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BRACE/CHOIR – Musikalische Grenzen gibt es nicht

Neugier ist wichtiger als Intelligenz, habe ich mal gehört. Es hat was mit der Überlebensfähigkeit zu tun. Ich wurde neugierig am 05. August bei der LoFi Lounge im Schokoladen, wo BRACE/CHOIR aus Berlin das Hier und Jetzt in weite Ferne schickten.
Aber wer sind BRACE/CHOIR? Obwohl sie so wenig von sich nach außen tragen, wollten Alex Samuels, Dave Youssef und Max Gassmann meine Fragen beantworten. Wir saßen direkt an der Straße und hatten wegen der vorbeifahrenden Autos etwas Mühe, uns zu verstehen, auch gab es eine Wespenattacke und Anrufe von Christoph Adrian aus Norwegen, dem vierten Mann in der Band. Aber am Ende war ich sehr zufrieden und habe einiges über Kreativität und das Gute an "alter" Musik gelernt.

[F] Ihr lebt alle in Berlin, nur Adri ist hier aufgewachsen. Woher kommt ihr und seit wann seid ihr in Berlin?
[A] Dave: Ich komme aus Kalifornien, in der Nähe von L.A. und bin seit einem Jahr wieder in Berlin, habe aber schon vorher sechs Jahre hier gelebt.
Max: Ich komme aus Boston und bin seit 2002 in Berlin.
Alex: Ich komme auch aus Boston und kenne Max schon seit der dritten Klasse. In Berlin bin ich seit 2000.

[F] BRACE/CHOIR gibt es schon etwas länger, aber im Internet habe ich ziemlich wenig von euch gefunden. Nicht mal Fotos.
[A] Alex: Wir haben ein paar Fotos gemacht, aber die fanden wir nicht so gut. Es waren so typische Bandfotos. Darum sind auf unserer Seite jetzt andere Bilder, die uns einfach gefallen.

[F] Wie sind BRACE/CHOIR entstanden?
[A] Alex: Max und ich machen schon seit der High School Musik zusammen. Als Max 2002 nach Berlin kam, war klar, dass wir weitermachen wollen. Anfangs haben wir bei Max im Wohnzimmer mit einem Synthesizer ein paar Sachen aufgenommen, aber wir brauchten noch einen Bassisten. Dave kannten wir von Freunden, wir haben ihn gefragt, ob er mitmachen will und er hatte Lust.

[F] Wie ging es weiter?
[A] Alex: Anfangs haben wir noch ganz andere, vor allem schnellere Musik gemacht als heute. Sie verändert sich mit jedem, der dazu kommt. Insgesamt waren wir eigentlich drei oder vier verschiedene Bands. Wir hatten zwischendurch auch eine Saxophonistin und andere Bassisten. Wir vier spielen in dieser Kombination erst seit etwa einem Jahr zusammen.

[F] Wie kamt ihr auf die Idee, eure Instrumente zu tauschen?
[A] Als Dave zwischendurch nicht in Berlin war, kam Adri dazu, war dann aber auch wieder weg aus Berlin. Da waren Max und ich eine Zeitlang nur zu zweit. Was aber sehr gut war, weil wir dadurch Zeit zum Songschreiben hatten.
In der Zeit fingen wir auch an, die Instrumente zu tauschen. Ich wollte bei einem Stück unbedingt Schlagzeug spielen. Durch meine dilettantischen Versuche war Max total verwirrt. Wir hatten plötzlich beide Schwierigkeiten und haben ab da immer wieder gewechselt.
Max: Das Wechseln der Instrumente ist sehr wichtig für das Songschreiben geworden. Wir können unsere Möglichkeiten entdecken und kommen auf neue Ideen.
Alex: Es ist auch eine Art Entfremdung, wenn man auf einem anderen Instrument spielt. Der Saxophonist Ornette Coleman hat plötzlich angefangen, Geige zu spielen, was nach anfänglichen Schwierigkeiten sehr gut war. Bei uns ist es ähnlich. Ich spiele Orgel oder Schlagzeug einfach anders als jemand, der daran ausgebildet ist.

[F] Also fördern die Grenzen, an die ihr stoßt, eure Kreativität?
[A] Alex: Meine Möglichkeiten sind begrenzt an fremden Instrumenten, aber musikalische Grenzen gibt es nicht. Und wir können uns trotzdem gut aufeinander einstellen. Vor allem, weil Max und ich uns so lange kennen und sehr eingespielt sind.

[F] Gibt es Vorbilder für den Instrumentenwechsel?
[A] Alex: Nein, aber es gibt einige Bands, die auch die Instrumente tauschen.

[F] Wie sieht es mit musikalischen Einflüssen aus?
[A] Max: Neuere Musik höre ich eigentlich kaum, eher alte Sachen.
Alex: Es gibt aber ein paar Bands, die heute noch ihre schönsten Platten rausbringen und die wir alle mögen, z.B. EARTH.
Dave/ Max: Ja!

[F] Ich habe mich bei eurem Konzert im Schokoladen an CAN und die Krautrockszene erinnert.
[A] Max: Als wir 1998 von Boston wegzogen, gab es einige Bands, die von Krautrock beeinflusst waren. Es ist halt eine "geduldsame" Musik. Aber diese Beharrlichkeit gibt es überall – von GEORGE HARRISON und WIPERS zu DREAM SYNDICATE, und SLEEP usw. Es gab oder gibt zwar nicht so übermäßig viele gute deutsche Bands, aber die paar Dutzend guten sind sehr, sehr gut gewesen.

[F] Ich höre in eurer Musik auch folkige und poppigere Elemente à la KANTE instrumental. Außerdem seid ihr oft sehr minimalistisch, gar nicht hart und bombastisch.
[A] Alex: Für mich gibt es eine Art Ursprache des Rock, sowohl in den Texten als auch in der Schreibweise der Stücke. Die findet man in der Musik der 50er Jahre genauso wieder wie im Jazz. Ich versuche immer, darauf Bezug zu nehmen. Das ist sehr wichtig für mich.

[F] Gibt es eine Musikszene oder einen Trend, der/ dem ihr euch zuordnen würdet?
[A] Alex: Wir haben keine Ahnung von irgendwelchen Trends und achten nicht auf neue Bands. In Berlin gibt es auch komischerweise nur wenig gute Musik. Es gibt gute elektronische Musik, ja, und viele Szenen, mit denen wir interagieren, aber wir gehören nicht dazu.

[F] Ich habe gehört, dass bald euer erstes Album rauskommt.
[A] Alex: Ja, es wird noch dieses Jahr eine EP geben. Wir haben jetzt das erste Mal unsere Stücke im Studio aufgenommen, mit Malte Pott, einem Freund und Mitbesitzer des NormalBias Studios in Berlin-Mitte – im Tausch gegen zwei schöne Mikrofonvorverstärker. Früher haben wir immer darauf bestanden, uns selbst aufzunehmen. Eigentlich wollten wir im Studio nur ein Stück aufnehmen, aber als das Studio das Stück online gestellt hat, gab es sehr gute Resonanz und Tour-Anfragen aus England. Also haben wir noch ein paar Stücke mehr eingespielt.

[F] Wie sieht es mit einem Label aus? Wollt ihr das überhaupt?
[A] Max: Natürlich – es gibt ein paar Anfragen, aber wir sehen uns erst ein bisschen um. Es ist keine so leichte Entscheidung.

[F] Wo seht ihr euch in der Zukunft?
[A] Max: Ich will unbedingt Musik machen und diese Band professionell weiterbringen. Ich arbeite so lange daran, bis ich von der Musik leben kann. In Berlin ist das schwierig, da man oft niedrige Gagen bekommt.

[F] Ihr glaubt also an eine Zukunft mit BRACE/CHOIR?
[A] Alex: Selbstverständlich! Es gibt eine große Zukunft.

http://www.myspace.com/bracechoir