Eines ist schon mal klar: Die Hamburger Fans von BOYSETSFIRE können sich aktuell nicht über eine mangelnde Präsenz ihrer Lieblinge beklagen! Denn erst im vergangenen Jahr haben die Post-Hardcore-Heroen an drei aufeinanderfolgenden Abenden jeweils getrennt voneinander ihre Alben „After the eulogy“, „Tomorrow come today“ & „The misery index“ komplett durchgespielt, dazu gab es noch ein exklusives Akustik-Set im familiären Rahmen. Und dieses Jahr geht es munter weiter, denn erst vor wenigen Wochen war Frontmann Nathan Gray im Rahmen seines Solo-Projektes in der Hansestadt zu Gast, und nun stattete die Band auch noch dem Docks einen Besuch ab, um ihr neues, selbstbetiteltes Album vorzustellen.
Bevor es zum Wiedersehen mit der sympathischen Truppe aus Newark kam, stand jedoch erst einmal ein anderes altbekanntes Gesicht auf der Bühne. Personenbeschreibung: Ausgefranste Army-Short und Dreadlocks bis zum Allerwertesten. Richtig: STRIKE ANYWHERE-Frontmann Thomas Barnett konnte mit seiner neuen Band GREAT COLLAPSE als Opener verpflichtet werden. An den Instrumenten tummeln sich bei dieser Formation zudem Gitarrist Chris Chasse (RISE AGAINST), Bassist Joe Saucedo (SET YOUR GOALS) und Drummer Todd Henning (DEATH BY STEREO), so dass die oft bemühte Floskel einer Punkrock-Supergroup in diesem Fall sogar berechtigt ist. Die Marschrichtung von GREAT COLLAPSE dürfte somit klar sein: Zu hören gab es erwartungsgemäß melodischen Hardcore-Punk mit reichlich Gitarren-Oktaven und natürlich Barnetts unverwechselbarem Gesang. Zwar wirkte die Band gerade am Anfang vor dem zu diesem Zeitpunkt nur halbgefüllten Zuschauersaal ein wenig verloren, unterm Strich lieferte sie aber einen durchaus überzeugenden Auftritt ab.
So richtig Stimmung in die Bude kam allerdings erst zu SILVERSTEIN, der zweiten Support-Band des Abends. Ich persönlich kann mit den Alben der Kanadier nicht allzu viel anfangen, da mir ihr Emocore mit Metal-Anleihen dort irgendwie zu steril wirkt. Live hingegen brennen sie zugegebenermaßen ein ziemliches Feuerwerk ab. Hier kommt das Wechselspiel aus brachialen Gitarrenwänden und poppig-melodischen Gesang besonders intensiv rüber, und auch die Publikumsreaktionen sprachen für sich. Die aus hunderten Kehlen mitgesungene Hymne „My heroin“ bildete somit nicht nur den Abschluss, sondern zugleich auch den emotionalen Höhepunkt des SILVERSTEIN-Auftrittes.
Irgendwo scheint es einen Paragraphen im Musikgesetzbuch zu geben, der vorschreibt, dass der Opener eines neuen Albums zugleich auch als erstes Lied der dazugehörigen Konzerte herhalten muss. BOYSETSFIRE machen diesbezüglich offenbar keine Ausnahme und eröffneten demzufolge mit dem brandneuen Song „Savage blood“, der mangels Bekanntheitsgrad noch ein wenig schüchtern zur Kenntnis genommen wurde. Dass änderte sich jedoch schlagartig, als das darauf folgende „Requiem“ den bewährten BOYSETSFIRE-Hitreigen los trat. Abgesehen davon kamen vom neuen Album noch „Cutting room floor“ und die Single-Auskopplung „One match“ zum Zuge, während Verfechter der alten Werke mit „Cavity“ von der „Chrysalis“-EP zufrieden gestellt wurden. Ganz so glatt wie gewünscht ging der Abend dann allerdings doch nicht über die Bühne, denn Sänger Nathan Gray litt bereits am ersten Tourtag unter massiven Halsbeschwerden und pfiff spätestens zur Hälfte des Sets aus dem sprichwörtlichen letzten Loch. Doch warum nicht aus der Not eine Tugend machen: So wurde der Gesang im Intro-Teil von „Walk astray“ komplett vom Publikum übernommen, was für eine unbeschreibliche Gänsehautatmosphäre sorgte. Von diesem Moment beflügelt hielten Frontmann und Band immerhin noch eine ganze Weile durch, bis nach den obligatorischen Hits „Rookie“ und „Empire“ dann endgültig die Segel gestrichen wurden. Dafür, dass der Zugabenblock angesichts des gesundheitlichen Zustandes von Nathan ausfiel, hatte wohl jeder der Anwesenden Verständnis. In diesem Sinne: Gute Besserung & hoffentlich bis bald!