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Dour-Festival 2007 – Indie in Belgien

Ein Festival-Bericht von Anika Schuster (an) und Jens Gerdes (jg).

Da vermutlich die wenigsten je von dem Dour-Festival gehört haben, jedenfalls waren das meine Erfahrungen („Wie? Was? Dour? Nie gehört!“), hier ein paar Infos vorweg:
Eigentlich ist Dour ein kleines, verschlafenes Örtchen im Südwesten Belgiens, doch schon seit 1989 verwandelt es sich einmal jährlich in eine Hochburg der alternativen Musikszene. Zehntausende von Musikbegeisterten geben dann dem Stadtbild für vier Tage einen völlig neuen Anstrich.
Und dieses Jahr sollte nun auch ich, die zu ihrer Schande gestehen muss, schon seit Jahren keinen Festivalboden mehr betreten zu haben, eine unter ihnen sein. Also packte ich meinen Rucksack und stieg, dekadenterweise, in ein Flugzeug nach Brüssel. Im gehobenen Alter reist der Festivalgänger eben auch mal etwas bequemer und, man glaubt es kaum, günstiger als mit der Bahn. Apropros das liebe Geld: das Dour-Festival ist relativ preiswert. Wo bekommt man schon noch so viel geboten für schlappe 75 €? Und dazu gibt es jede Menge freiwillige Helfer (ca. 1200!), die diesem Festival eine recht familiäre Atmosphäre verleihen, welche auf den meisten Festivals doch eher dem Kommerz gewichen ist. Leider!
Auf jeden Fall sollte mich ein riesiges Line-Up erwarten, welches sich gehörig gewaschen hat. 200 Bands in vier Tagen, eine schwierige Aufgabe, wenn man zirka ein Drittel kennt und nicht genau weiß, was nun lohnt oder eher doch nicht. Da hieß es, kräftig Vorarbeit leisten und den Qualitäten von MySpace auf den Zahn fühlen. Hörproben.
So erhielt dann auch VIVE LA FÊTE, eine belgische Band, die sich ganz dem Elektro-Pop-Punk à la DAFT PUNK verschrieben haben, meine erste Aufmerksamkeit. Mit einer gehörigen Prise Sexappeal tritt Els Pynoo (Vocals) auf die Bühne, so dass so manches Herz nicht mehr im unmittelbaren Takt des Beats zu schlagen fähig ist. Bei vorrangig französischen Texten fiel es mir persönlich schwer, mich ganz auf ihre Musik einzulassen, doch nach ein paar Liedern horchte ich plötzlich auf: „Das ist doch deutsch, was der da spricht!“ Es schien, als ob sie sich auf die Wurzeln der elektronischen Musikkultur, die ja bekanntlich bei KRAFTWERK liegen, zurückbesinnen würden. Ich zitiere: „Ich weiß es nicht! Was soll das hier mit der Quatsch!“ Das fragte ich mich dann auch…(an)

Auch ich konnte den Herren und Damen von VIVE LA FETE nur wenig abgewinnen. Die Style-Attitüde stand bei der Band zwar ganz weit vorne, aber ansonsten war das Dargebotene eher mau. Mich erinnerten die Belgier am meisten an MIA. Auch was den dürftigen Gesang angeht.
Insgesamt stand am Donnerstag nicht viel auf unserem Programm. GUITAR WOLF gefielen sich vor allem in klischeehaften Rockposen. Ganz so, wie man sie in Erinnerung hatte. Jedenfalls schien die Band aus dem Herztod von Bass Wolf Billy kaum etwas dazugelernt zu haben, und so stand das Motto „Sex (?) & Drugs & Rock ’n‘ Roll“ nach wie vor ganz oben auf der Fahne. Musikalisch nach wie vor mehr schlecht als recht, in der „Dance Hall“ kam zusätzlich noch ein furchtbarer Hall auf dem Gesang hinzu, der jedoch leider fast alle Bands auf dieser Bühne begleitete.
THE JAI-ALAI SAVANT konnten zuvor immerhin aufgrund der merkwürdigen Zutaten in ihrer Musik ein paar Pluspunkte gewinnen. Ein kruder Mix aus Reggae, Elektro, Dub, Rock und Ska, bei dem zwar nicht jede Stelle gefiel, der aber immerhin gewagt und in Ansätzen innovativ war. Beim zehnjährigen Jubiläum von TIEFSCHWARZ huschten wir nur kurz vorbei – das überlassen wir dann doch lieber den M’era Luna-Gängern. MAGNUS alias dEUS‘ Tom Barman und CJ BOLLAND durften heute nur nachts im Zelt ran. Vor drei Jahren überzeugten sie noch die Massen zur Primetime auf einer Draußen-Bühne, aber auch zu später Stunde mit einer kleineren Menge Zuschauer schienen sie von ihren DJ-Qualitäten nichts eingebüßt zu haben. Zum Abschluss schauten wir noch kurz bei der All Stars HipHop-Combo WU-TANG CLAN vorbei. Ein Freund hatte ja bereits vorausgesagt, dass sie kurzfristig mal wieder absagen würden, weil einer der Rapper kurz vorm Gig wegen Drogenbesitzes in den Knast wandert, der andere bei einem Drive-by shooting das Zeitliche segnet. Tatsächlich wartete man fast eine halbe Stunde vergeblich auf ihren Auftritt, aber dann waren tatsächlich alle vollzählig versammelt und legten mit einem schönen Mix aus ihren Werken los. Allerdings wollte ich meine Freundin als HipHop-Hasserin nicht allzu lange damit quälen, und die nächsten drei Tage stand schließlich noch genug Musik an. (jg)

Bevor wir uns am Freitag auf den Weg zum Festival-Gelände machten, stellten wir zunächst mit Wohlwollen fest, dass das wechselhafte Wetter des Vortages von Sonne und Wolken abgelöst wurde, allerdings hatte man uns über Nacht sozusagen „eingeparkt“. Hatten wir am Vorabend noch darauf gehofft, ein Zeltplatz für Freunde freihalten zu können, mussten wir heute zur Kenntnis nehmen, dass bereits die letzten zweihundert Meter des Geländes komplett mit Zelten zugeballert war. Fluchtwege? Nicht mehr ansatzweise zu erkennen! Und erschreckenderweise strömten uns immer mehr Gäste mit Zelten in der Hand entgegen. Ich gestehe, dass mir die ganze Sache ein wenig Angst machte, zumal für morgen 32°C und Sonnenschein gemeldet wurden. Wenn da ein Gasbrenner zu nah am Zelt steht, können sich gleich alle anderen Zelte verabschieden. Zum Glück passierte nichts, aber die neuen Quetchua-Zelte, die sich von selbst aufbauen und die Iglu-Zelte langsam aber sicher ablösen, machten ihrem Namen alle Ehre.
Vor der Musik wollten wir uns noch mit einem ausgiebigen Frühstück stärken, und erlebten erstmals in unserem Leben, dass bei LIDL Einlassstopp herrschte. Ohne Scheiß! Eine Viertelstunde warten, dann kam der nächste Schwung rein. Aber man kann nicht klagen – die Vorräte (auch an frischen Baguettes) waren ordentlich aufgestockt!
Doch kommen wir zurück zum Festival-Gelände. Burning Heart’s neues Signing SOUNDS LIKE VIOLENCE hatten wir verpasst, die einzige Post-HC-Band des Festivals, ERASE ERRATA sagten das Dour leider ab. Mist!
HERMAN DUNE nahmen wir heute als ersten Act richtig wahr. Allerdings konnte er seine Vorschusslorbeeren mit lahmem Folk-Rock nicht wirklich ernten. In den guten Momenten erinnerte mich der Franzose an SONGS:OHIA, meistens jedoch an langweilige Kirchentagsmusik. Dafür war das Wetter aber fantastisch und lud zum Faulenzen auf dem frischen Grün der heute erst geöffneten Red Frequency Stage ein.(jg)
Am Freitag kam mein persönliches Highlight – HOT CHIP aus dem schönen England. Wie man sie kennt, lieferten die fünf Jungs von HOT CHIP eine großartige Show ab. In einer gewohnten Mischung aus Elektro-Pop, Soul und den markanten Stimmen von den beiden treibenden Kräften der Band, Alexis Taylor und Joe Goddard, liefen sie zur Höchstform auf. Sofort stellte sich bei mir dieses Sommer-, Sonne-, Urlaubsfeeling ein, wie ich es irgendwie immer habe, wenn ich mir ihre Scheiben anhöre, und all die Erinnerungen an verregnete Sommertage waren wie weggeblasen. Müsste ich HOT CHIP mit einem Wort beschreiben, so wäre dies „liebenswert“.
Zur späteren Stunde des besagten Tages und nach einer Portion echter belgischer Pommes mit einer mir wärmstens empfohlenen Tunke namens „Sauce Andalouse“, standen dann auch noch CLAP YOUR HANDS SAY YEAH! auf meinem Programm. Nachdem die Band Anfang 2007 ihr zweites Album „Some loud thunder“ herausbrachte, ist sie kein Geheimtipp mehr, und ihre viel umsagte Ähnlichkeit zu ARCADE FIRE lässt sich auch bis heute nicht bestreiten. So dass sich auch das Publikum nicht lumpen ließ und pünktlich um 22 Uhr auf der Matte stand, um kräftig in die Hände zu klatschen und die Band um Sänger Alec Ounsworth gebührend willkommen zu heißen. Ich weiß nicht, ob denen unter euch, die CLAP YOUR HANDS SAY YEAH! schon einmal live erleben durften, aufgefallen ist, welch eine Ironie doch in diesem Namen steckt. Also, für mich verkörpert der Name Energie und Dynamik, aber wenn man sich den Sänger anschaut, wie er da mit seiner Gitarre steht und sich so gut wie nicht von der Stelle bewegt, dann zweifelt man doch sehr an einer gelungenen Auswahl des Bandnamens. Doch trotz dieser Verirrung steht eines fest: CLAP YOUR HANDS SAY YEAH! sind ein durchaus sehenswerter Live-Act und sollten bei Möglichkeit auf keinem nennenswerten Festivalprogramm 2007 fehlen. (an)

Kurz vorbeigeschaut habe ich heute noch bei CONVERGE. Für meinen Geschmack eine maßlos überschätzte Band. Klar, sie sind schnell und technisch versiert, aber hardcorelastiges Geknüppel bieten heutzutage eine Vielzahl an Bands in wesentlich interessanterer Form. Also schnell weiter zu den mittlerweile stark ergrauten NOMEANSNO. Aber nur optisch. Denn musikalisch bieten die Gebrüder Wright auch heute noch ein unglaublich energisches Set an Old School Jazzpunk. Mit herrlich tiefem, kräftigen Gesang. Ein Haken auf der Liste der Bands, die ich der Allgemeinbildung wegen noch sehen musste. Und es hat sich gelohnt.
Überraschend gut gefiel mir heute außerdem JIMI TENOR zusammen mit KABU KABU. Nichts von wegen Art-Freak-Elektro-Nerd-Pop wie vor zirka zehn Jahren auf dem Roskilde, nein, JIMI TENOR lieferte zusammen mit seiner afrikanischen Backing Band äußerst tanzbaren Easy Listening Jazz Funk mit musikalisch perfekten Querflöten- und Saxophon-Soli, in dem sich die Menge gedankenlos verlieren könnte und es auch tat. Bis gegen Ende des Sets plötzlich ganz verstörend der Nerd Rock durchbrach. Wäre ich stoned gewesen, hätte ich Panik bekommen. Aber nach dem Song ging es dann auch wieder leicht verdaulich weiter. Toll!
Danach noch schnell das Ende der BRIGHT EYES mitbekommen, die mir heute erstmals auch ziemlich gut gefielen. Vielleicht sollte ich das vorschnelle Abstempeln als Frauenmusik in diesem Fall noch mal überdenken. Auf dem Weg zum Zelt schauten wir noch kurz bei den derzeit recht angesagten GOOSE vorbei. Die rockigen Elektrobeats vermittelten zunächst einen ganz ordentlichen Eindruck, im Laufe des Sets wurde die Musik aber doch recht plakativ, erinnerte mich mit den massenappellierenden Shouts fast ein wenig an SCOOTER. Schnell ins Bett!(jg)

Am Samstagmittag machten wir uns dann ein letztes Mal auf den langen Weg (denn wir mussten ja unbedingt gaaaaanz hinten zelten) zum Festivalgelände. Die Sonne schien uns auf den Bauch, und ohne einen Plan für den Nachmittag in der Tasche ließen wir uns letztendlich zur Red Frequenzy Stage, eine der beiden Open-Air-Bühnen, treiben, da dort die schönste Wiese zum verweilen einlud. Da machte ich dann meine Bekanntschaft mit SIOEN, einer sich in der Jazz-Region ansiedelnden belgischen Band um den Sänger und Pianisten Frederic Sioen. In Belgien ist er bereits ziemlich bekannt, und selbst in unseren Gefilden spielte er bereits auf etlichen Festivals und war auch schon bei der Popkomm in Berlin anzutreffen. Mit seinem Quartett spielt er einen morbiden Progrock mit Blueseinflüssen, der jedoch oft von einem klassischen Pianospiel abgelöst wird. Die Jazzecho schreibt über sein neues Album „A potion“: „der melancholische Rocker Sioen tritt gegen den klassisch ausgebildeten Pianisten Sioen an, ein Duell, aus dem beide als Sieger hervorgehen.“ Ein Zitat, das, wie ich finde, es wirklich auf den Punkt bringt. Dem einzigen, dem ich nicht zustimmen kann, ist der Vergleich der Stimme Sioens mit der von Jamie Cullum. Mich erinnerte sie live, als ich dort so auf meinem Schattenpläzchen lag, eher an die Stimme von Jon Bon Jovi, und daran konnte ich mich wirklich nicht gewöhnen. (an)
Moment… Wir hatten keinen Plan für heute? Und ob! Denn heute standen immerhin MOTORPSYCHO und THE NOTWIST auf dem Timetable. Direkt nacheinander, wohlgemerkt! Vorher schaute ich allerdings noch bei JOE LALLY vorbei. Auch so ein Künstler, den man zumindest mal gesehen haben muss, selbst wenn seine Solo-Sachen mit FUGAZI kaum noch etwas zu tun haben. Interessant war der Auftritt jedoch schon allein aufgrund der akrobatischen Dehnübungen des Bandleaders, während die musikalische Darbietung doch recht abstrakt und verkopft war. Allerdings schienen die italienischen Free Jazzer von ZU, die seine Backing Band stellten, daran nicht ganz unbeteiligt gewesen zu sein.
Danach trafen wir uns mit der deutschen Kontaktperson zum Dourfestival, Annika aus Leipzig. Eine sehr zuvorkommende und vor allem begeisterungsfähige Frau, gerade was das Interesse an Musik angeht. Ihre dritte Frage war ein aufgeregtes: „Und, wen habt Ihr schon alles gesehen?“, mit der anschließenden Empfehlung, uns unbedingt BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB anzusehen. Nur leider waren wir zu dem Zeitpunkt bereits auf dem Rückweg, konnten Annika jedoch dazu überreden, über die Band zu berichten (mehr dazu am Ende dieses Berichts). Sie ist übrigens aufgrund eines Fremdsprachen-Praktikums beim Dour-Festival gelandet und half 2007 bereits zum dritten Mal in Folge bei der Koordination und Pressearbeit. Ihr haben wir auch die Verlosungs-Tickets zu verdanken, und ich glaube, dass sich die Orga vom Dour mit ihr wirklich glücklich schätzen kann. An dieser Stelle auch noch mal ein herzliches Dankeschön von unserer Seite.
Als nächstes nahmen wir uns die TWO GALLANTS vor, die zuletzt von der Presse ja mit ordentlich Lob bedacht wurden, und tatsächlich schlägt sich das Duo aus San Francisco sehr eigenständig durch die Bereiche Folk, Punk, und Americana. Vor allem die raue Stimme von Adam Stephens weiß dabei, den Songs eine Menge Energie zu verleihen, ein wenig ähnlich, wie man es auch von AGAINST ME! kennt.
Danach endlich MOTORPSYCHO. Das letzte Mal, dass ich sie sah, ist auch schon ein gutes Jahr her, und immerhin zählen sie zu den wenigen Bands, die mich bereits seit mehr als zehn Jahren begleiten und in dieser Zeit kaum Abnutzungserscheinungen aufweisen. Das schaffen die wenigsten Bands, ich glaube sogar, es gibt keine einzige Band, die mich über einen so langen Zeitraum mit gleich bleibendem Interesse begleitete. Los ging es alsbald mit einem neuen Song und auch mit einem neuen Schlagzeuger, Kenneth Kapstad aus Norwegen. Der wurde seinem nicht ganz einfachen Posten mehr als gerecht und dürfte die Probezeit bei MOTORPSYCHO problemlos überstehen. Gefiel mir bei weitem besser als der zwischenzeitliche Ersatzmann der holländischen 35007. Schade nur, dass der Bass heute so wahnsinnig laut war, dass man sich selbst in weiter Entfernung von der Bühne problemlos einen Tinnitus hätte einfangen können. Zudem sorgte die Lautstärke für einen etwas matschigen, monotonen Sound, der die Vielseitigkeit ihrer Musik leider nicht so leicht erkennen ließ. Beeindruckend war Bents Bassspiel nach wie vor, und auch Snah „Zauselbart“ Ryan, der alte Knecht Ruprecht, spielte sich an der Gitarre gekonnt und routiniert von einem zum nächsten Jam. Schade nur, dass die ruhigen Songs (ein einziger Lichtblick war da „Vortex surfer“) heute viel zu kurz kamen und man beinahe dem Eindruck erliegen konnte, dass bei MOTORPSYCHO nach fast zwanzig Jahren alles gesagt ist.
Im direkten Vergleich gefielen mir THE NOTWIST im Anschluss daran wesentlich besser. Bei ihnen scheint der Songwriting-Prozess nie beendet, und so wurden Songs von der „12“ bis hin zu „Neon golden“ in teils völlig neuen Interpretationen dargeboten. Auch von der Songauswahl war das Konzert der Weilheimer, die das 4.000 Leute fassende Zelt bis zum letzten Platz füllten, wesentlich ausgewogener, ja fast wie ein Album konzipiert. Aufgrund des nicht abfallenden Applauses durften sie nach dem regulären Set noch eine Zugabe geben, in der Markus Acher zum Ende seinen eigenen Gesang zunächst loopte und anschließend bearbeitete, spiegelte und verfremdete. Großartig!
Von den belgischen GIRLS IN HAWAII hörten wir nur noch den letzten Song, der zwar eine angenehm melancholische Stimmung vermittelte, vom musikalischen Anspruch her jedoch nicht ansatzweise an die offensichtlichen Vorbilder von RADIOHEAD heranreichte.
Bei den DROPKICK MURPHYS, die die Menge in eine Meute hungriger Piraten verwandelten, guckten wir nur kurz vorbei, abschließen lassen wollten wir den Tag eigentlich mit JUSTICE, deren Hits „We are your friends“ und „D.A.N.C.E.“ ja mittlerweile so ziemlich jeder Club-Gänger kennen dürfte. Nur leider füllten die beiden DJs aus Paris das Zelt dermaßen gut mit jungen Kids, dass man kaum stehen, geschweige denn tanzen konnte, abgesehen von der schlechten Luft und dem von der Decke tropfenden Kondenswasser. Das war überhaupt ein interessantes Phänomen, das man jeden Abend verfolgen konnte: Da ab Mitternacht fast ausschließlich Techno, Breakcore, House und Drum and Bass lief, und das in voller Lautstärke und bis fünf Uhr morgens, wechselte ungefähr ab Mitternacht das komplette Publikum. Nachts die Raver in den Party-Zelten und die übrigen Leute im eigenen Zeltchen, tagsüber das gleiche Bild umgekehrt. Egal, wir waren für heute erledigt, freuten uns aufs heimelige Zelt und verabschieden uns hiermit leider schon heute vom Festival. Da wir am nächsten Tag bis in den Flieger noch einen weiten Weg vor uns hatten, entgingen uns leider Bands wie 1990a, WILCO, GYM CLASS HEROES, ZUCCHINI DRIVE, THE THERMALS, 65DOS, DJ SHADOW, MIDLAKE und eben der BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB. Aber für’s Wort zum Sonntag verabschieden wir uns hiermit und übergeben an Annika vom Dour. (jg)

Sagen wir: subjektiv.
Diese Zeilen sind für alle, die sich dem Rock verschrieben haben. Zumindest können jene folgende Lobhudelei vielleicht besser verstehen. Für alle anderen sei es eine Aufforderung, einen Blick in ein traditionelles Genre zu wagen, das rabiat klingt, mystisch Angst macht und dir so entgegendonnert, dass es einem vermeintlich die Tür vor der Zukunft zuschlägt. Aber es gehört zur Zukunft. Rock’n’Roll gehört zum Künftigen.
Ich bin ein Mädchen und Rock’n’Roll wirkt stark und männerbeherrscht. Aber Rock’n’Roll ist pures „Sex-Appeal“! Nichts umgarnt mich mehr als dieses rabiate HERKOMMEN und UMWERFEN. Ich trinke Sekt und deklariere Rock’n’Roll zum absoluten Nonplusultra (musikalischen) feministischen Willens.
Ich spreche über Musik! Und hört genau hin: Sehnsucht, Verzweiflung und Ängste bedürfen keinem Gerede über maskuline oder feminine Anschauungen. Sich „Luft verschaffen“ geschieht immer noch auf sehr unterschiedliche Weise. Das Vorher und Nachher jedoch, ist immer gleich. Und ich bin auch „nur Einer von Euch allen“.
Sonntagabend kurz vor Neun. ENDLICH! Die letzten drei Tage sind nur so an mir vorbeigehuscht. Eigentlich blöd (von mir) bei 220 Künstlern. Aber ich habe das ganze Wochenende auf dessen Ende gewartet. Und nun ENDLICH! ist es Abend, die Sonne hat sich rot gefärbt und leuchtet hinter der Bühne auf den staubigen Boden herunter. Das fühlt sich schon sehr nach Rock’n’Roll an. Die Akustikgitarre gibt ein wenig verhalten den ersten Ton an. Nun wird ein Konzert der Mentalität dieser Männer wohl niemals ein visuelles „Entertainment of the Year“ werden. Aber der Plan ist, die Musik sprechen zu lassen. Und so geschieht’s dann auch mit wenig Sprache zwischen den Songs, währenddessen aber rotzig, trotzig, „Nein, verdammt noch mal!“ REBELlisch.
Kleine Raffinessen der Studioaufnahmen machten sich leider etwas rar. Die hochgeschätzte Mundharmonika, die mir den Folk in den Schoß legt, hatte ihren Auftritt nur knapp drei Minuten! Die anwesenden Fans ließen sich dadurch kaum stören. Die „Neuankömmlinge“ jedoch hatten es ein bisschen schwer, sich packen zu lassen. Die europäische Biker-Gemeinschaft bekennt sich bisher wohl nur spärlich zum Westküsten-Export-Schlager der USA (der immerhin seit vor fünf Jahren Alben hervorbringt, die nicht zu überhören sind).
Hypnotisierend das letzte Lied, mit einem grandiosen Instrumentalbogen und vier Minuten Konzertüberlänge! Und doch zu schnell vorbei.
Also ich setz meinen Helm jetzt ab und mach’s mir gemütlich. BLACK REBEL MOTORCYCLE CLUB. Willkommen zu Hause! (annika vom dour)

http://www.dourfestival.be