Ich erinnere mich noch genau an mein erstes BAMBIX-Konzert – vor allem daran, dass ich mich an den Auftritt der niederländischen Punkrock-Institution an sich überhaupt nicht mehr erinnern kann. Man schrieb das Jahr 1998, und damals spielte die Band zusammen mit den Berufsalkoholikern KNOCHENFABRIK und den späteren Teenie-Punk-Helden WOHLSTANDSKINDER im Hamburger Molotow, und ich war als enthusiastischer Jung-Punk selbstverständlich mit dabei. Spätestens, als ich beim KNOCHENFABRIK-Auftritt schwer angeschlagen auf die Bühne getorkelt bin und eigenmächtig den Backgroundgesang übernommen habe (und mich noch gewundert habe, wieso der Gesang aus der Monitorbox so schief klingt), war eigentlich klar, dass der Abend kein gutes Ende nehmen würde. Den Headliner-Slot von BAMBIX erlebte ich dann Berichten zufolge schlafend auf einem Plastikstuhl, den ich irgendwo aufgetrieben und zwei Meter vor der Bühne platziert habe, bevor ich pünktlich zum Zugabenteil den Spielbudenplatz unter dem Applaus zahlreicher Augenzeugen mit Erbrochenem dekorierte.
Aber vergessen wir diesen unrühmlichen Zwischenfall aus meiner Jugend und kommen zurück zur Gegenwart: Die Paarung Niederlande vs. Brasilien gilt nicht nur unter Fußballfans als außerordentlicher Leckerbissen, sondern funktioniert auch beim Punkrock ausgezeichnet, so dass BAMBIX diesmal mit den Brasilianern von AGROTOXICO auf Tingeltour durch Deutschlands Punkrockclubs waren. Das Quartett vom Zuckerhut ist für seinen schnellen, aggressiven und auf den Punkt gebrachten Hardcore-Punk bekannt, und wer die Jungs mal live gesehen hat, der kann sich gut vorstellen, weshalb die Band in ihrer Heimat zu den populärsten Untergrund-Bands des Landes gehört. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten hatten AGROTOXICO das Publikum in den saunaartigen Räumlichkeiten der Lobusch schnell im Griff und trieben im Laufe des Sets immer mehr Menschen in den Pogo-Halbkreis vor der Bühne.
Nach einer wohltuenden Verschnaufpause an der frischen Luft gingen dann BAMBIX deutlich melodischer, doch genauso mitreißend wie ihre Vorgänger zu Werke. Die Niederländer gehören zu der Sorte von Bands, bei denen einem eigentlich erst bei einem Konzert bewusst wird, wie viele großartige Songs sie tatsächlich in ihrem Repertoire haben. Mit Ausnahme ihres zugegebenermaßen etwas unscheinbaren ersten Albums haben die Käseköppe bei der Songauswahl alle ihre veröffentlichten Longplayer berücksichtigt, und neben abgefeierten Hits wie „Conquer it all“, „Julie“ oder „Fundamentalist“ wurde sogar der eher selten gehörte Song „Sense and sensabullity“ von der Split-EP mit SKIN OF TEARS ins Programm eingestreut. Da störte es auch nicht weiter, dass die sympathische Frontfrau Willia van Houdt vor dem Auftritt offensichtlich ein Bierchen zuviel inhaliert hat und neben zwei verpatzten Einsätzen dadurch auffiel, dass sie sich nach einem Saitenriss zwar eine andere Gitarre umgehängt hatte, jedoch das Gitarrenkabel in der alten Klampfe stecken ließ. Aber was soll´s, es gibt peinlichere Situationen – zum Beispiel, ein Konzert schlafend auf einem Plastikstuhl vor der Bühne zu verbringen.