Ein Album, das mich wehleidig daran denken lässt, dass gerade eigentlich wieder die Zeit des Elbjazz-Festivals wäre. Doch ich möchte nicht rumjammern, die aktuelle Corona-Entwicklung deutet immerhin schon mal an, dass die konzertfreie Zeit hoffentlich bald wieder vorbei ist. Endlich. Jedenfalls finden draußen schon wieder die ersten Konzerte statt (siehe Knust Lattenplatz, Schrödingers, …).
Doch kommen wir zurück zum Elbjazz und warum MICHEL PORTAL in meinen Augen so gut dorthin passen würde. Seine Musik ist eindeutig im klassischen Jazz zu verorten, und eine Bassklarinette ist nicht unbedingt das Instrument, das wir bei Blueprint täglich rezensieren. Wobei kürzlich erst WOODEN PEAKS in ihrem Release-Konzert zeigten, dass es sich dabei um ein (v.a. im Indie-Bereich) zwar selten eingesetztes Instrument handelt, das durch seinen tiefen, warmen Klang aber eine ausgesprochen schöne Atmosphäre zaubern kann.
Natürlich ist MICHEL PORTAL ein Meister seines Instruments, und so kommt der Bassklarinette hier nicht nur eine begleitende Funktion zu, sondern sie steht klar im Mittelpunkt. Zusätzlich bedient er auf „MP85“ nicht weniger talentiert das Sopransaxophon und die Klarinette. Ein zweiter Aspekt, der mich an das Elbjazz denken lässt: „MP85“ wirkt wie eine lockere, zugleich aber sehr versierte Jam-Session und strahlt umso mehr das Feeling eines Livekonzertes aus. Eine Jam-Session mit der Bassklarinette als zentrales Instrument? Schon allein der Gedanke daran mag viele Leser abschrecken, und „MP85“ ist für Jazz-Laien sicherlich keine allzu leichte Kost. Und doch zeichnet die Kooperationen des mittlerweile 85jährigen Jazzvirtuosen aus, dass sie sich nie im Nirgendwo verlieren und stets den Groove wahren – ein nicht zu unterschätzendes Qualitätsmerkmal. Wahrscheinlich spielt hier auch mit rein, dass Portal bereits seit den Siebzigern seine Erfahrungen im Free-Jazz gesammelt hat und sich mittlerweile nicht mehr unnötig austoben muss. Zusammen mit Piano (Bojan Z), Kontrabass (Bruno Chevillon), Schlagzeug (Lander Gyselinck) und Posaune (Nils Wogram) bietet MICHEL PORTAL hier zehn Eigenkompositionen dar, die mich in der Summe ähnlich begeistern wie seine Zusammenarbeit mit QUATUOR ÉBÈNE („Eternal stories“, 2017) und die zugleich belegen, dass Anspruch, Eingängigkeit und Improvisationen sich nicht gegenseitig ausschließen müssen. Möge MICHEL PORTAL noch lange so aktiv und kreativ bleiben, wie wir es von ihm gewohnt sind!