Kürzlich kursierte ja der Joke „Wenn du Corona beenden könntest, indem du eine Musikrichtung opferst, welche wäre es und warum Schlager?“ durchs Netz. Zum Teil wurde dies kommentiert, meist mit anderen Stilen, die man sogar noch lieber opfern würde. Dabei fiel mir auf, dass in ferner Vergangenheit gerne Genres als unhörbar eingestuft wurden, die man inzwischen gar nicht mehr so sehr verabscheut, mittlerweile vielleicht sogar ganz gerne mag. Aus meiner Sicht trifft dies auf jeden Fall auf Jazz zu, und in letzter Zeit finde ich auch immer mehr Zugang zu World Music. Mussten früher stets die armen ponchotragende Panflöten-Indios in der Fußgängerzone als Paradebeispiel für dieses Genre herhalten (neben einer sehr vereinfachten Kategorisierung ein ziemlich dämlicher Flachwitz, by the way), haben zuletzt Bands wie EFTERKLANG und Menschen wie Gregor Samsa (Labelbetreiber von Sounds of Subterrania; u.a. JUNGLELYD und BIBI AHMED) dazu beigetragen, mehr Zugang zu diesem sehr breitgefächerten Genre zu finden, um sich aktiver damit auseinanderzusetzen.
Auch LIDO PIMIENTA muss man zweifelslos dem Genre der Weltmusik zurechnen, was schon alleine ihren kolumbianisch-indigenen Wurzeln zuzuschreiben ist, selbst wenn sie schon lange in Kanada lebt. Nebenbei fließen noch traditionelle Rhythmen wie Cumbia in ihre Musik mit ein, die keineswegs im Widerspruch zu Einflüssen aus dem westlichen Elektropop stehen. Das klingt stellenweise wie eine orientalische Version von BJÖRK („Para transcribir (SOL)“), sie selbst zählt auch MIA und A TRIBE CALLED RED zu ihren Einflüssen. Dass LIDO PIMIENTA sich nebenbei auch politisch äußert und mit dem Albumtitel Kritik an der Vermarktung von schönen Frauen in ihrem Geburtsland äußert, rundet die Vielschichtigkeit dieses Albums ab. Selbst wenn meine typischen Hörgewohnheiten sich noch in anderen Genres bewegen, ist dies ein gutes Album, um die persönlichen Grenzen ein wenig zu verschieben.