Der Punkrocker-Alltag eines sogenannten „Erwachsenen“ ist mitunter weniger aufregend, als man sich das damals als Teenager noch ausgemalt hat. Anstelle von Vollrausch und Weltrevolution regieren Bürojob und Haushaltstätigkeiten (an diesem Abend standen die Beseitigung eines gigantischen Abwaschberges sowie die Reinigung des Badezimmers auf dem Programm) den Tagesablauf. Da freut man sich doch umso mehr, wenn am Abend noch ein Konzert ansteht, damit man immerhin noch ein bisschen seiner eigentlichen Berufung nachzukommen kann…
FAR FROM FINISHED hatten sich angekündigt, und die Bostoner Melodic-Streetpunk-Truppe lockte auch an einem Montagabend den einen oder anderen Besucher an die Hafenkante. Zunächst spielten sich jedoch THE SMALLTOWN ROCKETS durch ihren Support-Slot und wollten mit ihrem Punk´n´Roll-Sound stilistisch irgendwie nicht so ganz zum Headliner passen. Einen entsprechend schweren Stand hatten sie beim Publikum, denn trotz des ziemlich coolen weiblichen Backgroundgesanges fiel die Resonanz auf das Quartett in Form einiger Fußwipper und verhaltenem Applaus eher mäßig aus. Da half auch die Coverversion des THE TRASHMEN-Hits „Surfin´bird“ nicht. Und mal ehrlich, eine Bandvorstellung, bei der die beiden Gitarristen wild posierend ein Solo nach dem anderen runterwichsen, sollte man sich bei einer Punkrock-Show lieber verkneifen…
Nach einem kompletten Schlagzeugumbau und einem kurzen Line-Check begannen dann
FAR FROM FINISHED und zogen den Großteil des bislang eher reservierten Publikums direkt nach vorne an den Bühnenrand. Wer sich für die beiden Platten „East side of nowhere“ und „Living in the fallout“ der Bostoner begeistern kann, der dürfte live von der Formation geradezu hingerissen sein: Zum Sextett angewachsen lieferten sie unter dem zeitweisen Einsatz von drei Gitarren eine großartige Liveshow ab und verwandelten den Club binnen Sekunden in einen Hexenkessel. Hymnen wie „1849“ oder „Roses and razorblades“ wurden aus Dutzenden von Kehlen lauthals mitgesungen, und den Bandmitgliedern sah man deutlich an, wie sehr sie in ihrer Musik aufgehen. So endete der Abend für mich schließlich mit einer Joggingeinlage zur letzten S-Bahn und der Bestätigung, dass Boston nach wie vor eine der besten Adressen für hymnisch-melodischen Streetpunk ist.