Darüber, dass die aktuelle Flüchtlingssituation in Deutschland und dem Rest von Europa das am meisten prägende politische Thema der letzten Monate war, gibt es wohl keine zwei Meinungen. Und wenn man einmal die derzeit nahezu täglich stattfinden Brandanschläge, körperlichen Übergriffe auf Asylsuchende oder menschenverachtenden Kundgebungen von Pegida & Co. großzügig ausblendet, könnte man angesichts der aktuellen Nachrichtenlage beinahe denken, Deutschland hätte sein Herz für Flüchtlinge entdeckt: Til Schweiger phantasiert von privatfinanzierten Luxus-Flüchtlingsunterkünften, an Bahnhöfen werden Fluchtsuchende bejubelt als wären sie Filmstars, und die Bundeskanzlerin öffnet zumindest verbal die Tore der Bundesrepublik, wohlwissentlich, dass sie dabei den Unmut vieler ihrer Parteigenossen auf sich zieht. Doch wenn man einmal kritisch hinter die Fassaden dieses ganzen Spektakels guckt, sieht es ziemlich düster aus. Denn ohne die großartige Leistung derjenigen, die dieser Tage mit ehrlichem Engagement und selbstaufopfernden Einsatz hunderttausenden von Flüchtlingen eine Art unbürokratische Soforthilfe zukommen lassen, indem sie sie mit Lebensmitteln versorgen, ihnen einen vorübergehenden Schlafplatz anbieten oder sie auf sonst eine Art bei ihrer beschwerlichen Reise unterstützen, schmälern zu wollen, darf man auch nicht ignorieren, dass im Schatten all dieser Hilfsbereitschaft Fakten geschaffen werden, die das Recht auf Asyl nachhaltig zur Farce verkommen lassen. Die Liste an alarmierenden Beispielen ist lang: Staaten, in denen bestimmte Menschengruppen systematisch verfolgt und diskriminiert werden, werden zu sicheren Herkunftsländern deklariert; die EU-Außengrenzen werden zukünftig verstärkt abgeschottet wodurch die Flucht nach Europa noch lebensgefährlicher wird; mit Wiederaufnahme des "Dublin II"-Abkommens werden künftig zehntausende Flüchtlinge in Einreiseländer zurückgeschickt, die ihnen kein menschenwürdiges Leben bieten können oder wollen. All dies sind nur einige Beispiele erschreckender Maßnahmen, die von nachhaltiger Wirkung sind und durch eine noch so vorbildlich gelebte Willkommenskultur allein nicht verhindert werden können.
Umso wichtiger sind Organisationen und Netzwerke wie "Pro Asyl" oder "Kein Mensch ist illegal", die sich bereits seit Jahren in Form von Kampagnen für Asylsuchende und illegalisierte Migranten einsetzen und diesen Menschen eine politische Lobby bieten. Da diese Arbeit allerdings nur unter zu Hilfenahme finanzieller Mittel möglich ist, hat das Label "Unter Schafen Records" zahlreiche Künstler zusammengetrommelt, um die Arbeit dieser Organisationen in Form dieses Benefiz-Samplers finanziell und ideell zu unterstützen. So haben sich auf dieser 36 Lieder starken Doppel-CD zahlreiche Acts eingefunden, die die deutschsprachige Independet-Musikszene der letzten Jahre entscheidend geprägt haben. Namen wie FARIN URLAUB, KRAFTKLUB, MADSEN, JAN DELAY, TOCOTRONIC, DEICHKIND, THEES UHLMANN oder DIE GOLDENEN ZITRONEN bedürfen wohl keiner großen Vorstellung mehr. Ebenso wenig fehlen darf die Punkrock-Fraktion mit den DONOTS, TURBOSTAAT, PASCOW, LOVE A oder den BOXHAMSTERS, während CASPER, K.I.Z., MARTERIA oder FIVA die HipHop-Fahne hochhalten. Selbst Nuschelbacke HERBERT GRÖNEMEYER trägt mit "Feuerlicht" einen thematisch passenden Titel bei, was der medialen Aufmerksamkeit des Projektes mit Sicherheit dienlich ist. Unabhängig davon ist die Songauswahl dieser Compilation exzellent, und angesichts der Tatsache, dass 100% der Erlöse dieser CD als Spende an die beiden erwähnten Flüchtlingshilfe-Organisationen abgeführt werden, sollte die Kaufentscheidung eine leichte sein.
Links:
http://www.proasyl.de/
http://www.kmii-koeln.de/