Diesen Satz aus dem Infoschreiben muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen: „Das Album verbindet in noch nicht dagewesener innovativer Weise Quantenphysik, Astronomie und Kot“. Sieh an, sieh an. DIE KASSIERER machen pünktlich zu ihrem 25jährigen Bandjubiläum (Glückwunsch dazu!) einen auf intillig… äh… intelleg… äh… – schlau! Vorbei die Zeiten von „Anarchie und Alkohol“, ab sofort zeigen sich die Herrschaften aus Wattenscheid von einer neuen, zivilisierten, ja geradezu avantgardistischen Seite.
Der Versuch, sich in gehobenen Kreisen zu etablieren, beginnt bereits mit der Auswahl der musikalischen Inspirationsquellen. Die KASSIERER sind offensichtlich bemüht, sich aus dem imageschädigenden Dunstkreis schnodderiger Asi-Punkbands wie beispielsweise den LOKALMATADOREN zu lösen, indem sie musikalisch weitaus ehernen Vorbildern huldigen: So wird mit „Was für ein Ticker ist ein Politiker“ nicht nur ein weiteres Mal ein Werk des österreichischen Kabarettisten Georg Kreisler gewürdigt (auch wenn dem gemeinen Bahnhofspunk unter dem Stichwort „österreichischer Kabarettist“ wahrscheinlich als erstes Adolf Hitler einfällt…), sondern auch der Klassiker „Weihnachtsbäckerei“ von Rolf Zukowski wird im Handumdrehen zur handfesten „Wirtshausschlägerei“, und eine Neuvertonung des Stückes „Das Lied der Pennbrüder“ aus der Feder des in den 20er Jahren schwer angesagten Tenors Harry Steier deutet darauf hin, dass eines der Bandmitglieder mal wieder Omas alte Schellackplatten-Sammlung durchforstet hat.
Des Weiteren überrascht Sänger Wölfi in dem Ska-Kracher „Ich war ein Spinner“ mit einer ungemein selbstkritischen Reflektion hinsichtlich seines bisherigen Lebenswandels. Doch damit ist ja nun wie eingangs erwähnt zum Glück Schluss! Ab sofort wird sich in den Texten vornehmlich den Naturwissenschaften, allen voran der Physik, gewidmet. So feiert man lieber Max Planck und die Quantenphysik, referiert über die Halbwertzeit von Fäkalien, stößt auf die Schönheit des Universums an, weist geradezu fürsorglich auf die Gefahren beim Teleportieren hin und sinniert im unbekleideten Zustand über Radioaktivität.
Zugegeben, die KASSIERER können auf „Physik“ ihr altes Ego nicht vollständig verbergen. Immer wieder schimmern in ihren Liedern dezente Hinweise auf ihr früheres Proleten-Daseins durch, wie etwa in den Titeln „Ich fick dich durch die ganze Wohnung“ oder dem lebensfrohen „Verliebt in Whiskey, Bier und Wein“. Aber wenn ihr mich fragt, ist das schon okay: Physiker sind ja bekanntlich auch nur Menschen.