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Hurricane 2006 – Desert Sun und Unwetter

Zunächst einmal mein Dank an Mario Molotow, bzw. Beck’s für den Freipass. Und an den lieben Wettergott, der zumindest bis Sonntag Nachmittag für einen strahlend blauen Himmel, rote Arme und ein braunes Gesicht sorgte.
Aber kommen wir zum Festival: dem Hurricane. Das feierte nämlich sein zehntes Jubiläum, und wie auch zuletzt, war das Open Air in diesem Jahr bereits wieder im Vorfeld ausverkauft. Wer zukünftig nicht rechtzeitig zuschlagen sollte, dem sei aber gesagt, dass man sowohl vor Ort als auch kurz vor Beginn des Festivals über ein renommiertes Online-Auktionshaus noch Rest-Tickets ergattern kann. Nicht selten auch unter dem Verkaufspreis. Was fiel in diesem Jahr sonst noch besonders auf? Die Ticketzahl wurde zwar um 10.000 auf 50.000 Stück reduziert, der Platz war damit aber trotzdem richtig gut gefüllt. Schwarz-rot-gold war das Festival-Outfit Nummer 1 und toppte damit sogar noch die hauseigenen Hurricane-Shirts. Es waren viel weniger Asis da als in den letzten Jahren – möglich, dass es daran lag, dass als Headliner dieses Mal weder die TOTEN HOSEN, noch RAMMSTEIN oder die ÄRZTE da waren. Oder aber der Indie-Look von h&m macht aus ehemaligen Prolls plötzlich sympathisch aussehende Zeitgenossen. Zumindest optisch.
Eine gute Idee übrigens auch, dass die Basar- und Merch-Stände vom Festival-Gelände auf den Zeltplatz verbannt wurden. Ich kann mir vorstellen, dass dies den Händlern zwar weniger Umsatz bescherte, aber dafür musste man an den Getränkeständen eigentlich nie Schlange stehen. Was bei Temperaturen über 30°C ja durchaus von Vorteil sein kann. Das Crowd Surfen war 2006 erstmals verboten, und wenn ich das richtig beobachtet habe, wurde dies bis auf einzelne Ausnahmen auch vorbildlich eingehalten. Zum Schutze der anderen Gäste und zum Schutze des eigenen Festival-Bandes, das ansonsten nämlich für 24 Stunden eingezogen worden wäre.
Und was gab es sonst noch? Klar, eine Menge Musik. Neben vielen aktuellen Newcomern der Marke ARCTIC MONKEYS, THE KOOKS, THE RACONTEURS und HARD-FI, gab es mit THE HIVES, den EAGLES OF DEATH METAL, BLACKMAIL und anderen auch einige Bands, die bereits in den Jahren zuvor unter Beweis gestellt hatten, das sie wahrlich gut rocken können.
Am Freitag überzeugten mich vor allem MAXIMO PARK, deren Debüt-Album ich vor kurzem wieder entdeckt habe, und das mich seitdem kaum mehr loslässt. Das ist, wie ein zweites Mal mit derselben Frau zusammen zu kommen, alles für gut zu befinden, und sich zu fragen, warum man die Sache nach dem ersten Mal eigentlich beendet hat. Ist euch eigentlich schon mal aufgefallen, dass Paul Smith eine ähnliche Stimme hat wie der Sänger von DREDG? Echt wahr! Hört’s euch an, bevor ihr ein verächtliches „pfhhhh!!“ daherpfeift und mich als inkompetent bezeichnet. Auch gut waren die ARCTIC MONKEYS, die gar nicht so scheiße aussehen, wie die Presse es immer wieder behauptet und die gleichzeitig unter Beweis stellten, dass sie recht begnadete Musiker sind. Mit TOMTE war’S wie auf dem Immergut – auch wenn sie in diesem Jahr fast überall spielen, scheine ich sie trotzdem nie zu Gesicht zu bekommen. Ist aber gar keine Absicht! Dafür guckte ich mir ein wenig KLEE an, von denen ich eigentlich auch schon vorher wusste, dass sie mir überhaupt nicht gefallen. Maximal für WIR SIND die HELDEN am Sonntag-Fans geeignet. Und richtig, richtig fürchterlich waren in diesem Jahr: FETTES BROT! Weil die drei Nordlichter live einfach alles coverten, was bei drei nicht auf den Bäumen war. Bei den leicht zu begeisternden Fans sorgt so etwas natürlich sofort für Party-Stimmung, aber wenn ich minimal veränderte Hits der Achtziger und Neunziger hören möchte, dann schalte ich das Radio oder die Charts auf MTV an. Was ist euch aus Hamburger Jungs nur geworden? Bitte einen Schritt zurück!
Der Samstag ging dann schon recht früh los, als die GODS OF BLITZ bereits mittags eine der beiden Hauptbühnen enterten. Ein wenig überschwänglich zwar das Posing, aber nichts desto trotz sehr schmissig rockend das Songwriting der vier Berliner. Als ob man MAXIMO PARK und Kollegen mit einer Prise Glam-Rock vermengen würde. Kam auch gut beim Publikum an, das den Vorplatz schon ganz ordentlich füllte. Aber in den Iglu-Zelten war es wegen Sonneneinstrahlung ja auch bereits seit halb zehn nicht mehr aushaltbar. BOOZED zeigten im Zirkuszelt hingegen auf, was man falsch macht, wenn man einfach seine Vorbilder (GLUECIFER, THE BONES, …) kopiert. Da mangelt es entschieden an Eigenständigkeit, und wenn der Sänger zudem stimmlich noch etwas schwachbrüstig ist, kann man sich besser eines der tausend anderen Punkrock-Klone anhören. Schade!
Auch recht anstrengend war SKIN, alias Frontfrau von SKUNK ANANSIE, der man dringendst mal sagen sollte, dass sie viel höher singt, als sie eigentlich kann. Buah, da schaudert’s mir jetzt noch den Rücken runter! Und SKUNK ANANSIE vermisst heute doch eigentlich auch kaum noch jemand, oder?
EVERLAUNCH klangen danach wie eine Kopie von BLACKMAIL, vornehmlich, was den Gesang angeht. Ein vorbeilaufender Zuschauer murmelte noch etwas von „PLACEBO“, was da natürlich auch wieder gut passt, musikalisch allerdings eher in der Poppunk-Ecke zu Hause.
THE KOOKS, RACONTEURS und HARD-FI waren allesamt OK, wenn auch nicht weltbewegend, SMOKE BLOW bewährt auf die Fresse rockend, wobei Jack Letten im Vergleich zu früher fast zahm wirkte. Lag’s an dem kleinen ca. fünfjährigen Sohn (?) am Bass? Oder werden Sie etwa alt, Herr Letten? Ich bitte um Stellungnahme!
Im Anschluss daran NADA SURF, die zwar scheinbar auf ihr Überalbum „Let go“ festgenagelt werden (oder wie sonst ist es zu erklären, dass ihr Set auch nach vier Jahren fast ausschließlich aus Songs dieses Albums besteht?), aber worüber man sich als Fan natürlich nach wie vor sehr freut. Allerdings wurde den drei New Yorkern das unschöne Los zuteil, nur während der Halbzeit-Pause zwischen Deutschland-Schweden spielen zu dürfen, statt einer zugesagten vollen Stunde. Mir unverständlich, warum man das Spiel nicht einfach auf den Bildschirmen der Nachbarbühne übertrug oder zumindest den Kommentator weglassen konnte – zumal es auch noch eine riesige Leinwand auf dem Campingplatz gab. Ja, ja, die Deutschen scheinen mir während der WM alle nicht ganz zurechnungsfähig. Erst recht, wenn Alkohol und Sonne mit im Spiel sind.
Bei MANDO DIAO war ich erstaunt, wie viele Hits sie eigentlich haben. Ich dachte immer, ich kenne nur ein paar Stücke der Schweden, aber tatsächlich war es fast das komplette Set. THE HIVES sorgten, wie oben bereits angesprochen, wieder für eine Menge Rock-Feeling in der Magengrube und den Fäusten. Ihre Songs und Attitüde scheinen sich wirklich kaum abzunutzen, und auch THE STROKES gefielen mir ausgesprochen gut. Zum ersten Mal, dass ich sie live sah, und mit Ausnahme einer demolierten MTV-Kamera benahmen sich die Jungs um Julian Casablancas doch äußerst handzahm. Na ja, wer schon so ein Gespür für melodisches Songwriting hat, kann doch eigentlich auch nur lieb sein. Oder?
SIGUR ROS hätte ich zwar gern mal wieder gesehen, aber die Müdigkeit nach einem Tag lang Sonne und entsprechend viel Bier machte es einfach unmöglich, so beruhigenden Klängen zu folgen. Deshalb ab ins Zelt – Tag drei folgt schließlich noch.
Selbiger begann bereits wieder um 9:30. Und täglich grüßt das Murmeltier. Das Bier ließ ich heute besser beiseite, musste morgen schließlich wieder früh auf der Matte stehen. Und so war der Sonntag denn auch eher mau, was aber auch an den Bands lag, die an den vorigen Tagen einfach besser waren.
PETE BLUME waren noch fürchterlicher als ihr Name. Natürlich wieder eine dieser klassischen Band-Wettbewerb-Bands, wie konnte es auch anders sein? NuMetal ist ja schon schlimm, aber deutschsprachig macht die Sache gleich noch viel unerträglicher. Zudem ignorierten sie meine „Aufhören!“-Rufe. Unerhört!
Ein guter Tipp einer gutaussehenden Festival-Bekanntschaft dann jedoch: THE GOSSIP! Irgendwo zwischen Post-Punk, New Wave und die Wurzeln im Soul tischten die drei Amis eine wahrlich interessante Mischung auf, die sehr gut auf die anschließenden PRETTY GIRLS MAKE GRAVES einstimmte. Das einzige, was dem Trio fehlte, war eine Bass-Gitarre, die den Sound insgesamt doch etwas dichter gemacht hätte. Wobei der Schlagzeuger und Gitarrist ihren Instrumente sehr gute Ideen entlockten und der voluminöse Gesang der voluminösen Sängerin dem in nichts nachstand. PRETTY GIRLS passten danach wie die Faust auf’s Auge und spielten neben Material von „The new romance“ bereits einige neue Songs, die den Fans der letzten Platte ganz sicher gefallen dürfte. Neu dabei ist übrigens Leona Marrs an die Keyboards, die zuvor bereits bei der Seattler Post-Punk-Goth-Band HINT HINT mitwirkte.
Draußen waren PALE gut wie eh und je, während mir dEUS in der Großen Freiheit doch ein wenig mehr gefallen haben als heute Nachmittag. Nichtsdestotrotz eine großartige Band, die man sich nicht entgehen lassen sollte, da es kaum eine andere Band gibt, bei der Schönheit und Wahnsinn so dicht nebeneinander liegen.
A propos Wahnsinn: der Sänger der Südstaaten-Rocker EAGLES OF DEATH METAL schien diesmal seine repetitiven Ansagen über die weiblichen Fans zu den Akten gelegt zu haben. Vielleicht hat ihn jemand drauf hingewiesen, dass bei den Frauen nichts läuft, wenn man die Hobhuldigungen im Fünf-Minuten-Takt wiederholt. Allerdings habe ich sie auch nur eine Viertelstunde lang gesehen. Vielleicht kamen die Ansagen auch einfach später.
Denn wir wollten rüber zu BILLY TALENT, die nach ihrem allseits gelobten Debüt-Album erstmals Songs von ihrem Nachfolger präsentierten. Und ja, die Masse tobte, scheinbar war es also gar kein Fehler, sich nach dem Erstling genügend Zeit zu lassen, bis das zweite Album erschien. Und eigentlich schien allles wie eh und je: Sänger Benjamin Kowalewicz schrie sich wie immer die Seele aus dem Leib, Gitarrist Ian D’Sa trägt nach wie vor seine Pomade-gestärkte Elvis-Tolle, und auch sonst pendeln die vier Kanadier äußerst geschickt zwischen aggressiven und melodischen Parts. Eine Entspannung danach waren die CARDIGANS, auch optisch (Roland:“ Früher war sie süß, jetzt hat sie auch noch Stil“), und für mich war dies der geeignete Moment, das Festival ausklingen zu lassen. Als ob ich es geahnt hätte, dass ca. vier Stunden später ein wahres Unwetter über Scheeßel einbrach. Aber da lag ich schon frisch geduscht und ausgeruht in meinem stillen Kämmerlein.