Ein Duo zu gründen, ist immer wieder ein gewagtes Unterfangen. Weil eine Band grundsätzlich viel cooler ist. Und weil „Duo“ so piefig klingt, so nach Marianne und Michael, nach Ike und Tina. Oder nach Sonny und Cher. Ganz großes Überleitungs-Tennis. Denn wie die perfekt zurecht operierte Pop-Ikone sind auch GO AS IN GORGEOUS dem Charme elektronischer Soundveredelung erlegen. Zu hören auf „Ain´t broke. Don´t fix.“, der Debüt-EP von Nico van Hamme, ehemaliger Schlagzeuger von SUMMER’S LAST REGRET, und David Schumann, Ex-Mitglied von INSURRECTION, Buchautor und Model. GAIG sind Pop-Punk 2.0, selbstverliebt und grell, charmant, und irgendwas zwischen THE GET UP KIDS und BLÜMCHEN. Ein bierseliges Gespräch mit David Schumann.
[F] Wie kommt man vom Hardcore zum Pop?
[A] Wow. Das ist eine lange Geschichte. Bevor ich in meiner ersten Band gespielt habe, INSURRECTION, eine Vegan-Straight-Edge-Band, die sehr hart war, brutal, metallisch, wie man das 96 halt gemacht hat, habe ich eigentlich nur Punk gehört. Richtig klassischen Punk wie zum Beispiel THE CLASH, dazu aber auch immer Sachen wie PROPAGANDHI und NOFX. Im Prinzip schneller gespielte Popmusik. Darum war diese Pop-Wurzel eigentlich immer da. Vor rund einem Jahr, als wir mit GO AS IN GORGEOUS angefangen haben, sind Nico und ich oft in Clubs gegangen. Wir waren vorher auf vielen Konzerten, aber irgendwann hat es angefangen, uns zu langweilen. Also haben wir uns immer öfter in Clubs wiedergefunden. Leider kam dann dieser Indie-Hype auf, alle Bands, alle DJs haben nur noch Indie gespielt, und alles, was mit Punk, Hardcore, Emo oder Pop zu tun hatte, war plötzlich verschwunden. Und eines Abends, wir waren mal wieder ein einem Club, waren betrunken, wollten tanzen, standen wir über einer Stunde auf der Tanzfläche rum, bis gerade mal ein Lied kam, das wir okay genug fanden, um darauf tanzen zu können. Also dachten wir uns: Warum machen wir eigentlich nicht selbst Musik, auf die man tanzen kann, die einen Elektro-Beat hat, und vermischen das mit der Musik, die wir sonst gerne hören? Wir mögen beide gern Bands wie THE STARTING LINE und FALL OUT BOY, zum Teil auch Bands wie REDISCOVER und MEDIC DROID, letztere Bands, die ganz bewusst mit dem Drumcomputer arbeiten, nicht, weil sie keinen Schlagzeuger haben, sondern weil sie Tanzmusik, Partymusik machen wollen. Aber eben nicht so scheiße wie alle anderen, sondern mit dem Melodiegefühl des Pop-Punk. Das wollten wir auch. Wir hätten GO AS IN GORGEOUS auch niemals als Punk-Band bezeichnet, auch unsere Texte sind auf gar keinen Fall punkrelevant. Es soll vor allem Spaß machen.
[F] Ist GO AS IN GORGEOUS eine Band oder ein Projekt? Worum geht es euch, welche Ambitionen habt ihr?
[A] Ich denke, wenn befreundete Leute zusammen Musik machen, dann ist das ein Projekt. Ist natürlich Definitionssache. Es war aber niemals so, dass wir uns gesagt haben: Lass uns das mal veröffentlichen und dann sehen, was passiert. Wir wollten einfach nur die Musik machen, auf die wir Lust haben und die wir selbst gerne hören würden. Dass Redfield Records dann darauf aufmerksam geworden ist und unsere EP letztendlich sogar rausgebracht hat, hätten wir nie erwartet.
[F] Wie ist das passiert, wie genau ist Redfield auf euch aufmerksam geworden? Da haben doch sicherlich Beziehungen eine Rolle gespielt, wenn ich so an Nicos Bandbackground denke. Oder an deinen Quasi-Promi-Status. Oder habt ihr es auf die konventionelle Tour versucht und auf gut Glück Demos an diverse Labels verschickt?
[A] Nein, nie. Nico kannte die Leute von Redfield schon länger, weil er mit seiner alten Band SUMMER’S LAST REGRET, aus denen später FIRE IN THE ATTIC entstanden sind, schon früher bei diesem Label war und mit den Leuten dort befreundet ist. Wir hatten einen Track aufgenommen und den einigen Leuten gegeben, deren Meinungen wir sehr schätzen. Und wenn ich mich recht erinnere, war einer dieser Leute jemand von Redfield. Es könnte auch sein, dass jemand den Track auf einer Party von Richard, dem FITA-Gitarristen und ein guter Freund von uns, gehört hat. Wir hatten eine Rohversion der Aufnahmen dabei und haben die in der Küche über die Anlage laufen lassen. Alle haben sich darüber totgelacht, wir auch. Aber hat ja anscheinend funktioniert. Eine der beiden Geschichten muss es auf jeden Fall gewesen sein, ich weiß nur nicht mehr, welche. Auf jeden Fall war es ein total geiler Zufall, der ganze Shit und alles, was danach kam, die EP, die Shirts… all das.
[F] Tut mir ja sehr leid, aber ich finde die Shirts echt hässlich. Warum muss Merch von Pop-Punk-Bands immer so… neon sein?
[A] Weil das in diesem Genre dazu gehört. Oder so. Ich ziehe so was ja auch nicht tagtäglich an. Nico und ich haben als Leute, die seit Jahren Musik machen und sich in der Szene auskennen, genügend Abstand dazu, um auch mal ganz bewusst cheesy und affig zu sein.
[F] Also trägst du eure Shirts wirklich selbst?
[A] Ja klar! Ist ja schließlich mein eigenes Ding, dazu stehe ich. (Anm. d. Autorin: Ich würde gern seufzen. Neon ist so ziemlich das Schlimmste, was ich mir an Jungs wie David Schumann vorstellen kann. Die gehören in Karohemden oder weiße Shirts.) Natürlich weiß ich nicht mehr, wie ich das in einem Jahr finden werde oder in zwei , aber zu dem Zeitpunkt, als wir die EP aufgenommen haben, war es genau das Richtige.
[F] Eure EP „Ain’t broke. Don’t fix“ ist nur als Download erschienen…
[A] Genau. Was mich stolz macht, ist, dass wir beide es geschafft haben, die Songs zu schreiben, die wir selbst gern hören würden. Genau darum geht es bei dem Projekt. Wie gesagt, wir haben nie daran gedacht, dass wir damit Erfolg haben und Platten, beziehungsweise Downloads verkaufen könnten. Eine richtige Platte gibt es ja gar nicht. Seit einiger Zeit macht Redfield auch Digital Releases und ist damit in guter Gesellschaft. Bands wie RADIOHEAD und ASH machen das schon lange so. Klar, Platten zu produzieren ist teuer, und die Leute laden ihre Musik eh nur noch runter, wozu also unnötig Geld ausgeben? Von Labelseite aus für mich absolut verständlich. Wir hatten also auch überhaupt keine Ausgaben, die wir wieder reinbekommen mussten. Wir waren nicht mal im Studio, sondern haben alles zu Hause am Rechner aufgenommen. Das Einzige, was mich theoretisch Geld gekostet hätte, wären die Fahrten von Köln nach Bonn zu Nico gewesen. Aber ich hab mir dafür immer Semestertickets von Freunden ausgeliehen, also hat mich nicht mal das etwas gekostet. Wir sind eine vollkommen budgetfreie Band.
[F] Worum geht es bei eurer Musik?
[A] Auf der EP sind fünf Songs drauf, zwei Texte davon von Nico, zwei von mir und einer, den wir zusammen geschrieben haben. Bei den meisten Songs geht es um Mädchen. Meinen Lieblingstext auf der EP hat Nico geschrieben, „Corner bourke and russell streets“. Wir teilen eine Erfahrung, die viele andere so nicht erlebt haben, und zwar haben wir beide lange Zeit im Ausland gelebt, fern der Heimat, weit weg von allen Freunden. Nico war in Australien, ich in Japan. In diesem Lied geht’s genau darum, wie es ist, so weit von zu Hause entfernt zu sein. Es geht darum, wie geil es sein kann, weil man so viele Erfahrungen macht, so viele Menschen kennen lernt und völlig andere Welten erlebt, darum, wie es ist, jeden Tag aufzustehen und sich zu fragen: Wow, was mache ich hier eigentlich? Aber es geht auch darum, wie sehr man seine Freunde zu Hause vermisst, dass man oft nachts allein ins Bett geht, und niemand ist da. Es geht um die Ambivalenz von Gefühlen. Ich bin sehr stolz auf diesen Song. Der Titel „Corner bourke and russell streets“ kommt auch von Nico. An dieser Ecke, also „Corner bourke and russell streets“, war eine Emo-Indie-Punkrock-Disco, in die er oft gegangen ist. Glaub ich zumindest. Und die anderen Songs… naja, da geht es vor allem um Mädchen, die man mag. Und die einen nicht mögen.
[F] Wenn ich mir die EP so anhöre, werde ich das Gefühl nicht los, dass sie ganz hervorragend in die aktuelle Charts-Landschaft passen würde. Klingt alles extrem poppig, rastlos… die Partymusik für die neue Pop-Punk- und „Atzen“-Generation. Könntest du dir so einen Ausflug in die Charts vorstellen?
[A] Ich verstehe, was du meinst. Und es stimmt auch, stilistisch geht es ja schon sehr in Richtung METRO STATION, die ich eigentlich furchtbar finde, die aber dennoch eine der Bands sind, die uns inspiriert haben. Zu unserer Verteidigung: Als wir die Musik zum ersten Mal gehört haben, war die CD noch gar nicht draußen und wir hatten keine Ahnung, was für Leute sich hinter METRO STATION verstecken oder was für einen Hype das geben würde. Im Endeffekt ist es aber schon krass, dass wir anscheinend den Zahn der Zeit getroffen haben. Trotzdem sind wir anders. Weniger von den Songstrukturen her, als von den Arrangements, den Melodien und den Akkorden, die wir benutzen. Ich finde, wir klingen wie eine komische Elektroversion von THE GET UP KIDS. Und auf unserem Myspace-Profil steht ja auch, dass wir „Happy Hardcore“ machen. Wir sind ja große BLÜMCHEN-Fans.’ 96 war ich hier in Köln bei einem BLÜMCHEN-Konzert im E-Werk und hab mir sogar ein Autogramm geholt. Da steht drauf „Für David. Jasmin. [Herzchen]“ Die Karte hängt heute noch in meiner Wohnung, und ich bin sehr stolz darauf. (lacht) Das Konzert war übrigens sehr geil. Ein Freund und ich sind da hin und wollten genauso abgehen wie die ganzen Teenie-Mädchen, weil wir dachten, da kennt uns ja keiner. Allerdings kannten wir dann bestimmt über die Hälfte der Leute. Alles Leute aus der Hardcore-Szene. (lacht) Und BLÜMCHEN ist heute immer noch super. Auf den Trashpop-Partys, die derzeit erfolgreichste Partyreihe hier in der Gegend, wird mindestens dreimal pro Nacht was von BLÜMCHEN gespielt, und ich steh jedes Mal auf dem DJ-Pult und feier das ab! Dafür schäme ich mich auch nicht. Und wenn ich mir das so recht überlege, würde ich GO AS IN GORGEOUS als eine Mischung aus THE GET UP KIDS und BLÜMCHEN bezeichnen.
[F] Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du wie CHER klingst?
[A] Nee! Ich klinge überhaupt nicht wie Cher! (lacht) Wir benutzen halt diesen Auto-Tune-Effekt, weil die Bands, auf die wir uns beziehen, den auch alle benutzen. Es gab gar keinen Weg daran vorbei. Wie gesagt: GO AS IN GORGEOUS ist ein Projekt, wir machen das, worauf wir gerade Bock haben. Und dazu passt dieser Effekt ganz gut, weil er 100 Prozent dancy klingt, sehr poppig und dazu sehr blechern und metallen. Dazu kommt, dass du als Sänger denkst, „Wie geil, jetzt kann ich so scheiße singen, wie ich will!“, schließlich war Auto-Tune ursprünglich dazu gedacht, falschen Gesang zu korrigieren. (lacht) Dabei ist es viel schwieriger, MIT Auto-Tune zu singen als ohne. Ich habe meine Gesangsspuren damals eingesungen und es war alles komplett daneben. (David versucht, das Erlebnis noch mal lautmalerisch darzustellen, was wirklich sehr nett ist, aber schwer nach Wolfsgeheul klingt. Und nach CHER. Leider kann ich das an dieser Stelle nicht originalgetreu wiedergeben und verweise auf die Phantasie des Lesers., Anm. d. Autorin) Du brauchst viel mehr Präzision. Ich muss dazu sagen, dass Nico und ich von diesen Dingen keine Ahnung haben. Wir sind Autodidakten. Wir haben uns das Programm runtergeladen und es ausprobiert. Es ist wirklich nicht so einfach, wie man sich das immer vorstellt.
[F] Warum eigentlich GO AS IN GORGEOUS?
[A] Die alten Hardcore-Bands, die wir früher immer gehört haben, hatten immer dieses „Go!“ vor den Moshparts. Das ist unser GO. Wir hätten es auch gerne mit einem Ausrufezeichen geschrieben, aber die Idee hatten PANIC! AT THE DISCO leider vor uns. Sehr ärgerlich.
[F] Soweit ich weiß, legt Redfield immer viel Wert darauf, dass ihre Acts oft live spielen…
[A] Bei uns ist das nicht so. Da war von vornherein klar, dass es anders laufen muss. Wir haben mal überlegt, ob es überhaupt funktionieren würde. Es gibt einen Typen, ATOM AND HIS PACKAGE, der war Ende der Neunziger ganz angesagt. Der hatte bei seinen Shows immer seinen kleinen Computer dabei, sein „Package“, auf dem er alle Songs drauf hatte, hat den irgendwo hingestellt und ist abgegangen. Natürlich geht das. Nur: Funktioniert das auch mit unserem Sound? Kann man diesen Auto-Tune-Effekt, den wir verwenden, auch live benutzen? Ginge das nicht, fände ich das Ganze ziemlich witzlos. Außerdem bräuchten wir mindestens drei weitere Musiker, die unseren Sound live begleiten. Es ist also schwierig, ganz abgesehen davon, dass Nico einen Fulltime-Job hat und ich oft in Japan bin. Obwohl wir Bock drauf hätten.
[F] Jetzt wäre so ein letzter Satz noch ganz schön.
[A] Was soll ich denn sagen?
[F] „Blueprint ist das beste Online-Fanzine der Welt!“
[A] Wie heißt das?
[F] Blueprint!
[A] Blueprint ist das beste Online-Fanzine der Welt!
http://www.myspace.com/goasingorgeous