You are currently viewing MIRE KAY – A rising tide lifts all boats

MIRE KAY – A rising tide lifts all boats

Schon die ersten Töne von „A rising tide lifts all boats“ sind wieder so zerbrechlich, so traurig, so brüchig, dass man die beiden Damen hinter MIRE KAY einfach nur in die Arme schließen mag, um sie zu trösten. Aber das braucht man nicht wirklich, vielmehr ist es so, dass die Musik der Schwedinnen genau dies mit uns tut: trösten. Denn trotz all der Zartheit spricht aus dem neuen Album der Ex-AUDREY-Frauen eine unbändige Kraft, die sich mal im Gesang, mal im unvergleichlichen Cellospiel wiederfindet. Hier treffen Kindheitserinnerungen auf die harte Wirklichkeit, verwischt sich der Charme vergangener Jahre mit den alltäglichen Schwierigkeiten und Sorgen, es bleibt dennoch stets ein Blick auf die Sonnenseiten und die Hoffnung. Emelie Molin und Victoria Skoglund begeben sich auf die Reise zum Inneren des menschlichen Lebens, schauen zwischendurch auf die von ANDREW BIRD oder ZOE KEATING gezeichnete Landkarte mit den verschlungenen Pfaden, nehmen nie den direkten, immer den interessanten Weg. Hin zur Liebe. Aber dieser Weg führt oft genug über den Verlust, das ist bei MIRE KAY nicht anders, allerdings eröffnen sie neue Blickweisen, halten nicht nur die eigenen Augen, sondern auch die Ohren des Hörers stets offen und empfangsbereit. „A rising tide lifts all boats“ ist nicht für die Disko gemacht, vielmehr für den verkaterten, gedankenverlorenen Sonntagmorgen im Halbschlaf mit Traumresten im Kopf, die ihre eigene Wirkung entfalten, und dabei unterstützen die Schwedinnen mit ihrem elfenhaft tänzelnden Gesang und der passenden instrumentalen Untermalung. Nach der 2011er EP „Fortress“ ist dies nun der erste Fulltime Rundumschlag und er trifft dort, wo es zwar wehtut, aber auf eine angenehme Art und Weise. Manchmal ist es eben schön, sich in die Melancholie fallen zu lassen, in dem sicheren Wissen, nicht der einzige Mensch zu sein, dem es so ergeht. MIRE KAY teilen mit uns ihr Leben und als Hörer ist man geneigt, den beiden Frauen das eigene anzuvertrauen, so nah, so persönlich wirken sie durch ihre Musik. Wenn „Musik zum Träumen“ auf einer CD-Hülle steht, sollte man tunlichst die Finger davon lassen, aber bei MIRE KAY darf man gerne zugreifen, denn da fehlt dieser Aufkleber, hier wäre er aber mal mit Recht verwendet worden. Schweden zeigt mal wieder seine Stärke.

Simon-Dominik Otte

Mensch. Musiker (#Nullmorphem). Schauspieler (#BUSC). Rezensent (#blueprintfanzine). Come on, @effzeh! AFP-Fan. (#Amandapalmer). Lehrer. Und überhaupt. Und so.