Menschen eilen durch die Stadt. Einkauf am langen Samstag, Großfamilien, Mädchen-Cliquen mit Eastpak-Rucksäcken, Buffalo-Schuhen, Christina Aguilera Outfit, beschissenen Sonnenbrillen, kreischende Kassierer, nörgelnde Rentner. Bilder geschaffen für RTL2 oder ProSieben. Nachmittage, die mir normalerweise Angst machen, mich daran zweifeln lassen, dass es noch eine Funken Verstand in dieser Stadt gibt. Auf dem Nachhauseweg mache ich einen großen Bogen ums Schulterblatt, denn Schaulaufen ist heute nicht mein Ding. Eigentlich war es noch nie mein Ding. Im Discman läuft „The raging sun“ von LOGH.
Ich habe die Musik gerade so laut aufgedreht, dass ich um mich herum nichts wahrnehme. Ich lege mich mitten auf die Mönckebergstraße, ein Bus hält an, er überfährt mich nicht! Ich sehe Menschen mit Händen in der Luft herumfuchteln, Menschen schreien, hetzen, sie haben’s verdammt eilig – ich höre sie nicht, sondern gucke überrascht drein, als LOGH bei „The bones of generations“ das volle Hardcorebrett rausholen. So kennt man die Schweden eigentlich nicht. Klar, sie haben irgendwie schon so einen Background, aber die Songs auf ihrem letzten Album „Every time a bell rings, an angel gets his wings“ waren so dermaßen bedächtig und minimal arrangiert, dass ich es nie wagte auch nur ein Wort zu sprechen, während die Platte lief. Zugegeben, ich war meist alleine mit meinem Hörgenuss.. Ich glaube aber, ich hätte auch den eiskalten Schweiger gemacht, wenn die komplette Mannschaft des FC St. Pauli um mich herum gestanden und „You’ll never walk alone“ skandiert hätte. Jetzt steht der Busfahrer vor mir, er will wohl, dass ich aufstehe und die Fahrbahn freimache. Ich nehme ihn nicht richtig wahr.
LOGH drehen auf „The raging sun“ den Gainregler öfters nach rechts, als das noch beim Vorgängeralbum der Fall war. Nicht das wir uns falsch verstehen, Logh sind immer noch mehr Quiet als Loud, mehr Jim Jarmusch als George Lucas und mehr Blue Velvet als Matrix. Aber es gibt einige laute Passagen, die doch sehr überraschen. Ob ihnen das gut zu Gesicht steht, muss wohl jeder für sich entscheiden. Ich vermisse jedoch manchmal die Dichte und die Intensität von „Every time a bell rings…“, das Gefühl in eine völlig andere Welt abtauchen zu können. „The raging sun“ ist mitnichten ein schlechtes Album, jedoch an manchen Stellen einfach zu konventionell arrangiert. Als die Band vor einiger Zeit in der Prinzenbar spielte, wurden Atmosphären und Stimmungen oftmals mit nur einem einzigen Ton erzeugen. Töne, die schon immer da waren, sich aber in diesem Gewand bisher sehr selten Gehör verschafften. LOGH haben auf ihrem neuen Album die Liebe zum Song entdeckt, auf „Thin lines“ und „City, I’m sorry“ driftet man aber wieder in Gefilde ab, die jenseits von Strukturen entstehen. Und diese Arrangements können was. Nach „Lights from sovereign states“ erhebe ich mich vom Straßenpflaster, die Hektik und Eile, die ich für knapp 45 Minuten vergessen konnte, holt mich wieder ein… zu Hause finden LOGH einen Platz neben ARAB STRAB und SONGS:OHIA. Da kann man sich durchaus wohl fühlen, wie ich finde!