine ganze Familie lebt, in der ich aufgewachsen bin und wo ich jeden kenne. In Berlin ist die Situation ganz anders. Hier fühle ich mich nackter, verletzlicher. Bis jetzt spreche ich nicht mal die Sprache. Ich fühle mich wie ein Fremder, was mich aber sehr viel sensibler für Ideen macht und mich aufmerksamer sein lässt. In Berlin habe ich viel mehr Songs geschrieben als jemals zuvor in Kopenhagen. „Just so“ habe ich auch hier geschrieben – es ist mein Berlin-Song.
[F] Heute pendelst du zwischen Berlin und Kopenhagen. Brauchst du dieses Aufeinanderprallen der Kulturen, das Kosmopoltische, Kreative von Berlin und die Beschaulichkeit von Kopenhagen? Inspiriert dieser Austausch deine Musik?
[A] Das Verrückte ist, dass ich das genaue Gegenteil empfinde. Für mich ist Berlin ein Ort der Ruhe. Wenn ich nach Kopenhagen komme, bin ich oft verwirrt, mit tausend Gedanken im Kopf an Dinge, die ich noch erledigen muss. Wenn ich in Berlin bin, bin ich viel relaxter. Ich glaube schon, dass bei diesem „Culture Clash“ etwas Gutes rumkommt, aber ich bin mir nicht sicher, warum das so ist.
[F] Du nennst ROY ORBISON deinen größten musikalischen Einfluss, was für mich irgendwie skurril klingt, denn wenn ich mir deine Songs so anhöre, würde ich eher an KATE BUSH oder FEIST denken, weniger an ROY ORBISON…
[A] Ich weiß, dass meine Musik so ganz und gar nicht nach ROY ORBISON klingt, aber ich liebe ihn einfach! Für mich hat er die beste Stimme der Welt, er ist so schön anzuschauen, und ich liebe den Sound seiner Songs. Die nächste Platte, die ich machen werde, soll so klingen, als sei sie zur Zeit Orbisons aufgenommen. Das Schlagzeug klingt großartig bei ihm, so viel Raumklang, sehr atmosphärisch. Es erinnert mich auch immer ein wenig an David Lynch, unheimlich und romantisch zugleich.
[F] Momentan arbeitest du an deinem ersten Album…
[A] Ja, und es läuft gerade richtig gut, obwohl die Studioarbeit auch manchmal sehr zäh sein kann. Ich sitze gerade an den letzen Songs, weil im April alles fertig sein soll. Dann werde ich nach Dänemark gehen, um das Album dort mit zwei dänischen Produzenten zu bearbeiten. Ich denke, Ende April wird das Album dann in den Regalen stehen.
[F] Du machst fast alles im Alleingang: Du schreibst deine Songs, spielst alle Instrumente ein, nimmst alles auf, produzierst… Ist OBÉL mehr ein Einzelgänger als ein Teamspieler?
[A] Naja, der Plan war nie, ein Einzelgänger zu sein. Aber was die Musik angeht, bin ich einer. Als ich mit der Musik anfing, habe ich auch mit anderen Leuten zusammen gearbeitet, aber ich konnte den anderen nie wirklich klarmachen, was ich machen wollte, worum es mir ging. Trotzdem denke ich, dass es großartig ist, in einer Band zu spielen, weil man zusammen etwas Besonderes teilt und wie eine kleine Familie ist. Aber ich bin nicht gut darin, anderen meine Vorstellungen und Ideen mitzuteilen. Deshalb mache ich heute alleine Musik. Ich glaube, ich bin meiner Vorstellung von Sound heute ein ganzes Stück näher als damals. Also… ja, vielleicht bin ich ein Einzelgänger geworden. Aber die neuen Songs werden zusammen mit meinen dänischen Produzenten produziert, wir werden sehen, ob das funktioniert (lacht). Aber du hast schon recht, ich habe alle Songs allein in Berlin aufgenommen, aber die Drums, Bass und ein Cello werden gemeinsam mit den Produzenten und einigen Musikern eingespielt werden. Es ist also kein richtiges „Einsamer Wolf“-Projekt! (lacht)
[F] Wenn du live performst, bist du dann allein auf der Bühne oder wirst du von einer Band begleitet?
[A] Daran arbeite ich gerade. Ich hätte gerne zwei Leute an meiner Seite, die mich bei Live-Shows begleiten, eine ganz minimale Besetzung, ich am Klavier, dazu am liebsten einen Cellisten und einen Gitarristen, die auch singen können, aber bisher habe ich noch niemanden gefunden. Meine bisherigen Live-Shows habe ich aber immer solo bestritten.
[F] Die Songs, die man sich bisher auf deiner MySpace-Seite anhören konnte, klingen alle sehr sanft, zerbrechlich. Ein Youtube-Video zeigt dich, eine sehr mädchenhafte junge Frau, am Klavier, wie du mit leiser Stimme „Just so“ singst. Das Bild, das ich von dir habe, ist von diesen Eindrücken natürlich beeinflusst, und ich stelle dich mir als ein schüchternes, beinahe verletzliches Mädchen vor. Aber bist das wirklich du, oder ist das ein Image, das du kreiert hast, um einen Teil von dir vor der Öffentlichkeit zu verstecken, das du vielleicht auch zu deinem Vorteil nutzt?
[A] Ich habe keine Kontrolle über die Musik, die ich mache, oder darüber, wie meine Songs klingen. Es ist nichts, das ich mit einer bestimmten Absicht kreiert habe. Die Leute sagen mir immer, meine Musik würde so verletzlich klingen, als würde ich ihnen dadurch eine sehr empfindsame Seite meiner Gedanken offenbaren. Das macht mich manchmal müde. Ich würde gerne kraftvollere Musik machen, aber momentan ist das die einzige Art von Musik, die ich machen kann. Der Youtube-Clip – ich weiß nicht wirklich, was ich davon halten soll, aber ich BIN nun einmal sehr schüchtern, und ich bin keine erfahrene Live-Künstlerin, und ich habe auch keine Erfahrungen vor der Kamera. Wahrscheinlich werde ich noch sehr lange so schüchtern wirken. (lacht) Aber der Gedanke, dass die Leute meine Musik als „schwach“ bezeichnen könnten oder mich als eine „schwache“ Frau sehen, gefällt mir nicht. Vielleicht kommt es daher, dass viele nur „Just so“ kennen und dieser Song der stillste, süßeste Song ist, den ich bisher gemacht habe. Meine anderen Songs sind eher dunkler. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, ich sei verletzlich oder zerbrechlich, denn das bin ich nicht. Musik zu machen und sie der Öffentlichkeit zu zeigen, ist ein großer Schritt für mich.
[F] Du hast gerade die Dreharbeiten zu deinem ersten Video abgeschlossen. Wie war das für dich?
[A] Es hat riesig Spaß gemacht. Der Regisseur war Cadmo Quintero, ein sehr cooler Typ, die Produktionsfirma Erste Liebe. Ich habe vorher nie ein Video gemacht, aber es war großartig, obwohl es unglaublich kalt war. Wir haben das Video in einem großen alten Hotel am Kurfürstendamm gedreht. Es war so wunderschön, aber es herrschten Minusgrade, und wir haben 15 Stunden gebracht, bis die Aufnahmen im Kasten waren. Ich wollte etwas ganz anderes als den Werbespot. Und der Regisseur hat wirklich gute Arbeit geleistet, indem er eine Art Parallel-Universum kreiert hat.
[F] Mit wachsender Popularität ändern sich auch die Erwartungen an einen Künstler. Du bist spätestens seit dem Erfolg von „Just so“ nicht mehr nur eine Sängerin und Songwriterin, sondern musst auch als Model und Schauspielerin für Fotoshoots und Videos funktionieren. Wie kommst du damit klar, dass du so plötzlich deine Kunst und zum Teil auch dich als Person „verkaufen“ musst?
[A] Es fühlt sich ganz neu an, und ehrlich gesagt, habe ich mir bisher noch gar keine Gedanken darüber gemacht. Dieser Schritt ist schon hart, da man oft nervös wird und Angst hat, etwas falsch zu machen und sich selbst in einem falschen Licht zu präsentieren. Aber bisher hat eigentlich alles großen Spaß gemacht. Aber wenn du darauf anspielst, ob ich Angst davor habe, bis in alle Ewigkeit nur noch mit dem Telekom-Werbespot in Verbindung gebracht zu werden – nein, davor habe ich keine Angst. Die Reaktionen, die ich bisher erhalten habe, waren durchweg positiv. Ich glaube, der Spot war ein guter Kanal, um den Leuten zu zeigen, dass ich existiere.
[F] Sehr gelungen finde ich das Cover von „Just so“, das dich mit dieser riesigen Eule neben dir zeigt. Es ist sehr atmosphärisch, ein wenig düster. Und was ich mich die ganze Zeit über schon frage: War die Eule echt?
[A] Es ist tatsächlich eine echte Eule, ein Uhu, aber er ist ausgestopft. Das Tier war so wunderschön und sah so echt aus, und es hat lange gedauert, bis wir es gefunden haben. Das Bild zitiert ein wenig meinen Lieblingsfilm, „Die Vögel“, von Alfred Hitchcock. Darin gibt es so viele gute Bilder, zum Beispiel eine Szene, die Tipi Hedren mit einer Zigarette im Mund zeigt und einen Raben mit einem Streichholz. Also haben mein Freund und ich uns überlegt, dass wir ein ähnliches Bild machen wollten. Allerdings dachten wir, dass zu mir eher eine Eule passen würde. Ich mag diesen Vogel, warum weiß ich auch nicht. Und, was mir ganz wichtig war: Ich wollte kein Bild, das mich als ein süßes, kleines Mädchen zeigt.
[F] Das passt zu meiner letzten Frage wie die Faust aufs Auge: Du wirkst so bezaubernd, freundlich, ambitioniert, und ich glaube, du bist der Typ Frau, den meine Oma als “Fräuleinwunder” bezeichnen würde: die perfekte junge Dame. Benimmt OBÉL sich auch manchmal daneben, oder gibt es das nicht?
[A] Ich bin keinesfalls das perfekte Mädchen, wirklich nicht! Du wärst so enttäuscht, wenn du mich näher kennenlernen würdest. Ich bin immer zu spät, immer total durcheinander, und ich bin so schlecht darin, Entscheidungen zu treffen. Die einzige Sache, bei der ich mir wirklich sicher bin, ist die Musik.
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