ESCAPE ARTISTS aus Wien werden zu Recht oft mit den amerikanischen Hochglanzpoppern von PARAMORE verglichen. Beide Bands spielen auf den ersten Blick energiegeladenen female fronted „Punkrock“ mit griffigen Hooks und melodiösem Gesang. Und da haben wir auch schon den Salat. Ich finde nämlich, dass es eine Frechheit ist, diesen glattgebügelten US-Mainstreamradioschmalz als Punkrock zu verkaufen. Damit wird eine vielfältige und kritische Subkultur auf einen Streich all ihrer Inhalte beraubt, ausgesaugt und schließlich auch noch verhöhnt. Na ja, so ist das nunmal im alles verschlingenden postmodernen Kapitalismus. Schon etablierte oder gerade erst aufkeimende Jugendkulturen werden entkernt, ein allgemein verträgliches Konzentrat daraus gewinnbringend vermarktet und am Ende wird dadurch sogar die allgemeine Wahrnehmung soweit verschoben, dass auf einmal PARAMORE die Blaupause für „authentischen“ Punkrock und Gegenkultur im allgemeinen sind (ähm, stark vereinfacht ausgedrückt). Zum Glück muss da niemand zwangsweise mitmachen. ESCAPE ARTISTS allerdings spielen dieses Spiel artig mit und müssen sich deshalb auch an ihren großen Vorbildern messen lassen.
Eins kann man PARAMORE bei all der Kulturkritik jedenfalls nicht absprechen: absolute Professionalität. Die Songs sind griffig bis der Arzt kommt, die Refrains sitzen wie eine Eins, die Sounds der Gitarren sind wunderbar aufeinander abgestimmt und mit den passenden Effekten versehen. Einfach jedes Detail an dieser Band ist durchproduziert von Leuten, die davon Ahnung haben. Und über allem thront die Stimme einer Sängerin, die immer jeden Ton trifft und auf natürliche Weise mit so viel Ausdruck singt, dass es einem die Tränen in die Augen treibt.
Bei ESCAPE ARTISTS ist das leider anders. Die Refrains auf „Tales in tune“ sind schwach, die Songs haben keinen Biss, versinken in melodischer Punkrock-Mittelmäßigkeit, fordern keine Aufmerksamkeit ein. Dazu ist der ausdruckslos nölende Gesang der Sängerin so weit nach vorne gemischt, dass ich die Sounds der Instrumente gar nicht erst hören kann. Garniert wird das Ganze letztlich auch noch von diesen emotionslos technischen Screamo-Screams, wie man sie aus US-Produktionen kennt, und die man sich auf Youtube von gepiercten Emokids mit Standardfrisur erklären lassen kann. Für mich ist das Erschreckende daran, dass die Musik von ESCAPE ARTISTS bestimmt in einem gewissen Rahmen funktionieren und viele Anhänger finden wird. Zum Beispiel in Rocklinghausen, auf einer viel zu großen Bühne mit professioneller Lightshow und eigenem Lichtmischer! Dort, wo die Bands fünf Getränkemarken bekommen und ein Bier dreieinhalb Marken kostet.