Da sitz ich in der heimischen Küche mit einem Freund und einer Flasche Cognac, freu mich wie Bolle, mich gegen angeblich hunderte anderer Blueprint-Schreiber bei dem Vergabezuschlag der neuen TÜREN-Platte durchgesetzt zu haben (ich musste quasi meine Seele verkaufen und in die Hand versprechen „binnen kürzester Zeit“ zu rezensieren…), lege voller Enthusiasmus und Vorfreude „A-Z“ auf, nur um von besagtem Kumpel zu hören: „Argh, die neue TÜREN, können wir vielleicht was anderes hören?“ Nun gut, gemeinsamer Musikgeschmack war bei uns noch nie das bindende Element, aber nun war ich doch, gelinde gesagt, überrascht. Nachdem „Popo“ ungefähr zwei Jahr im CD-Küchenstapel (aka persönliche Highlights die immer wieder gespielt werden wollen) verweilen durfte, bat ich vor Hören des Nachfolgers (nun erst recht!) doch um Erläuterung dieses Affronts. Man könne diese „Sloganmusik“ vielmehr in einen Topf mit DEICHKIND werfen, nachdem diese fürchterlich geworden seien (es gab eine Zeit davor?), die Texte bestünden aus plakativen, nichtssagenden Phrasen, und künstlerisch wie musikalisch gäbe es nicht nur keine Relevanz, sondern auch keine Berechtigung. Normalerweise immer gern bereit, bei mit solcher Vehemenz vorgetragenen Überzeugungen pauschal das Gegenteil zu behaupten, drückte ich einfach Play und dachte, damit Argument genug vorzulegen. Nun gut, „Rentner und Studenten“ ist ein plakativer Slogan, aber ein recht eingängiger und der Song ein hübsches kleines Lied, welches bestimmt auf vielen Studentenpartys Gehör finden mag (okay, okay: Partys, auf die ich nicht gehen wollen würde und auf denen „Leider geil“ oder FRITTENBUDE davor oder danach laufen wird), aber immerhin eins zu null für „A-Z“, denke ich. So ist dann „Leben oder sterben“ leider tatsächlich eine scheinbar willkürliche Aneinanderreihung mehr oder weniger sinngebender Plattitüden: den Letzten beißen die Hunde/ Wer beißt den letzten Hund (mir doch schnurz)/ die Reichen sollen da sein, wenn man sie braucht (aha), den Rest hab ich schon wieder vergessen. „Was passiert“ klingt dann schon fast tiefgreifend: kein Gefühl ohne Kalkül/ bleibst du bei mir/ bleib ich bei dir/ ich zähle ich zahle/ ich zahle ich zähle/ Doch es bleibt immer ein Rest…Und das alles nicht so schlimm ist, so lang ich nur an den Sinn/die Liebe glaube, bezweifel ich mittlerweile schon, besser wird’s hier nämlich grad trotzdem nicht…
Die Platte ist vorbei, die Flasche halb geleert. Viele Passagen verbleiben zwar noch die nächsten Tage als Ohrwürmer („Ich will keinen Mindestlohn/ Ich will Mindestliebe“ (meine volle Zustimmung)), jedoch verbleibt festzustellen, dass trotz wirklich eingängiger Melodien und schmissiger Übergänge diese Platte kein großer Wurf ist. So werde ich das nächste Mal die Ellenbogen drin und einem anderen Schreiber den Vortritt lassen und darauf hoffen, dass ein wenig Lust an der Schrägheit und Sinn für eigenwillige kleine Geschichten zurückkehrt.