THE SPAGHETTI WINGS – Random hurray

BPLS heißt eine unangenehme, aber harmlose, Drehschwindelerscheinung. Dreht man nachts den Kopf auf die Seite, wird das Karussel ordentlich angeworfen. Ursache sind hübsche kleine Kristalle im Innenohr, die sich in einen Bogengang verirrt haben. BPLS steht für Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel. „Beninge Paroxysmal“ könnte auch eine südamerikanische Soundso-Core-Band sein.
Die Hamburger Karsten J. Genz und Daniel Freieck haben einen Namen für eine schwindelerregende LoFi-Kapelle gesucht und sind auf THE SPAGHETTI WINGS gekommen. Auf dem Cover des Debüts ist der Umriss eines freundlichen Bären mit einer hellen durchgehend gelegten Linie auf pechschwarzem Hintergund skizziert, er trägt eine freundliche Ente auf dem Arm. Der Darmtrakt des Bären wurde, wie weitere Linien auch, mit Spaghettinudeln geformt. Die Typographie des Bandnamens und Albumtitels „Random hurray“ erscheint in Buchstabensuppennudelart. Das sieht (trotzdem) hübsch aus.
Erschienen ist das Album auf dem Darmstädter Label „From lofi to disco“. Label- und Bandname passen gut zusammen: wir haben es mit unaufgeregtem Gesang zu tun, der an SHARON STONED erinnert oder an larmoyante PIXIES. Dazu gesellen sich hin und wieder schrammellige Indie-Gitarren, getrieben vom Drumcomputer, gepaart mit Echo und elektronischen Space-Effekten. Je nach Betonung der Mittel klingt das nach YO LA TENGO, GUIDED BY VOICES oder BEATNIK FILMSTARS. Oder auch GRANDADDY und THE NOTWIST. Das Album startet mit „Alarm“ wirklich schwindelerregend gut: das ist ein IndieCindy-Tanzflächenknaller, da tanzt eine sympathische Meute auch ohne zu wissen, was gerade läuft. Angeblich hat die automatisierte iTunes-Sortierung zur alphabetischen Tracklist von „Random hurray“ geführt. Man hätte die Songs auch nach LoFi-Indie-Pop und LoFi-Psychedelic-Space-Krautpop sortieren können. In letztere Schublade wären dann unter anderem die Buchstaben B („Blue moon“), C („Canyons“), L („Liftboy“) und T („The small tone kids“) gelandet und ehrlich gesagt: diese Schublade würde ich nicht so oft ziehen. Das liegt natürlich an meinen bescheidenen und eingefahrenen Hörgewohnheiten, da haben psychedelische Jam-Sessions leider nicht so viel Raum. Meine Schuld.
Unbedingt erwähnenswert sind „(The two mightiest) Monsters“ und „Waterloops“: wie im Bandinfo angedeutet finden sich hier sentimentale „Strawberry fields“-Harmonien im LoFi-to-Disco-Gewand. Klingt ein wenig wir TURNER, nicht FRANK TURNER, sondern wie der deutsche Elektropop-Künstler. Auf dem falschen Fuß erwischt kann man hier durchaus eine Träne verdrücken.
Aufgenommen und produziert wurden die Songs im Schlafzimmer von Karsten J. Genz.
Auch dieses Detail trägt dazu bei, den sympathischen Jungs mit dem sympatischen Album viel Erfolg wünschen zu müssen und viel Respekt zollen zu wollen.

Übrigens:
Otolithen heißen die anfangs erwähnten schwindelverursachenden Kristalle auf Reisen im Innenohr – OTOLITH live in der Brixton Academy, oder so. Das ist doch kreativer als BILDERBUCH. Und habe ich schon erwähnt, dass ich seit „Random hurray“ einen Drehschwindel habe?

Jo Rößmann

Weiß nichts, kann aber alles erklären.