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Maifeld Derby 2018 (Mannheim)

Im Prinzip war es mir schon im letzten Jahr klar, dass sich daraus eine Abhängigkeit entwickeln könnte. Warst Du einmal auf dem Maifeld Derby, möchtest Du immer wieder hin. Tatsächlich ist es keine Floskel, wenn man in vielen Vor- und Nachberichten immer wieder von dem geschmackvollen Booking dieses kleinen Festivals in Mannheim liest. Und wenn ich in der Wall of Fame lese, wer in der Vergangenheit alles dabei war, liest sich das tatsächlich wie meine Liste der Lieblingsbands:
31 KNOTS, ALGIERS, AMERICAN FOOTBALL, ANDY SHAUF, ARCHIVE, BATTLES, DÄLEK, DIE NERVEN, DIE! DIE! DIE, EFTERKLANG, EXPLOSIONS IN THE SKY, KING KHAN & THE SHRINES, MARIA SOLHEIM, MARTIN KOHLSTEDT, MESSER, METZ, MINUS THE BEAR, MODERAT, MOGWAI, MONOCHROME, NEUROSIS, PAPER BEAT SCISSORS, PROTOMARTYR, PTTRNS, RUE ROYALE, RYLEY WALKER, SOHN, SOMETREEE, SPRING OFFENSIVE, THE LYTICS, THE NATIONAL, THE NOTWIST, THE WOMBATS, TREND, VÖGEL DIE ERDE ESSEN, WHITE WINE, YUCCA…
Anzumerken ist, dass ich tatsächlich nur meine absoluten Highlights genannt habe, sonst würde die Liste den Rahmen sprengen.

md2018-leyya Dieses handverlesene Booking ist aber offenbar auch schon den auftretenden Bands aufgefallen. So klang es beispielsweise sehr glaubhaft, als die Sängerin von LEYYA in einer Pause zwischen den gefühlvollen Songs der Wiener anmerkte, dass es für sie eine Ehre sei, hier spielen zu dürfen. Da wundert es fast nicht, dass die großen NEUROSIS aus den Staaten für ein exklusives Konzert beim Maifeld Derby direkt angefragt haben. Doch dazu später mehr.

Wo wir schon mit Österreich gestartet sind, bleiben wir doch gleich dabei und wechselten vom Palastzelt zur Bühne im Reitstadion, dem md2018-afParcour d’Amour. Denn dort spielte AUSTROFRED, „der wahrhaftigste Popstar Österreichs“, wie er sich gern selbst tituliert. Doch bevor er in seiner gelben Kunstlederjacke und weißer Spandex-Hose die Bühne betritt, betreibt er zum Aufwärmen ausgiebiges Stretching – natürlich direkt neben der Bühne. An Egozentrik ist AUSTROFRED kaum zu überbieten – höchstens von Freddy Mercury himself, den er im österreichischen Slang mit direktem Kontakt zum Publikum zum Besten gibt. Mehr Performance geht nicht!

Das totale Kontrastprogramm folgte direkt im Anschluss: WICCA PHASE SPRINGS ETERNAL mag zwar ein kleiner Star im Internet sein, aber auf der Bühne wirkte er, versteckt in seinem Kapuzenpulli, mit seiner emotionalen Trap-Musik so verloren wie ein kleiner Hundewelpe. Vielleicht war dies aber auch ein Teil des Programms, das wir nicht verstanden hatten.
So landeten wir eher zufällig bei KLANGSTOF an der Hauptbühne, die zu Beginn ihres Auftrittes fast ein wenig an THE NOTWIST erinnerten und uns anhalten ließen. Ein schöner Einstieg, aber als die Jungs nach und nach von den analogen Instrumenten an die Synthies wechselten, wurde es uns etwas zu poppig, so dass wir uns einer der regionalen Bierbuden zuwandten. Doch kaum hatte man das Interesse ein wenig verloren und stattdessen dem bunten Treiben auf dem Gelände zugeschaut, gelang es den jungen Niederländern im Laufe des Sets, unsere Aufmerksamkeit ganz unbemerkt wieder zurückzuerlangen. Im Prinzip der beste Beweis, dass schöne Begleitmusik durchaus ihre Berechtigung hat und nicht pauschal abgewertet werden sollte.

md2018-rhye Im Palastzelt folgten im Anschluss RHYE aus Los Angeles, die mit ihrem sanftmütigen Indiepop für glückselige Gesichter sorgten. Das Besondere an diesem Duo, das ursprünglich aus Kanada und Dänemark stammt und heute um diverse Streicher und weitere Instrumente ergänzt wurde, ist, dass viele Hörer die Stimme von Michael Milos ohne Zweifel einer Frau zugeordnet hätten, so hell und warm ist sie, dass sie fast ein wenig an SADE erinnert. Auch ich war da einem Irrtum aufgesessen, das für kurze Irritation sorgt, die aber recht schnell wieder verfliegt.

Ein wenig lauter, aber wirklich nur ein wenig, ging es dann bei DEERHUNTER weiter, die guten, alten Indierock aus Atlanta nach Mannheim brachten. Für uns aber eine Spur zu nah an der Belanglosigkeit dran, so dass wir den ersten Tag im Zelt mit NILS FRAHM abschließen wollten. Das Beeindruckendste an NILS FRAHM ist für mich seine Vielseitigkeit. Deckt er aus seinen Alben vor allem den Bereich „Modern Classic“ ab, so habe ich ihn vor vier Jahren auf dem Dockville mit einem vergleichsweise souligen Sound gehört, auf dem sein Rhodes viel zum Einsatz kam. Auf dem Maifeld Derby hatte NILS FRAHM den Slot im großen Palastzelt zur besten Zeit, und so passte er sein Set an, das heute auffällig elektronisch ausfiel. Nicht mit allzu dicken Bässen, sondern eher melancholisch verträumt, passend dazu mit minimaler Beleuchtung, aber mit einer beeindruckenden Wirkung. Hut ab!
Den Abschluss im Zelt macht JON HOPKINS mit einem Live-Set, bei dem die tiefen Frequenzen dann doch noch zum Einsatz kamen. Es wurde getanzt und gejubelt, und nebenbei kamen Erinnerungen an das MODERAT-Set aus dem letzten Jahr hoch. Oder auch an MOONBOOTICA. Wie heißt es so schön: Glück ist, wenn der Bass einsetzt. Und wir setzten uns langsam ab und machten uns auf den Heimweg. Morgen ist ja auch noch ein Tag.

Der zweite Tag startete für uns nicht auf dem Maimarktgelände, sondern gegen Mittag in der Innenstadt von Mannheim. Das Maifeld Derby 2018 fiel nämlich auf den Beginn der Weltmeisterschaft. Vielleicht erinnert ihr euch ja noch, das war der Moment, wo alle Fans der Nationalmannschaft voller Euphorie spekulierten, welche Favoriten wohl diesmal in der Vorrunde ausscheiden würden. Vielleicht ja Spanien wegen des Blitztrainerwechsels? Oder die Briten? Vielleicht aber auch eine Mannschaft, die noch keiner auf dem Schirm hat: Brasilien? Nein, dass es tatsächlich „Die Mannschaft“ sein würde, ahnte zu diesem Zeitpunkt wohl noch niemand. Was wir aber auch nicht ahnten, war, wie wenig fußballverrückt die Mannheimer sind. Eine Kneipe zu finden, die bereits mittags Fußball zeigte, gestaltete sich jedenfalls schwierig. Am Ende entdeckten wir aber doch noch ein Café, und Frankreich gewann 2-1 gegen Australien.

md2018-vo Auf dem Maimarktgelände angekommen, musste ich leider feststellen, dass ich FRANKA aus Mannheim mit FRANA aus München verwechselt hatte und dass FRANKA eher Indierock als Postcore boten. Also weiter zum Parcours d`amour, wo V.O. schöne und vor allem schön viele Instrumente aufzubieten hatten. Wenn ich jedoch an ähnlich klingende Bands, wie z.B. WOODEN ARMS denke, bleibt bei mir leider die Feststellung, dass man aus Oboe, Trompete und Glockenspiel viel mehr hätte rausholen können. Schade.

Auf TANK AND THE BANGAS aus New Orleans hatte ich mich bei der Vorbereitung aufs diesjährige Maifeld Derby besonders gefreut. Doch was auf youtube so herrlich unbeschwert klang und an eine Mischung aus ARRESTED DEVELOPMENT und SALT ‘N‘ PEPA erinnerte, entpuppte sich im Palastzelt als eine merkwürdige Rockshow mit schrecklichen Gitarrensoli, während Funk & Soul sehr in den Hintergrund traten. Daran konnte leider auch das Energiebündel Tarriona „Tank“ Ball an den Vocals nichts ändern.

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Dann also vor der Hauptbühne noch ein wenig Sonne tanken und ALL THEM WITCHES aus Nashville folgen, die mit ihrem Psychedelic Stoner Rock ein wenig an FU MANCHU erinnerten und mitunter auch epische Rocknummern wie LED ZEPPELIN zum Besten gaben. Ich finde ja, dass diese Musik perfekt zu sommerlichen Temperaturen passt, und darüber konnte sich wahrlich niemand beklagen.

Wie bereits eingangs erwähnt, ist das Booking das Besondere am Maifeld Derby, weshalb auch so große Bands wie NEUROSIS speziell bei diesem Festival anfragen und nicht umgekehrt. Die andere Besonderheit ist, dass NEUROSIS für ihren Auftritt das große Palastzelt zur neurosisPrime Time zur Verfügung gestellt wird – unabhängig von der musikalischen Einordnung, denn die Musik der sechs Herren aus Oakland ist so finster, dass bereits im Vorfeld abzusehen gewesen sein dürfte, dass nur ein Teil der 5.000 Zuschauer etwas damit anfangen kann. Jedoch wurde den Fans der Band aus Oakland eine Show geboten, die sich anfühlte, als ob man soeben von einem Bulldozer überfahren wurde. Böser kann Musik nicht klingen. Dass die Herren im Laufe ihrer 33jährigen Bandgeschichte keinen Deut an Intensität eingebüßt haben und nach wie vor als das Aushängeschild in Sachen Post-Metal gelten, spricht für sich. Vielen Dank NEUROSIS, vielen Dank an die Booker vom Maifeld Derby für diesen eindrucksvollen Auftritt.

Im Grunde hätte man nach NEUROSIS nach Hause gehen können. Was soll danach schon noch kommen. Doch es wäre auch zu schade gewesen, denn es folgten noch ein paar weitere Bands, die ebenfalls einen Konzertbesuch wert sind. Also Themenwechsel. Rüber zu den WOMBATS, die mittlerweile in drei verschiedenen Ländern wohnen, was sie aber keineswegs davon abhält, mit „Beautiful people will ruin your life“ soeben eines der besten Alben ihrer Karriere veröffentlicht zu haben. Mögen die Videos der WOMBATS manchen auch etwas zu bunt sein – in Sachen Livequalität macht den Herren so schnell keiner was vor. Das sah auch das Publikum so, ihr Auftritt war sicherlich einer der bestbesuchten auf dem Maifeld Derby 2018. Dazu wurde getanzt, gefeiert, angestoßen – und selbst der zweistimmige Gesang saß perfekt. An dieser Stelle seien auch die Live-Mischer gelobt. Auf der größten Bühne einen Sound hinzukriegen, der nicht nach Konzerthalle, sondern wie in einem kleinen Club klingt, gelingt nur wenigen Tontechnikern. Hut ab, denn auch der Sound trägt sehr stark zu einem guten Auftritt bei!
Zum Abschluss schauten wir noch bei den EDITORS im Palastzelt vorbei. Ihr Auftritt war angenehm melancholisch, mit einer leicht düsteren Note, wie man es ähnlich auch von INTERPOL und THE NATIONAL kennt. Jedoch führte die etwas schwermütige Atmosphäre dazu, dass zwei Tagen Festival bei hochsommerlichen Temperaturen langsam Tribut gezollt werden musste. Als Tom Smith zur Mitte des Sets alleine mit Akustikgitarre auf der Bühne stand und wir uns ein wenig an U2 erinnert fühlten, entschlossen wir uns, den Heimweg anzutreten. Schließlich gab es morgen ja noch einen weiteren Tag Festival.

Den Sonntag begannen wir im Murphy’s Law, einem Irish Pub in Hauptbahnhofnähe und dem gemütlichsten Ort, um Fußball zu gucken, den wir in Mannheim ausmachen konnten.
md2018-pwObwohl am Sonntag auch im Rücken des Reitstadions eine große Leinwand für das Public Viewing aufgebaut worden war – wahrscheinlich war die Sorge doch zu groß, dass die Zuschauerzahl am letzten Festivaltag rapide abfallen könnte, wenn nicht zumindest das erste Spiel der Nationalmannschaft gezeigt werden würde. Es bleibt festzustellen, dass die Übertragung tatsächlich ausgiebig genutzt wurde und das Publikum das Spiel angenehm ruhig verfolgte. Keine unangenehmen Deutschland-Fans, wie man sie sonst beim Public Viewing gerne antrifft, und als am Ende sich ein Mexiko-Fan seines Trikots entledigte und eine Extra-Runde um die Leinwand drehte, wich die Enttäuschung im Gesicht einiger Fans schnell wieder eines fröhlich Lachens. So soll es sein – Publikumscheck bestanden!
Erfreulich war außerdem, dass die Konzerte trotz der WM-Übertragung noch gut besucht waren. Das hatte jedoch auch seinen Grund. Wann sonst hat man schon die Gelegenheit, Bands wie THE KILLS, die zuletzt die FOO FIGHTERS in großen Stadien supporten durften, noch mal auf einer Zeltbühne zu sehen? Im Anschluss daran sorgte der BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB auf der Hauptbühne für eine klassische Rockshow, und irgendwie gelingt ihnen die Gratwanderung, trotz Leder-Outfit und Kippe im Mundwinkel zugleich breitbeinig, aber auch ziemlich lässig rüberzukommen.

md2018-mdEin fast gegensätzliches Bild bot sich uns bei MIKAELA DAVIS im Parcours d‘Amour: zarter Folk mit einer bezaubernden Stimme und einer Harfe, die nicht als klassisches Instrument agiert, sondern die Gitarre als wichtigstes Bandinstrument ablöst. Findet man online noch Videos von der jungen New Yorkerin mit Coverstücken von ELLIOTT SMITH als Solistin, so wirkte MIKAELA DAVIS live zusammen mit Bass und Schlagzeug viel mehr wie eine komplette Band. Die Dame sollte man sich auf jeden Fall merken!
Kommen wir zu EELS, eine Band, die mich ebenfalls schon seit sehr langer Zeit begleitet. Ihre erste Single, „Novocaine for the soul“ fällt zirka auf meine Abi-Zeit, die wiederum schon mehr als 20 Jahre in der Vergangenheit liegt. Seitdem sind mir die EELS immer mal wieder begegnet, meistens nur mit neuen Singles und besonderen Videos. Was mir aber rückblickend auffällt, ist die große Vielseitigkeit der Band um Frontmann Mark Oliver Everett. Fast ein bisschen vergleichbar mit BECK, den ich vor kurzem im Stadtpark gesehen habe. Eine weitere Gemeinsamkeit: beide Künstler verfügen über tolle Stimmen, was mir bis zu ihren Konzerten gar nicht bewusst war.

Zum Ende des Festivals musste ich noch einen kurzen Abstecher ins kleine Zelt zu DÄLEK machen, die tatsächlich schon genauso lange wie EELS aktiv sind und für einen HipHop-Act ungewöhnlich stark in der Indie-Szene verankert sind. Woran das wohl liegen mag? An md2018-daelekgengreübergreifenden Touren mit Bands wie ISIS und den MELVINS? An der gemeinsamen Platte mit FAUST? Oder an ihrer düsteren Stimmung, die DÄLEK so sehr von anderen HipHop-Acts unterscheidet? Wie dem auch sei – selbst wenn die Menge der Zuschauer doch sehr überschaubar war, lieferten DÄLEK mit ihrem Konzert einen passenden Abschluss des diesjährigen Maifeld Derby Festivals, der die Stile Noise, Shoegaze und HipHop noch mal unter einen Hut brachte und damit zeigte, dass Schubladendenken im Grunde eine völlig überholte Angewohnheit ist. Und deshalb passen DÄLEK auch so toll zu diesem Festival, das so viele verschiedene Stile bedient, gleichzeitig auf die ganz großen Headliner verzichtet, genauso wie auch auf Bands, die allzu belanglose Musik machen. Maifeld Derby – wir werden uns im nächsten Jahr sicherlich wiedersehen!