Kein Zweifel, Hamburg war mal wieder heiß auf KETTCAR! Doch dass das Konzert überhaupt stattfand, hatte leider einen eher unschönen Hintergrund: Ein Freund der Band wurde im November im Rahmen der Castor-Proteste im Wendland schwer verletzt. Er befand sich in einem Baum nahe der Castor-Strecke, um friedlich mit einem Transparent gegen den Transport zu protestieren. Polizeibeamte setzten ohne Vorwarnung so massiv Reizgas gegen ihn ein, dass er die Kontrolle verlor, aus vier, fünf Metern Höhe vom Baum hinabstürzte und sich einen Wirbelbruch im Brustbereich zuzog. Die Jungs von KETTCAR fackelten daraufhin nicht lange und stellten dieses Benefiz-Konzert auf die Beine, mit dessen Erlösen der Betroffene beim Aufbringen anstehender Prozesskosten unterstützt werden soll. Weshalb es im Vorfeld hieß, dass das Kartenkontingent erschöpft sei, ist mir persönlich jedoch schleierhaft, denn an der Abendkasse des Uebel & Gefährlich gab es noch Karten zu erwerben. So sind wohl einige Leute ohne Karte direkt zu Hause geblieben, und das Konzert war letztendlich doch nicht ganz ausverkauft. Schade.
Die Anheizerrolle übernahm DAS WEETH EXPERIENCE, die allerdings keine wirklichen Begeisterungsstürme auslösen konnten. Ihr schwermütiger, Americana-beeinflusster Gitarrenrock und die Langatmigkeit vieler ihrer Stücke entlockte dem Publikum selten mehr als verhaltenen Höflichkeitsapplaus, und auch ich könnte mir den dargebotenen Sound zwar gut für nächtliche Autofahrten durch die Lichter der Großstadt vorstellen, fand die Band zur Einstimmung auf ein Indie-Pop-Konzert allerdings etwas deplatziert.
Nach einer kleinen Ansage, in der noch mal auf den unerfreulichen Anlass dieses Benefiz-Konzertes hingewiesen wurde, war dann die Bühne frei für KETTCAR, die mit Christian Hake (einigen bereits bekannt von HOME OF THE LAME) mittlerweile einen Nachfolger für ihren im Sommer ausgestiegenen Schlagzeuger Frank Tirado Rosales gefunden haben. Das Set bot zunächst keine großen Überraschungen und begann erwartungsgemäß mit „Deiche“, bevor mit Songs wie „Kein Außen mehr“, „Balkon gegenüber“ oder „48 Stunden“ die üblichen Verdächtigen folgten. Wie heißt es so schön: Zeig mir einen, der sagt, ein KETTCAR-Konzert sei nicht vorhersehbar, und ich zeig dir einen Lügner. Aber halt, was war denn das?! „Balu“ wurde entgegen der sonstigen Gewohnheit nicht als Rausschmeißer gespielt, sondern zur allgemeinen Überraschung in der vorderen Hälfte des Sets platziert. Die Begründung für diese Maßnahme lieferte Sänger Markus Wiebusch auch gleich mit: „Die Männer liefen bei dem Stück immer schon grummelnd raus, während die Frauen noch tanzen. Das liegt daran, dass alle Frauen Audrey Hepburn sein möchten, aber kein Mann will dieser verdammte Bär sein.“ Recht hat er. Neben weiteren Hits wie „Graceland“, „Landungsbrücken raus“ und „Money left to burn“ wurden auch zwei brandneue Stücke zum Besten gegeben, die schon mal reichlich Appetit auf das nächste Album machten. Nach 2+1 Zugaben und frenetischen Applaus war schließlich Feierabend und das Hamburger Publikum strömte raus in die kalte Nacht. Bis zum nächsten Mal, KETTCAR! Dann hoffentlich zu einem weniger ernsten Anlass.