Als mir vor einiger Zeit ein Flyer in die Hände fiel, auf dem verkündet wurde, dass DRITTE WAHL in der Villa in Wedel spielen, war mir sofort klar, dass ich dort hin muss. Denn schließlich verbinde ich sowohl mit der Band, als auch mit der besagten Location tonnenweise Erinnerungen: Die Rostocker Punk-Institution gehörte immerhin zu den festen Bestandteilen meiner adoleszenten Deutschpunkphase. Und im Proberaum der Villa habe ich damals mit meiner eigenen Band nicht nur zahllose Abende verbracht, sondern wir haben in dem Kommunikationszentrum auch einige unserer ersten Konzerte gespielt und irgendwann habe ich schließlich als Konzertveranstalter die Punkrockfahne in der 30.000 Einwohner-Stadt Wedel hochgehalten. Viel mehr Nostalgie geht nicht. Da mein letzter Besuch in der Villa mittlerweile einige Jahre zurück lag, ließ sich eine gewisse sentimentale Grundstimmung folglich nicht verleugnen, als mich die S-Bahn vorbei an idyllischen Pferdeweiden in den Hamburger Speckgürtel verfrachtete…
Zunächst durften allerdings DOGS ON SAIL aus Hamburg ihr Können unter Beweis stellen. Musikalisch waren sie eher durchwachsen, dafür nahmen sie sich aber selber nicht allzu ernst und kamen dadurch ziemlich sympathisch rüber. Musikalisch erinnerte mich das Ganze etwas an den melodischen Streetpunk von SMALL TOWN RIOT, allerdings hatten sie noch ein paar Skatepunk-Einflüsse. Das unterstrichen sie nicht zuletzt auch im Zugabenteil, wo sie den Klassiker „Bro Hymn“ von PENNYWISE spielten, der vom Publikum erwartungsgemäß fröhlich mitgegrölt wurde.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die zweite Vorband, ARRESTED DENIAL, komplett verpasst habe, da ich mich beim Frischeluftschnappen festgesabbelt habe. Scheinbar haben sie das Publikum aber gut vorgewärmt, denn als DRITTE WAHL loslegten, verwandelte sich das komplette erste Drittel des Zuschauerraumes umgehend in einen wilden Pogo-Kessel. Und was soll ich sagen, es fühlte sich tatsächlich wieder so an wie früher: Bier spritzte, verschwitzte Körper fielen übereinander und die Lieder hörten sich so vertraut an, als wären die alten Platten bei mir zu Hause immer noch im täglichen Dauereinsatz. Neben allseits beliebten Stücken wie „Resolution der Kommunarden“, „Brot und Spiele“, „Greif ein“ oder „Melodien für Melonen“ kamen auch einige ganz alte Stücke wie „Schaum auf der Ostsee“, „Tobias“ oder „Mainzer Straße“ zum Einsatz, und zu meiner Überraschung wurde mitten im Set „In der Kneipe zur trockenen Kehle“ von SCHLEIMKEIM gecovert. Mein kleiner Vergangenheitsbewältigungstrip endete schließlich mit dem Stück „Zeit bleib stehen!“, welches quasi als Rausschmeißer gespielt wurde. Passender hätte der Abend nicht ausklingen können.