„We’re not the first, I hope we’re not the last“, sang Ian MacKaye 1981. Auch wenn Bands wie BAD BRAINS oder BLACK FLAG schon vorher den britischen Punk in eine neue Richtung lenkten, machten MINOR THREAT aus dem Präfix „Hardcore“ ein eigenes Musikgenre, war Sänger Ian MacKaye Initiator der Lebensphilosophie Straight Edge und das eigens gegründete Label Dischord Records war und ist das Synonym für die DIY-Ideologie.
Vor einem Jahr erschien zum 20jährigen Bestehen von Dischord Records eine Jubiläums-Compilation („20 Years of Dischord“), für die die Labelmacher Jeff Nelson und Ian MacKaye alte Aufnahmen aus den Schränken zusammensuchten, entstaubten und teilweise neu abmischten. So hört man auf dieser Zusammenstellung die eine oder andere unveröffentlichte TEEN IDLES, FUGAZI oder SCREAM Perle. Auch das erste, verschollene Demotape von MINOR THREAT tauchte bei den Aufräumarbeiten wieder auf und wird jetzt als 7inch im roten Vinyl wiederveröffentlicht.
Das Cover erinnert an die gute, alte „Salad days“ EP: vier Jugendliche sitzen auf den Stufen des Dischord-Headquarters und scheinen noch nicht zu ahnen, dass Songs wie „Straight Edge“ oder „Bottled violence“ Punk drastisch verändern werden. Anfang der 80er entstand in Washington D.C. eine Punk-Szene, die sich deutlich vom britischen „Siff-Punk“ abgrenzte und eher konstruktiv als nihilistisch agierte. Musikalisch wurde Punk auf eine andere Ebene gehoben. Waren es bei diesem ersten Demotape von MINOR THREAT noch High-Speed-Rekorde, die für Furore sorgten, wurde die Post-MINOR THREAT Generation aus Washington eher vom Art-Rock und Jazz beeinflusst. Mit den Bands RITES OF SPRING und EMBRACE tauchte 1985 zum ersten Mal die Schublade „Emo“ auf – MINOR THREAT waren zu diesem Zeitpunkt längst Geschichte. Trotz ihrer kurzen Schaffensphase und gerade mal drei offiziellen EPs taucht der Name MINOR THREAT heute immer noch als Referenz in unzähligen Rezensionen und Mailorderlisten auf. Wer also immer genau dann den Fernseher ausschaltet, wenn MTV Punk-Retrospektiven zeigt, Punk-Plagiate wie BLINK 182 ihre neuen Songs vorstellen und gecastete CDU-Punks bei VIVA rumhüpfen, dem sei diese Single sehr ans Herz gelegt. „Small man, big mouth“, „I don’t wanna hear it“ und „Seeing red“ sind sowohl textlich als auch musikalisch zeitlos und für Punk genauso relevant gewesen, wie Melle Mel für HipHop, KRAFTWERK für Elektro und Bajramovic für den FC St. Pauli.
Übrigens, Henry Garfield (The Artist later known as Henry Rollins), auf dem Backcover etwas verstört dreinblickend und auf einem Foto im Booklet im Frauenkostüm, war zu der Zeit, als dieses Demo aufgenommen wurde, Roadie und offizielles fünftes Mitglied von MINOR THREAT. Kurz darauf gründete er die Band STATE OF ALERT und stieg danach bei BLACK FLAG ein. Der Kreis schließt sich…