Am vergangenen Mittwoch spielten BRACE/ CHOIR im Schokoladen Mitte.
Es macht gar nichts, dass jetzt keine Alarmglocken schellen (etwa: Juhu, BRACE/CHOIR spielen endlich wieder!). Denn jeden erst9n und dritten Mittwoch ist LoFi Lounge im Schokoladen, da spielen im Normalfall drei Bands, und man kennt sie meistens nicht. Oft entdeckt man sie aber dort und freut sich über dieses spontane Glück. Wie auch dieses Mal.
Nach dem ersten Act steht das Publikum zusammengedrängt im engen Raum. Trotz des Rauchverbots ist es stickig und heiß. Der Weg zur Bar ist beschwerlich, man tritt vielen Menschen auf die Füße und erntet dafür böse Blicke.
Auf der Bühne stehen nun vier junge Männer mit Orgel, Schlagzeug, Bässen und Gitarren. Das erste Stück fällt im allgemeinen Gedränge kaum auf. Aufmerksam auf sich macht die Band erst beim zweiten Stück, als auf der Bühne mir nichts dir nichts die Instrumente getauscht werden. Der Organist sitzt am Schlagzeug, der Schlagzeuger singt und der Bassist spielt Orgel.. – oder ist es der Gitarrist, der jetzt am Schlagzeug sitzt? Die Band spielt los, als wäre nichts geschehen. Von dieser multiplen Rochade noch überrascht, wird das Publikum auf eine seltsam berückende Reise geschickt. Mit gleichförmigem Rhythmus und Wiederholungen bilden BRACE/CHOIR musikalische Kreisel, in denen im wahrsten Sinne Gleichberechtigung geübt wird. Sie schaffen es, aus der einfachen Struktur ihrer Stücke experimentelle Mantras zu weben. Der stickige Raum des Schokoladens wird katapultiert in Krautrockzeiten, zu den legendären CAN, psychedelische Schleifen inklusive, und wieder in die Gegenwart, wo MOTORPSYCHO, SONIC YOUTH oder die Instrumentalstücke von KANTE anklingen. So geht es fort, der letzte Takt eines Stücks ist gespielt, es werden Gurte und Sticks abgelegt, es wird eine Flasche herum gereicht und man positioniert sich neu, ohne alle Starallüren. Das Publikum ruft nach mehr, vereinzelt sieht man wippende Gestalten, deren Bewusstsein Berlin scheinbar bereits verlassen hat.
Aber als BRACE/CHOIR die letzten Takte im Chor singen, wird es mit einem Mal folkiger Spätsommer im Raum, und wir befinden uns wieder im Jahr 2009, mitten in Berlin, mitten in der Woche. Es bleibt das rätselhafte Erlebnis einer Zeitreise.