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Omas See Festival – Ostfriesisch herb

Wie oft habe ich die Oma an diesem Wochenende verflucht. Als ich am Freitag Nachmittag zum Eingang stapfte, um den Rest der Gang abzuholen und zur Zeltstatt zu geleiten, zum Beispiel. In meiner lässig übergeworfenen Mülltüte kämpfte ich mich durch monsunartigen Regen, der mir meine schönen, schwarzen Katzenaugen verschmierte. Nachdem ich im nahe geparkten Auto Schadensbegrenzung betrieben hatte, war am Eingang zum Gelände gerade ein zweiter Eingang eröffnet worden, eine Vorabkontrolle, in die ich mich mit meinem Rucksack einreihen musste. So verpasste ich das Set von MUFF POTTER. Als ich wiederkam, stellte ich fest, dass das grüne Fleckchen, auf dem wir vor wenigen Stunden unsere Zelte aufgestellt hatten, verschwunden war. „Ey. Ihr zeltet in ´ner Pfütze!“, brüllte mir ein alkoholisierter 18-Jähriger mit Ray-Ban-Wayfarer-Verschnitt auf der Nase zu und lachte. „Geh tot, du Opfer“, murmelte ich zurück. In Gedanken verpasste ich ihm eine ordentliche Tracht Prügel. Bud-Spencer-Style. Recht hatte er trotzdem. Und nachdem mein Freund, der zu den Nachzüglern der Truppe gehörte, mir mitleidig über den Kopf strich und sagte: „Ach Enna. Weißt du denn nicht, dass man nie in der Nähe von Wasserpflanzen zelten sollte?“, war alles aus. Fürs erste. Aber dann kamen TURBONEGRO, und die Welt wurde wieder ein bisschen besser. Hank von Helvetes gefühlte 27 nackte Rettungsringe und seine zuckersüß-hilflosen Versuche, Obszönitäten in deutscher Sprache von sich zu geben, zauberten das erste Lächeln des Abends in mein Gesicht. Dann kamen EGOTRONIC. Bam. Großartig. Alles. Die Audiolith-Aftershow fiel für mich allerdings flach, weil ich sichergehen wollte, dass mein Zelt nicht in der Zwischenzeit davon geschwommen war. War es nicht, also legte ich mich kurz hin. Und pennte durch bis zum nächsten Morgen.
Der zweite Tag war wundervoll. Mal abgesehen von der schlammigen Drecksbrühe, die immer wieder meine Gummistiefel flutete. Oder davon, dass die Hälfte unserer Posse bereits morgens abgereist war. Oder davon, dass sämtliche Bierdosen von einer braunen Schlammkruste bedeckt waren, was das Trinkvergnügen merklich minderte. Oder davon, dass mir die Gummibänder meiner Isomatte, die ich mir um den Kopf geschnallt hatte, um damit meinen ewig nassen Pony aus dem Gesicht zu frisieren, ganz allmählich die Blutzufuhr zu meinem Gehirn abschnürten. Oder davon, dass der Dönermann und seine 83 überforderten Azubis es einfach nicht schafften, die Wünsche der Festivalmenge zu erfüllen. Wie gesagt: Ich habe die Oma und das ganze Drumherum unzählige Male verflucht. Und habe die zwei Tage dennoch sehr genossen. Dank der zauberhaften Musik von Bands und Künstlern wie GISBERT ZU KNYPHAUSEN, CLICKCLICKDECKER, DISCO ENSEMBLE und AULETTA, einem lustigen betrunkenen Mädchen namens Wiebke, den lovely Blueprint-Kollegen und –kolleginnen und natürlich meiner Helden Heigö und Dimi – Kriegsbemalung olé. Auf die Oma.

(st) Ein weiteres Mal Omas Teich, erneut erwarten uns drei Tage musikalische Festlichkeiten im Kreise der Familie und allerfeinste Unwetter. Heißt ja schließlich Omas Teich Festival 2009 und nicht Omas Wüstental, richtig?
Hier also der obligatorische Shortcut durch sämtliche Bands für alle, die irgendetwas verpasst haben – soll ja vorkommen:

Warum sind RIVERLINE eigentlich gebucht worden? Überambitioniertes Hardcore-Metal-Gegrunze. „Das ist unsere Soundcheck-Band!“ sagt der Mischer. Der obligatorische Local Act also.
CLICKCLICKDECKER hingegen – superschöner deutscher Indie-Pop mit besten Texten, gleich Shirt kaufen gehen. Die BADDIES sind die erste Band, bei der es aufzuhorchen gilt… die sind echt GUT, oder? Geiles Rock ´n´ Roll Brett.
Aber das können die BLOOD RED SHOES auch zu zweit. Und wie. Respekt – auf Dauer allerdings ein wenig ermüdend.
MUFF POTTERs Sänger Nagel sage ich nach der Show, wie gerne ich seine Band mögen würde – tolle Texte, sympathische Menschen, im Punk verwurzelt… aber sie kriegen mich einfach nicht. Schade. „Ach, macht nix“, meint Nagel, „das geht mir mit SONIC YOUTH auch so. Aber
wenigstens denkst du drüber nach. Finde ich gut.“
(Anmerkung in eigener Sache: Falls mir jetzt nachträglich jemand die Auflösung der Band anhängen will – meinetwegen, aber: Das war einfach schlechtes Timing!)
TURBONEGRO haben mich auch schon mal mehr gekickt. Das Ding scheint sich ein bisschen überholt zu haben, aber die Meute feiert.
Gewinner des Abends: Die kleinen Elektroclash-Rocker von EGOTRONIC: Das winzige Hamburg-Label Audiolith stellt den Headliner – und zwar zu Recht. Die Jungs ballern mit ihren Samplern und Synthies ein irres Tanzbrett raus.
Gerade, wenn das Wetter so scheiße ist, braucht ein Festival so eine Band! Eine, die uns von innen trocknet.

Tag 2.
Die Schlammschlacht findet ihren Höhepunkt. Wer jetzt keine wasserdichten Stiefel und Hosen sein eigen nennt, darf auch nicht jammern.
AULETTA jammern nicht, sie spielen ein fröhliches und schönes Set in die Regenwände und begeistern die ca. 60 Die-hard-Fans im Sumpf vor der Bühne. Respekt, Jungs!
MIKROBOY legen musikalisch gut einen drauf (während die Teich-Crew gut Stroh auf den Matsch legt), obwohl der Regen jetzt schon waagerecht ins Zelt peitscht. Unterdessen füllt sich das Blueprint-Domizil mit immer mehr Schutzsuchenden, die sich gleich von den zwei Openern glanzvoll bekochen lassen werden.
SABOTEUR. sind meine Omas-Teich-Band des Jahres – klar, so richtig haben sie sich von ihren Vorbildern SONIC YOUTH nicht emanzipiert, aber: Geil, geil, geil! Hansepunk = glücklich!
GISBERT ZU KNYPHAUSEN weiß wohl, dass sein melancholischer Songwriter-Kram bei diesen Bedingungen nur wenig Freunde finden wird, also verzieht er sich so weit in den Bühnenhintergrund, dass man ihn kaum noch sehen kann. Fehlgebucht. Das bitte lieber im kleinen Club.
SONDASCHULE mit ihrem deutschen Skapunk muss man zu Hause vielleicht nicht haben, aber bei so viel Tanzgewalt verzieht sich sogar der Regen. Genau: Sonnenstrahlen! Raus mit dem Sunblocker, Kids!
MONTREAL nennt Hardy liebevoll „die neuen Ärzte“. Stimmt schon – da wird viel gewitzelt und geflachst, der Drummer stagedivend zum Bier holen geschickt, und man trägt sogar unsere eigens gekauften „Kik“-Pullover zum hässlichen „Pullover“ Song. Hat Spaß gemacht, echt! Aber kochen können die GAR nicht!
DISCO ENSEMBLE aus Finnland lassen selbst meinen Mund offen stehen, kann ja auch nicht mehr reinregnen. Ein Feuersturm aus Groove, Rock, Tanzfläche und tollen Ideen. Mit so viel Energie vorgetragen, dass es eigentlich nicht besser geht.
Die KILIANS fand ich schon immer nett. Jetzt sind sie mir zu abgeklärt.
Zu den LEMONHEADS fragt Olli im Vorfeld den Oma-Booker: „Warum buchst du die denn? Sagen doch eh ab!“ So sei es!
Angeblich hat Evan Dando seinen Pass verloren – ist klar. Ich mutmaße, dass er angesichts der Witterungsverhältnisse eher die Lust verloren hat.
THE RIFLES – hochgepriesen als Live-Band… aber das war nix. Markus: „Mit steigendem Bierpegel wird das aber besser, finde ich.“ Stimmt schon. Es wird erträglicher. Aber die Musik ist immer noch öde wie Sau.
DEICHKIND überreißen ihr überlanges Intro ein wenig, aber DANN… Kindergarten auf Crack! Musikalisch ist das nix für Mutters einzigen Hansepunk, aber diese grellbunte und lustige Show macht sie zum perfekten Headliner.

Rückblickend haben Omas kleine Helfer mal wieder ein sicheres Gespür für das perfekte Line-Up bewiesen. Und die Klamotten sind schon im Trockner. Selbst die Blutflecken sind rausgegangen. Wir sehen uns nächstes Jahr!

(vv) Da steht die Puff Mutter in ihrem hässlichsten Pullover am Herd, schmeißt zusammen, was der Thomas Gottschalk unserer kleinen Showbühne, Herr Lewerenz von Audiolith vorgibt, während alles in AULETTAs Live-Videoblog (http://www.auletta.de/a/node/34/) festgehalten wird! Oh jetzt müffelt schon wieder der Pott, und sowieso ist alles viel schlimmer als Sie denken… Wenn Oma das sehen könnte, würde sie sich wahrscheinlich wehmütig an den Steckrübenwinter ´49 erinnern. Aber wenigstens sind die Schuldigen am schlechten Wetter schnell gefunden, denn in Brühe angemachte Käsebrötchensauce an halbgaren Kartoffeln kann man nun mal nicht aufessen, liebe Jungs von MONTREAL! Da sind die liebevoll zurechtgestutzten Gemüsesticks von MIKROBOY der reinste Gaumenschmaus und auch AULETTA haben sich an die kulinarische Höchstdisziplin eines am Campingkocher gefertigten Kartoffelgratins gewagt und gewonnen. Die soeben bekannt gewordene Trennung MUFF POTTERs kann ebenfalls nicht am selbstgezauberten blinden Spiegelei gelegen haben. Alles in allem lässt sich resümieren, dass es um die Zubereitung einer nahrhaften und schnell bereiteten Mahlzeit in Deutschlands Indie-Sektor nicht schlecht bestellt ist. Wie es jemand aus dem Zeltpublikum so schön auf den Punkt brachte: Musiker, die können das, mit der Pfanne schwenken und so, was sonst keiner kann, aber Musiker die können das…

Und um Oma nochmal zu Wort kommen zu lassen und mit einer ostfriesischen Weisheit abzuschließen:
Hat min Vader ne son hard Hard habt hat, had n paar Stefels hat.
(Hätte mein Vater nicht so ein hartes Herz gehabt, hätte ich ein paar Stiefel gehabt.)