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MODELL BIANKA – Kummerland

 
Es ist ja in dieser Zeit ohnehin etwas Besonderes, mal wieder auf Konzerte zu gehen. Und, ich gebe es unverhohlen zu, normalerweise gehe ich wegen des „Hauptacts“ dorthin. So auch beim Konzert von MAFFAI im Molotow Hamburg im Juli dieses Jahres. Aber es gibt dann eben diese Konzerte, wo dich der „Supportact“ völlig umhaut. So auch beim Konzert im Molotow – das hatten wir ja schon. Dieser Support hieß MODELL BIANKA.
Die Band sprach davon, dass es bald ein Album von ihnen geben solle, was mich natürlich sehr interessierte. Zwar hat sich die Veröffentlichung jetzt etwas verspätet, aber Warten haben wir ja alle gelernt in den letzten 20 Monaten. Und wenn es sich so lohnt wie bei „Kummerland“, dann ist das auch schnell vergessen.
„Kummerland“. So heißt es nun also, das Album von MODELL BIANKA – und es haut dich fast genauso schnell um, wie es der Band live gelingt. Zwar muss (und soll!) man bei den deutlichen gesellschaftspolitischen Texten desöfteren mal schlucken, da man sich an der eigenen Nase angefasst fühlt, aber auch das ist gut so. Musikalisch bewegt sich das Album zwischen HERRENMAGAZIN, TOCOTRONIC, aber auch KMPFSPRT und einer guten Prise Post-Punk, ohne dabei zu sehr ins Düstere abzurutschen. Vielmehr werden die Melodien hier nach vorne gepeitscht, angetrieben von explodierenden Drums und in Szene gesetzt von mal hymnisch-hoffnungsvollen, mal brachial-direkten Gitarren. Die Hannoveraner verstehen es aufs Beste, Songs zu schreiben, die man mitsingen möchte, dadurch auch beginnt, sich über das, was man da mitsingt, tatsächlich Gedanken zu machen. Genannt seien hier nur „Kriegskinder“ oder „Muster“, die dich auf völlig verschiedenen Ebenen persönlich anfassen. Jedenfalls ist das meine Hoffnung, dass es doch noch die breite Mehrheit ist, die sich mit den beschriebenen Umständen nicht wortlos einverstanden erklärt.
Die Band zeigt sich auf ihrem Debüt vielmehr schmerzhaft einsichtig, dass das Leben in der Doppelmoral Teil unseres Alltags ist“, heißt es in der Presseinfo. Und genau das trifft das Gefühl, das „Kummerland“ in mir hervorruft. Songs wie „Arbeit“ oder „Zustand Automat“ drücken uns die eigenen Schwierigkeiten mit dem Alltag ins Gehör, denen wir viel zu selten eben dieses leihen und uns zu sehr aufs Funktionieren konzentrieren, anstatt auch einmal auf die innere Stimme zu hören. Dabei möchte man doch gerne „einfach nur so spazieren gehen, ohne, dass etwas passiert“ („Einfach nur so“).
Schon mit dem Opener „Zerfall“ legen MODELL BIANKA den Finger in die Wunden dieser Welt, dieses Landes, von uns selbst und zeigt, wohin ein „weiter so!“ uns führen wird. Das Quartett aus Hannover macht klar: Gute Musik und gute Inhalte dürfen gerne öfter mal zusammen weggehen, vielleicht die Nacht miteinander verbringen und Songs erzeugen, die eben nicht nur das Tanzbein, sondern auch die Hirnwindungen in Bewegung bringen. „Kummerland“ gelingt das.
Schön, dass ein Konzertabend immer mal wieder solche Neuentdeckungen hervorbringen kann. Hoffentlich bald wieder live (das Releasekonzert ist auf den nächsten April verschoben), aber auch aus den Boxen wirkt MODELL BIANKA, keine Sorge. Hört rein und stimmt mir zu!

 

Simon-Dominik Otte

Mensch. Musiker (#Nullmorphem). Schauspieler (#BUSC). Rezensent (#blueprintfanzine). Come on, @effzeh! AFP-Fan. (#Amandapalmer). Lehrer. Und überhaupt. Und so.