2008, ein kalter Februar, eine Kirche in Köln-Mülheim. Wir sind mit dem Zug aus Münster angereist. Eine Menge Menschen – lange Holzbänke – Staub schwirrt – es ist kalt.
Sam Beam flüstert diesem unwirtlichen Ort Leben ein. Intimität von null auf hundert. Von Innen wird es warm und wohlig, erst ganz klein, dann immer größer. Perfekt harmonierende Musiker, ungezählt: es waren viele.
Dabei braucht Sam Beam gar nicht viel, um diese Stimmung zu erzeugen. Mit „Archive series volume 1“ liegen nun frühe Homerecordings vor, veröffentlicht auf dem eigenen Label Black Cricket Recordings. Es ist die erste Veröffentlichung auf Sam Beams Label. Die meisten Songs sind noch vor dem Debüt „The creek drank the cradle“ erschienen. Für den Hörer bedeutet dies eine Zeitreise, zurück zum 4-Spur-Gerät, Kassettenaufnahme. Lo-Fi, hier als Vinyl, mit Download-Code. Einige Songs wurden vor über 14 Jahren geschrieben. Das erinnert an frühe Lou Barlow, SENTRIDOH ohne Strom.
„Judgement“ könnte aber auch ein alter BON IVER-Song sein. Punk – wenn die Vergleichsgröße die Stille im Wald ist. Zwangsläufig ist die Inszenierung der Stücke spärlich: viel gehauchte Stimme, gezupfte, geschlagene, folk-bing-pling Gitarre, ab und an ein Banjo und eine zweite gehauchte Stimme. Vier Spuren eben.
„Eden“ erinnert an SIMON AND GARFUNKEL, sagt Mutter. Ich sage: BONNIE „PRINCE“ BILLY. Und das bei den Homerecordings deutlich mehr als bei den letzten IRON AND WINE- Alben. „Loretta“ erinnert an KRISTOFER ASTRÖM, als er noch neu in den ruhigen Tönen zu Hause war.
Sam Beam mag dramatische Worte:
„Spoke to a mother who`s baby drowned
gave me advice or a rumor she once heard
heaven`s a distance, not a place`“ („Two hungry blackbirds“)
Liebe und Glauben. Die Mysterien im Kleinen entdeckt:
„Let`s go buy some clothes
some wool socks for your toes
cause it might be much colder in the morning“ („Eden“)
Die Doppel-Vinyl kommt in schicker Aufmachung: außen reproduzierte Baumwollkunst mit bäuerlichen Motiven, innen Zeitungsschnipsel-Skribbel. 4×4 Lieder auf A, B, C und D, 62 Minuten. So muss Musik verpackt werden. Die Auswahl der Songs ist für närrische Sam Beam-Fans wohl nicht ganz neu. Das vorliegende Werk eignet sich aber auch für alle, die noch nicht den IRON AND WINE-Kosmos kennen – da werde ich ganz neidisch. IRON AND WINE entdecken, mit dieser Platte!
Und dann, auf dem Weg zum Bahnhof Deutz, haben wir wohl die falsche Bahn erwischt… sind eingeschlafen und aufgewacht im Königsforst. Neonlicht, ein gehauchtes „what the hell“… Sam, bist du das?