Bombastische Kronleuchter über der Bühne, verlebter Stuck an der Decke: GET WELL SOON laden zur Record Release-Party ihres zweiten Albums „Vexations“ in den Saalbau Neukölln, eigentlich ein Theater. Das richtige Ambiente für eine Band, die das bühnenreife Kunststück vollbringt, schon in den ersten Januartagen ein Indie-Favorit für das Jahr 2010 zu sein.
Nach einer fast endlosen Dauerschleife Vogelgezwitscher, das auch im Opener „Nausea“ der neuen Platte zu hören ist, betreten GET WELL SOON die Bühne. Und haben ihr Publikum sofort in der Tasche. Highlights sind der Song „5 steps/7 words“ mit dem düsteren Intro aus Textsample und Trompete und „We are free“. Je nach Stück wechseln die Instrumente, Gitarren oder diverse klassische Instrumente, wechselt die Stimmung zwischen laut und leise. Die Intensität der Musik verstärkt Konstantin Gropper durch die Texte: wie schon auf dem fulminanten Debüt „Rest now…“ richtet er sich oft in Aufforderungsform an seine Figuren bzw. benutzt direkt Ansprache („Shoot, baby, shoot!“). Auf „Vexations“ funktioniert das genauso gut.
Übrigens: darüber zu streiten, ob „Vexations“ an das Debüt heranreicht oder ob Gropper sich mit seinen Referenzen (u.a. an Philosophie und Film) übernimmt, wäre streiten auf zu hohem Niveau. Für mich muss die Band einen Vergleich mit RADIOHEAD und BRIGHT EYES nicht scheuen. Nicht im direkten Vergleich der Musik, sondern was ihre Fähigkeit angeht, ein Publikum in den Bann zu ziehen.
Und gefangen ist das Publikum im Saalbau auf jeden Fall. Ab und zu wacht es auf für kurze Pausen, einmal wegen technischer Irritation oder weil Gropper einen Schwatz mit dem Publikum hält: nach der obligatorischen Präsentation einer Vinyl-Ausgabe des neuen Albums will ihm jemand aus dem Publikum das Exemplar abschwatzen, und er scherzt: „Hab selbst nur eine, erscheint schließlich auf einem Indielabel.“ – City Slang.
Live beeindruckt die sechsköpfige Band auch, weil sie neben der Standardbesetzung aus Gitarre, Bass, Schlagzeug einen wahren Instrumentenreigen tanzen lässt: Violine, Xylophon, irgendein verrücktes Saiteninstrument (Zither?), Akkordeon, Glocken, Schellen und natürlich zwei Becken, die Verena Gropper mit einem Ernst zusammenhaut, den nur Menschen mit einer klassichen musikalischen Ausbildung hinbekommen. Live so lupenrein hoch wie Verena Gropper zu singen, habe ich bislang übrigens selten erlebt, höchstens bei den isländischen MÚM. Beeindruckend.
Am Ende des Abends taumeln entrückte Menschen aus dem Saalbau und haben nicht nur das neue Album gehört, sondern auch einen Großteil vom Debüt „Rest now“.