Man liest das Presseinfo zu dieser Werkschau durch und merkt sofort, wie stolz das Bureau B ist, diesen renommierten Künstler in seinem Labelprogramm zu haben. Und das völlig zurecht, denn JIMI TENOR blickt auf eine lange und außergewöhnliche Karriere zurück. Ich selbst habe ihn bereits 1997 auf dem großen Roskilde-Festival in Dänemark gesehen, zehn Jahre später auf dem belgischen Dour-Festival, 2015 auf dem Elbjazz, und zuletzt konnte man ihn kurz vor der Corona-Zeit 2020 noch im alternativen Hamburger Westwerk live erleben. Im Januar 2021 wäre ein Auftritt im Großen Saal der Elbphilharmonie gefolgt – wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wäre…
Dabei beeindruckt nicht nur seine zeitliche Konstanz, sondern zugleich seine musikalische Vielseitigkeit, die sich auch an den unterschiedlichen Festivals und Clubs ablesen lässt, auf/in denen er bislang auftrat. Ist das Pop? Easy Listening? Minimal House? Afrobeats? Jazz? Oder doch eher Downtempo? Diese Variabilität drückt sich auch in den diversen Labels aus, auf denen er bislang veröffentlicht hat: Warp (Electro), Sähkö (Techno, Minimal House), Kitty-Yo (Indie) und zuletzt eben Bureau B (Indie) – alle sehr unterschiedlich, alle in ihrem Bereich sehr anerkannt.
Hier nun also ein neues Album auf Bureau B, doch ganz so „neu“ sind diese Stücke eigentlich gar nicht. Denn genaugenommen handelt es sich dabei um teilweise unveröffentlichtes Material aus den Jahren 1993 – 2000, das in den vergangenen Jahren sein Dasein in einem Tresor des damaligen Labels Warp Records fristete. Damit knöpft „Deep sound learning (1993 – 2000)“ nahtlos an TENORs letztjährige Veröffentlichung „NY, Hel, Barca“ an, die sich seinen frühen Jahren widmete.
Bereits nach dem Opener „Exotic house oft he beloved“ möchte man Bureau B zu dieser Veröffentlichung gratulieren und fragt sich zugleich, warum dieses Stück erst jetzt das Licht der Öffentlichkeit erblickt? Ein eher elektronisch anmutendes Stück, das eindeutig in der Clubkultur der frühen 2000er anzusiedeln ist, sich aber auch heute noch perfekt auf eine Dachterrasse in Lissabon mit einem Aperol Spritz in der Hand als Hintergrundmusik eignen würde. Ein Stück, für das der Begriff „zeitlos“ erschaffen worden sein muss. Doch auf Doppelalbumlänge gesehen gibt es hier natürlich auch experimentellere und weniger eingängige Tracks, die gelegentlich die Frage aufwerfen, ob man den Output der letzten sieben Jahre des vergangenen Jahrtausends nicht doch noch ein wenig mehr hätte extrahieren können. Oder aber, ob ein Teil der Tracks nicht grundlos die letzten zwanzig Jahre in einem Safe lag.
Wie dem auch sei – dass JIMI TENOR eine bedeutende Rolle in der Club-/Jazz-Szene der letzten ca. 20 Jahre spielt, steht außer Frage. Und dass Bureau B quasi retrospektiv noch mal seine Karriere beleuchtet, ist durchaus positiv zu bewerten.