Eigentlich war dieses Interview darauf ausgelegt, nur mit Kevin Devine geführt zu werden, doch Herr Devine ist mit einer Band unterwegs, die er schätzt, und das zeigt er ihnen, indem er sie mit in das Interview nimmt und so behandelt, als seien sie eine richtige Band und nicht bloß seine Unterstützung.
[F]Oha, so viele Leute, da bin ich gar nicht drauf vorbereitet…
[A]Kevin:Das ist schon ok, wenn du nur Fragen an mich hast, die anderen melden sich schon, wenn sie was zu sagen haben oder wenn ich Mist erzähle.
[F]Hat dich die letzte Tour alleine so geschafft, dass du jetzt die weite Reise nur noch mit Band antrittst?
[A]Also eigentlich toure ich auch noch alleine, manchmal trifft man auch gute Freunde dabei. Nur bei der längsten Tour alleine, so Ende 2003, als ich fast vier Monate in England und dem Rest von Europa unterwegs war, war es schon manchmal ziemlich kritisch. Da hab ich sehr, sehr viel getrunken, war eigentlich die meiste Zeit, zumindest jeden Abend, komplett betrunken. Das war mit Sicherheit nicht das Beste, was ich bisher getan habe. Ich hatte auch später nicht mehr Kontakt zu vielen Menschen, weil ich so viel getrunken habe. Aber es gibt auch immer sehr schöne Momente auf Einzeltouren, und die überwiegen eigentlich, gerade bei kürzeren Touren. Da kann ich einfach Distanz von allem bekommen und bin mit meinen Gedanken alleine. Mit Band ist es da vollkommen anders, man rockt einfach mehr. Und die Songs klingen natürlich auch mehr so wie auf dem Album. Mal abgesehen von der sozialen Komponente einer Band klingen die Songs einfach voller.
[F]Ist das Set und die Songs an sich bei einer Tour mit Band auch ein wenig fröhlicher?
[A]Nicht direkt fröhlicher, schon anders, vielleicht leichter? Unbeschwerter? Es rockt einfach direkter und mehr geradeaus. Und ich kann natürlich auch andere Lieder spielen. Die Tour ist leichter und macht mehr Spaß, auch wenn es anders ist als meine Solo-Shows. Das Publikum mag es auch mehr als die Solo-Sachen, man fühlt sich halt nicht wie in einer Bibliothek, in der man immer leise sein muss.
[F]Wie ist es für euch als Bandmitglieder, die eigentlich keiner auf den Konzerten erkennt. Könnt ihr ganz entspannt reisen und abends gemütlich Bier trinken?
[A]Chris: Es macht eigentlich mehr Spaß. Für uns ist es überhaupt kein Druck. Wir sind halt als Musiker dabei, aber Kevin bekommt die ganze Aufmerksamkeit, auch vom Publikum. Wir stehen eher in seinem Schatten, alle schauen nur auf ihn.
Mike: Wir können über so viele Dinge, die passieren, einfach lachen. Wir haben auf jeden Fall unsere eigene Art entwickelt, mit dieser Situation umzugehen. Einerseits unterstützen wir Kevin nach Kräften, andererseits sind wir aber auch vollkommen unter uns und haben unsere eigene kleine Bühnenwelt.
Amy: Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
[F]Seid ihr reine Studiomusiker, die das hauptberuflich machen, oder habt ihr nur für Kevin mal ein wenig Urlaub vom Job eingelegt?
[A]Amy: Wir haben alle ein Leben jenseits professioneller Musik.
Kevin: Amy und ich arbeiten sogar zusammen! Also, ich arbeite nur Teilzeit, um nicht ganz den Kontakt zum normalen Leben zu verlieren. Es gibt meinem Leben eine gute Balance, wenn ich von Touren nach Hause komme. Ansonsten kommt man nach Hause und weiß nicht, was man mit seiner Zeit anfangen kann. Jetzt freue ich mich viel mehr, wenn ich wieder zu Hause bin, weil es noch etwas gibt, was mich antreibt. Und natürlich, weil ich meine Familien und Freunde wiedersehe, meine Freundin insbesondere.
Chris: Ich will gar nichts anderes, ich meine, hallo, ich arbeite nur zwei Stunden am Tag, was gibt es besseres?
[F]Und wie verbringt ihr dann den Rest des Tages, gerade so auf Tour?
[A]Kevin: Also ich muss da jetzt mal eines vorweg sagen: Auf dieser Tour ist es bisher sehr entspannt. Es gab noch keine größeren Streits und noch niemand ist von den anderen genervt. Das muss man ja auch mal sagen, denn schließlich ist es schon etwas anderes, ob man einfach nur rumhängt, oder ob man 24 Stunden am Tag für sechs Wochen aufeinander hockt. Im Bus lesen wir alle erstaunlich viel, nebenbei hören wir viel Musik und machen natürlich auch einfach viel Quatsch. Als ich alleine auf Tour war, bin ich auch einfach nur sehr viel rumgelaufen oder hab geschlafen, was auf dieser Tour auch passiert. Wir schlafen alle sehr gerne und viel. Als Tourist hat man es in Deutschland auch einfach, zumindest als Amerikaner, denn anders als ich, sind hier alle mehrsprachig oder sprechen zumindest noch Englisch, das heißt, ich kann hier einfach noch viel entdecken.
Mike: Ansonsten ist es sehr geil, mit so vielen unterschiedlichen Charakteren auf Tour zu sein, in einem kleinen Bus eingesperrt. Du erlebst die besten Sachen, wenn aus einem kompletten Fremden plötzlich ein Freund wird. Du lernst seine wunden Punkte kennen, und die Witze werden von Tag zu Tag besser, naja, sagen wir gemeiner oder persönlicher.
Amy: Ansonsten sind wir auch ein großer Freund des "Entweder-oder-Spiels". Du gibst jemandem zwei Möglichkeiten, so nach dem Motto Spears oder Aguilera und egal wie er antwortet, die anderen hacken immer auf dir rum, das ist ganz schön erheiternd.
Kevin: Das kann man einfach immer wieder machen, stundenlang, ebenso wie pokern.
[F]Ist das auch bei den größeren Shows bei dir so? Alles entspannt?
[A]Kevin: Vielleicht eine von zehn Shows ist eine größere in den Staaten, hier sind es eher noch weniger. Aber meine Stimmung ist eigentlich immer die gleiche, naja, also zumindest vom Ding her, natürlich fühle ich nicht jeden Tag gleich, das ist klar. Das Publikum ist bei den großen Shows auf jeden Fall nicht so wie bei den kleinen und die Promoter auf gar keinen Fall. Die kleinen Touren hier in Europa sind einfach eine großartige Erfahrung. Fast alle sind super nett und kümmern sich phantastisch um dich und deine Band. Außerdem kann man hier viel mehr von einer Verbundenheit sprechen, von der beide Seiten profitieren. In den USA passiert es oft, dass man als Support nur eine Tüte Chips und eine Flasche Wasser bekommt und direkt nach dem Konzert gehen muss oder nie Backstagezugang hatte. Das ist hier alles viel, viel besser. Man fühlt sich als Künstler viel erwünschter und geschätzter. Obwohl man natürlich auch gerne vor 2000 Menschen spielen möchte. Kleine Touren sind also kein Schritt zurück, sondern einfach ein gutes Gefühl.
[F]Ist es da nicht schwierig, vor einem großen Konzert die Setlist zu machen?
[A]Amy: Das ist für uns ganz toll, wir haben ein paar Sachen vor der Tour ausprobiert und aufgeschrieben, und um den Rest muss sich Kevin dann kümmern.
Kevin: Ja, das stimmt. Aber die Band kennt halt auch nicht jeden Song, den ich einmal geschrieben habe. Außerdem spielen wir in den Staaten unterschiedliche Sets, da die Alben doch unterschiedlich bekannt sind im Vergleich zu Europa. Aber im Grunde ist es immer wieder ein Riesenspaß, aus den eigenen Songs etwas Schlüssiges auszuwählen, sei es für 30 Minuten Support oder für ein vierstündiges Solo-Konzert. In den USA sind es eher die neueren Sachen, die wir spielen, in Europa auch ein paar alte Sachen, weil die Dinge hier besser bekannt sind. Ich kann meine Message aber auch in wenigen Songs rüberbringen, auch wenn nicht jeder sich um dich und deine Belange kümmert. Man kann die Welt eh nicht mit einem Song verändern.