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ANGRY YOUTH ELITE – The Ruhrcoast strikes back!

Obwohl der Name ANGRY YOUTH ELITE erst seit einigen Monaten durchs Internet geistert, handelt es sich bei dem Trio im Grunde genommen um keine wirklich neue Band. Immerhin waren die Jungs schon in gleicher Besetzung als PHONEY 14 am Start und haben als solche über viele Jahre Spuren in der Melodic-Punk-Szene des Ruhrgebietes und darüber hinaus hinterlassen. Zugleich haben sie sich aber auch musikalisch weiterentwickelt und klingen auf ihrem am 25. Mai 2018 erschienenen Album „Ready! Set! No!“ zwar immer noch melodisch, aber zugleich auch weniger poppig als zu früheren Zeiten. Vielmehr hört man Liedern wie „Pissed“ oder dem Titeltrack inzwischen einen klaren Hardcore-Einschlag an. Andere Stücke wie „Strong company“ oder „Again & again“ schielen eher in Richtung Streetpunk, und nicht zuletzt der unerwartete Reggae-Einschlag in „A rebel song?“ ist ein klares Indiz dafür, dass sich ANGRY YOUTH ELITE nicht mehr so ohne weiteres in eine Schublade stecken lassen. Gesprächsstoff für ein Interview ist also definitiv vorhanden, weswegen wir Frontmann Charly einen kleinen Fragekatalog zukommen ließen.

Hey Charly! Erstmal herzlichen Glückwunsch zu eurem Album, welches mir übrigens sehr gut gefällt. Zu allererst aber eine Frage, die mir besonders unter den Nägeln brennt: Weshalb habt ihr euch nach all den Jahren von PHONEY 14 in ANGRY YOUTH ELITE umbenannt, obwohl ihr in der heutigen Besetzung bereits unter dem alten Namen aktiv wart und einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hattet?
Moin, herzlichen Dank. Wir sind auch wirkliche verdammt stolz drauf und sehr glücklich damit. Bei der Gesamtspieldauer wäre noch Luft nach oben 😉
Leider müssen wir dich bei deiner ersten Frage enttäuschen, denn dazu gibt es gar nichts zu erzählen. P14 wollen wir hinter uns lassen, und mit ANGRY YOUTH ELITE nach vorne blicken. Und das schaut bisher ganz spannend aus.

Um noch ein wenig auf der neuen Namensgebung herumzureiten: ANGRY YOUTH ELITE offeriert ja, platt übersetzt, dass man es bei euch mit der Speerspitze der wütenden Jugendlichen zu tun hat. Abgesehen davon, dass ihr ja nicht mehr so ganz jung seid und das letzte Mal, als ihr beim Bier kaufen nach dem Perso gefragt wurdet, bestimmt ein paar Jährchen zurückliegt – was genau sind die Dinge, die euch im Zusammenhang mit unserer Gesellschaft besonders wütend machen?
Nun, der Bandname beruht tatsächlich auf dem LAGWAGON-Song „Angry days“, der für uns alle ein Hit ist und zum Soundtrack unserer Jugend dazugehört. Aber tatsächlich sind wir bei manchen Themen durchaus „angry“ und behandeln textlich den Wahnsinn unserer schnelllebigen Zeit, Unterdrückung, dieses sinnlose Aufraffen für eine fremdbestimmte Routine. Insbesondere ist uns die Entwicklung der rechten Szene in Deutschland ein gewaltiger Dorn im Auge, weshalb wir auch die Initiative „Faust hoch gegen die AFD“ supporten.

Abgesehen vom Namen hat bei euch auch eine gewisse musikalische Entwicklung stattgefunden. Neben typischem 90er-Jahre-Skatepunk kann man auf „Ready! Set! No!“ auch deutliche Streetpunk-Einflüsse vernehmen, und die Schriftart eures Bandlogos erinnert bestimmt nicht zufällig an die Hardcore-Helden von BLACK FLAG. Wie kam die Erweiterung eures Sound-Spektrums zustande? War dies ein bewusster Prozess, oder hat es sich eher zufällig ergeben?
Beim Schreiben der Songs hat sich das so ergeben. Diese Richtung wieder zurück dahin, wo wir musikalisch herkommen. Die Scheibe klingt wie ein Mixtape aus den neunziger Jahren. Hinter dem Ganzen steckt definitiv kein Masterplan. Nur drei Freunde, die sich schon ein halbes Leben kennen, die Family, Beruf und Band zusammenbringen wollen und einfach eine gute Zeit haben wollen. Wer will das nicht?

Das Album wurde im legendären Blasting Room Studio gemastert, das nicht nur als Homebase der DESCENDENTS gilt, sondern das auch weltbekannten Bands wie RISE AGAINST, GOOD RIDDANCE, NOFX oder THE ATARIS zu einem amtlichen Sound verholfen hat. Das hat sicherlich den einen oder anderen zusätzlichen Taler gekostet… Was habt ihr euch von der Zusammenarbeit mit dem Blasting Room bzw. Jason Livermore versprochen, und wie zufrieden seid ihr mit dem Ergebnis?
Die Platte ist mit Jörg Siegeler an den Reglern entstanden, er hat natürlich auch enorm dazu beigetragen, dass das Teil so klingt wie es klingt. Der Jörg hatte das ganze Teil schon so geil dahin gemetert, dass wir schon zufrieden waren. Jörg meinte aber, dass da beim Mastering noch mehr geht, und somit kam die Idee auf, ein Testmaster im Blasting Room zu machen. Wir haben die Jungs einfach angeschrieben und drei Song rübergeschickt. Nach einer kurzen Zeit kam ein Testmaster zu „Keep moving on“ zurück, und nach zwei Schleifen war der erste Song da und wir total happy. Die Leistung hat den Ausschlag gegeben, und wir haben das Album dahin gegeben. Natürlich war es total krass mit unseren musikalischen Helden über unsere Musik zu quatschen und für die kurze Zeit des Masterings zusammenzuarbeiten. Auch ohne den Faktor, dass es bekannte Leute sind, haben die Jungs aus Fort Collins unser Album einfach nochmals gepushed und zu einer Einheit zusammengeschweißt. Das war die absolut richtige Entscheidung. Wir sind sehr glücklich damit.

Zu dem Stück „Ready! Set! No!“ habt ihr ein ziemlich cooles Lyric-Video veröffentlicht, bei der eine Gebärden-Dolmetscherin den Text in Gebärdensprache übersetzt. Wie kamt ihr auf diese Idee, und wie findet man eine Person, die der Gebärdensprache mächtig ist und bereit ist, bei so einem Video mitzuwirken?
Ja, das Video ist auch für uns noch was ganz Besonderes. Die Idee dazu kam bei der „Sendung mit der Maus“, welche Markus mit seinen Kids in Gebärdensprache geschaut hatte. In dem Song „Ready! Set! No!“ geht es um unsere Leistungsgesellschaft und den ganzen Druck und die ätzenden Nebenwirkungen, denen wir uns alle tagtäglich aussetzen. Gerade in diesem Kontext drängte sich die Idee mit der Sprache, der vermeintlich Gehandicapten, total auf. Wir haben rumtelefoniert und dann in Kathleen eine Dolmetscherin gefunden, die uns beraten hat. Wir wollten es erst mit einem „Native Speaker“ drehen, haben es aber dann mit Kathleen selbst umgesetzt. Wir haben sogar schon mal darüber gesprochen, ob wir sowas nicht live umsetzen.

Überhaupt scheint ihr recht videoaffin zu sein, denn neben dem erwähnten „Ready! Set! No!“ findet man auch noch drei weitere offizielle Videos zu den Songs „Pissed“, „No matter, who cares?“ und „Again & again“ bei Youtube. Wohlgemerkt sind alle Videos schon vor dem Erscheinen des Albums veröffentlicht worden! Welchen Stellenwert haben Musikvideos aus eurer Sicht heutzutage für Bands? Und seht ihr auf der anderen Seite die Gefahr, dass Videos irgendwann kaum noch Beachtung finden, weil mittlerweile jede noch so durchschnittliche Band inzwischen mit relativ einfachen Mitteln Videoclips produzieren kann und davon inflationär Gebrauch macht?
In erster Linie machen wir das, worauf wir Bock haben, und versuchen, alles DIY umzusetzen. So auch mit unseren Videos. Wir hatten Lust und Zeit, Videos zu den Songs zu machen, und es hat Sinn gemacht, diese schon rauszuhauen. Wir haben auch gemerkt, dass man in unserer schnelllebigen Welt mit Musik alleine nicht mehr so viele Beachtung findet, und da sind die Videos einfach ein gutes Mittel. Das ist natürlich immer mit viel Arbeit und Aufwand verbunden, aber am Ende macht es Spaß, das fertige Endprodukt zu sehen, und man bekommt ja auch schnelles Feedback via facebook, youtube, etc. Und ja, wir finden es gut, dass jede Band mit einfachen Mittel sowohl ihre musikalischen als auch visuellen Ideen schnell und einfach selbst umsetzen kann. Für uns ist es aber total egal, ob das Video in Ultra4KHD gedreht wurde. Die Message und Idee muss stimmen.

Abschließend nochmal zurück zur Anfangsfrage dieses Interviews: Um PHONEY 14 war es ja in den letzten Jahren etwas ruhiger geworden, und es gab nur noch vereinzelte Phasen, in denen man noch was von euch mitbekommen hat. Bedeutet der Quasi-Neuanfang zugleich, dass ihr unter ANGRY YOUTH ELITE jetzt wieder mehr Konstanz und Präsenz zeigt? Wie sieht euer Masterplan für die nähere Zukunft aus?
Wir wollen auf jeden Fall vermehrt live spielen, müssen das allerdings in Einklang mit Jobs und Familys bringen. Ist nicht immer ganz einfach, doch bisher gelingt das ganz gut. Das bisherige Feedback spornt uns natürlich an. Darüber hinaus arbeiten wir gerade an neuem Material für die nächste Scheibe. Es tut sich also einiges im AYE-Camp.

http://www.angryyouthelite.com

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.